Hieroskopie

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Hieroskopie (Opferschau, aus altgriechisch ἱερός hieros „Heiliges“, „Opfer“ und altgriechisch σκοπεῖν „betrachten“), auch Hieromantie (Wahrsagen aus Opfermaterial, von altgriechisch ἱερός hieros und altgriechisch μαντεία manteia „Wahrsagen“), bezeichnet eine Reihe divinatorischer Verfahren, welche mittels Opfermaterial die Zukunft vorauszusagen versuchen. Meist wird damit das anscheinend bedeutendste Verfahren dieser Art, die Zeichendeutung aus Opfertieren, besonders aus ihrer Leber (Leberschau), gemeint, es konnten jedoch ebenfalls auch andere Materialien, wie etwa Mehl, Wein, Rauch (Kapnomantie), Vogelflug (Ornithomantie), aus Blitzen (Fulguration), aus Opfertieren (Haruspicium), aus dem Feuer (Pyromantie) und Ähnliches zum Einsatz kommen.

Die Grundannahme dieser divinatorischen Technik in der Wahrsagerei bestand darin, dass (bestimmte) Menschen in zufälligen Ereignissen sinnvolle Muster zu erkennen in der Lage waren. Götter und transzendente Wesen (Geistwesen, Supranaturalismus) benutzten sie als Mittel, um jenen die dazu befähigt waren die Zeichen zu verstehen und zu interpretieren, ihre Absichten kundzutun.

Hieroskopie ist für viele antike und einige moderne Kulturen belegt. Das reichhaltigste Quellenmaterial stammt aus dem Alten Orient, wo entsprechende Handbücher, Protokolle und Anfragen in Keilschrift auf Tontafeln geschrieben wurden, die uns erhalten blieben. Für die Völker der klassischen Antike, die Etrusker, Römer und Griechen, ist die Hieroskopie ebenfalls belegt, jedoch sind hier kaum schriftliche Aufzeichnungen vorhanden. Man geht davon aus, dass der Ursprungsort dieser Verfahren im altorientalischen Raum zu suchen ist, wo es auch zur größten Bedeutung gelangte.[1]

Die Bezeichnung für jemanden, der Hieromantie praktiziert, lautet entsprechend Hieromant.

Aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. nimmt das divinatorische Schrifttum des Alten Orients einen enormen Umfang an. Omina und Orakel wurden vor allem als Warnungen verstanden. Sie sollten die Möglichkeit bieten, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen.[2] Im zutiefst religiös verwurzelten Alten Orient wurde zu erwartendes Unheil aber nicht primär als Schuld des Menschen, sondern besonders als göttlicher Wille begriffen, was von den Machthabern dann auch politisch instrumentalisiert wurde.[3] Dieser hohe Stellenwert des Orakelwesens wird auch durch belegte Vereidigungen von Zeichendeutern[4] oder den Befehl zum Raub divinatorischer Fachliteratur bezeugt.

In der klassischen Antike bezeichnete der Begriff Chaldäer, synonym auch für Babylonier verwendet, die in Rom und Griechenland tätigen Astrologen, Zeichendeuter, Beschwörer und Gelehrte. Dies muss als Reflexion einer empfundenen engen Verbindung der Zeichendeutungswissenschaft mit Mesopotamien gewertet werden.[5]

Verhältnis zu anderen Divinationsverfahren

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Neben der Hieroskopie wurden im Altertum auch andere divinatorische Verfahren angewandt, welchen je spezifische Aufgaben zukamen. Gerade im 1. Jahrtausend v. Chr. gewann besonders die Astrologie erheblich an Bedeutung, von der man glaubte, dass sie permanent Auskunft über das Verhältnis der Könige zu den Göttern gebe.[6] Im Gegensatz dazu wurde die Interpretation irdischer Omina vor auf die Menschen bezogen, in deren Lebensbereich sie sich ereignet hatten; eine Ausnahme hiervon bildete das Auftreten von Missgeburten. Diesen Verfahren ist jedoch gemeinsam, dass sie sich auf sich zufällig ereignende „Zeichen“ beziehen und daher keine permanente Auskunftmöglichkeit boten. Demgegenüber konnte das Orakelverfahren der Hieromantie jederzeit durchgeführt und somit provozierte Zeichen hervorgerufen werden.[7] Diesen Verfahren wurde ein großes Vertrauen entgegengebracht, dennoch zog man bisweilen die Kompetenz des Zeichendeuters in Frage, so dass diese nicht in allen Lebensbereichen wirken konnten.

Eingeweideschau

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Die Eingeweideschau oder Extiszipin (Eingeweideschau, von lateinisch gleichbedeutend extispicium) ist das wichtigste und am besten bezeugte Divinationsverfahren im Altertum, welches deshalb oft pars pro toto als Hieroskopie im engeren Sinne bezeichnet wird. Sie war mit Ausnahme Ägyptens im gesamten antiken Mittelmeerraum sowie im Vorderen Orient verbreitet.[8] Einsichten in Zukünftiges wurden dabei durch die Beobachtung eines Opfertieres, in der Regel eines Lammes, vor und beim Schlachten sowie durch die Inspektion seines Knochengerüstes und seiner Innereien gewonnen. Als letzte Legitimationsinstanz für allerlei politische Entscheidungen kam diesem Verfahren die höchste Bedeutung zu.[9] Es besaß seinen sakramentalen Charakter, sodass es in einem rituellen Rahmen eingebettet von einem professionellen Opferschauer durchgeführt werden musste.

Dabei war die Leberschau (griech Hepatoskopie) eine der zentralen und meistverbreiteten Praktiken der Opferschau im antiken Orakelwesen und der Omenkunde. Auf das Ergebnis einer Wahrsagung hin verstanden, wird sie auch als Hepatomantie, einem Wahrsagen aus der Leber und stellvertretend für die übrigen Eingeweide bezeichnet. Sie spielt auch heute noch gelegentlich in einigen traditionellen asiatischen Kulturen eine Rolle.

Die altorientalische Tradition führt die Eingeweideschau auf Enmenduranki zurück, dem ersten vorsintflutlichen König von Sippar, dem das Verfahren durch die Götter Adad und Šamaš offenbart worden sei, damit er es die Menschen lehre. In der Tat ist die Eingeweideschau ein sehr altes Verfahren, wie etwa eine Inschrift Ur-Nanšes von Lagaš zeigt, die die Berufung eines hohen Priesters durch Eingeweideschau bezeugt; entsprechende Belege finden sich dann auch aus der Zeit der 3. Dynastie von Ur, sowie der Isin-Larsa-Zeit. Hinzu kommt die Erwähnung des Berufs des Opferschauers in lexikalischen Listen aus Fāra, Abū ṢalābĪḫ und Ebla[10] Reichhaltiger sind die Quellen dann vor allem ab altbabylonischer Zeit, wo zahlreiche Omensammlungen Einblicke in die Praxis der Eingeweideschau bieten. Durch historische Bezüge bezeugen sie die wichtige Rolle, die der Eingeweideschau schon zur Zeit des Reiches von Akkade zugekommen war.[11] Gerade ab der späteren altbabylonischen Zeit wird die Eingeweideschau in unterschiedlichen Textgattungen dokumentiert.

Die erste Gruppe bilden schriftlich fixierte Opferschau-Omina, die im Laufe der Zeit zu ganzen Omensammlungen zusammengefasst wurden. Sie treten schlagartig ab dem 18. Jahrhundert v. Chr. auf, als die bis dato vermutlich mündliche Auslegungstradition erstmals schriftlich fixiert wurde.[12] Dies ist wohl vor allem vor dem Hintergrund der Entstehung des altbabylonischen Reiches zu sehen, wo Erfahrungen und Lehren unterschiedlicher Herkunft zusammengetragen unc in ein normiertes Curriculum eingearbeitet wurden.[13] Als Quellen dieser Traditionen können anhand orthographischer Konventionen zwei wesentliche Textgruppen ausgemacht werden, welche einerseits aus dem Raum des antiken Sumer und andererseits aus der Region um Sippar stammen. Im Verlauf des 2. Jahrtausends v. Chr. wurden diese Texttraditionen fortgeführt und zu umfangreichen Omen-Serien zusammengefügt. Wie später im 1. Jahrtausend v. Chr. üblich übernahmen die Texte schon damals komplexe orthographische Konventionen, die vor allem auf der Verwendung von Logogrammen beruhten. Am Ende des 2. Jahrtausends erlebte das Schrifttum zur Opferschau eine massive Kanonisierung und Serienbildung, die das 100 Tafeln umfassende Werk iškar bānûti zum Endprodukt hatte.[14] welches in der Bibliothek des Assurbanipal erstmals fassbar ist und bis in seleukidisch-parthische Zeit überliefert wurde. Seine 10 Unterserien behandeln einzelne Teile des Vorgehens des Opferschauers.[15] Die Apodosen der darin gesammelten Omina behandeln fast ausschließlich Belange des Königs oder des Staates.

Neben den Omensammlungen bilden die Omenkommentare eine weitere wichtige Quellengruppe. Dabei handelt es sich um zu Serien zusammengefassten Nachschlagewerke, welche zu jeder Serie der Omensammlung Kommentare von teilweise mehreren Tafeln Länge zusammenfasste. Das umfangreichste Werk dieses Typus trug den Namen mukallimtu und ist erstmals in der Bibliothek des Assurbanipal bezeugt.[16] Dieses Werk stellte insbesondere die in den Omensammlungen verwendeten, redundanten Terminologien zusammen und erläuterte entsprechende Begriffe. Teilweise enthielten sie auch Fragen für die Opferschauer-Examina. In diese Gattung gehört auch die 10. Unterserie von iškar bānûti namens multābiltu, die ihrerseits wiederum aus siebzehn Tafeln bestand.[17] Sie benennt die für die Interpretation eines Befundes wichtigen Assoziationen, ist insgesamt aber noch wenig erschlossen. Eine Sondergruppe innerhalb dieser Textgruppe bilden die Orientierungstafeln, die die Topographie der Teile von Opfertierinnereien benennt und sie bestimmten Bereichen zuordnet. Sie sind auf Tontafeln sowie auf Lebermodellen überliefert.

Neben Schriftquellen sind auch archäologische Quellen zur Eingeweideschau überliefert. Hierunter nehmen Modelle und Zeichnungen von Opferschaubefunden eine besondere Stellung ein. So existieren etwa Modelle von Tierlebern, Tierlungen, Tierdärmen und ein Exemplar eines Modells einer Schafsmilz.[18] Auf diesen Modellen konnten dann Markierungen verschiedene Opferschaubefunde verdeutlichen.

Ebenfalls aus alt- und besonders auch aus mittelbabylonischer Zeit ist eine Reihe von Opferschauprotokollen und -anfragen erhalten geblieben. Sie enthalten knappe Beschreibungen durchgeführter Opferschauen und deren abschließende Bewertung. Zumeist stammen solche Tafeln den Archiven reicher Privathaushalte oder, im Falle von Mari, aus dem Königspalast. Entsprechende Beschreibungen finden sich auch auf den Opferschauanfragen der neuassyrischen Könige, die zudem ein Gebet an den Sonnengott und die eigentliche Orakelanfrage preisgeben. Bei diesen Texten bleibt jedoch die abschließende Bewertung des Befundes aus.[19]

Anwendungsbereich

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Bereits ab dem Frühdynastikum bediente sich vorrangig das Königtum der Eingeweideschau. Diese Verfahren erlaubte es, selbst auf komplexe Fragen antworten zu erhalten und andererseits bot es die Möglichkeit, jederzeit und rasch göttliche Bestätigung für wichtige Entscheidungen einzuholen. In dieser Funktion wurde es auch in altbabylonischer Zeit und bis in das 1. Jahrtausend v. Chr. eingesetzt. Als politisch brisantes Wissen unterlagen sowohl die Gegenstände der Orakelanfragen als auch die Techniken der Disziplin einer strengen Geheimhaltung.[20] Immerhin wurden besonders viele Anfragen zu militärisch-strategischen Entscheidungen und zu einer sich zuspitzenden politischen Situation gestellt. In der Regel sind die Anfragen auf einem bestimmten Geltungszeitraum der Antwort begrenzt; einige Anfragen wurden auch grundsätzlich tournusmäßig durchgeführt, etwa zur Funktionstüchtigkeit des Heeres. Anfragen bezogen sich auch auf Personalangelegenheiten, Bauvorhaben oder die Frage, ob der König ein bestimmtes Medikament einnehmen solle. Insbesondere diente die Opferschau aber auch zur Verifizierung von Prognosen, die aus anderen divinatorischen Verfahren hervorgegangen waren.

Neben dem Königtum konnten sich aber auch reichere Privathaushalte der Eingeweideschau bedienen. Entsprechende Anfragen beziehen sich hier vor allem auf die Gesundheit des Fragenden und seiner Familie, aber auch auf unternehmerische Fragen, auf die Treue der Ehefrau oder auf die Bedeutung von Träumen.[21]

Praktische Umsetzung

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Die Eingeweideschau war ein komplexer Vorgang, der rituell eingebettet war und von professionellen Opferschauern durchgeführt wurde. In der Regel wurde dieses Amt innerhalb einer Familie vererbt. Insbesondere in neuassyrischer Zeit wurden wichtige Sachverhalte durch mehrere unabhängige Teams von Opferschauern geprüft, um so Irrtümern und Betrug vorzubeugen.[22] Insgesamt lässt sich das Procedere einer Eingeweideschau bis heute nur in Grundzügen nachvollziehen.

Eingeweideschauen wurden grundsätzlich nur an dafür als geeignet erachteten Tagen durchgeführt. Das Ritual begann dann mit der kultischen Reinigung des Opferschauers, welcher sich seine Ohren mit Tamariske und Zeder zu verschließen hatte.[23] Es folgten Gebete an die Gestirne und die persönlichen Götter des Opfergebers, welche durch Anrufungen, Gebete und Speiseopfer sowie durch Räucherwerk herbeigerufen wurden. Dann wurde das Anliegen, in Form einer Entscheidungsfrage stilisiert, dem makellosen Opfertier ins Ohr geflüstert, bevor es geschächtet wurde. Teile seines Fleisches mussten dann dem Sonnen- und dem Wettergott dargebracht werden. Diesen wurde eine Tontafel mit der Anfrage des Opfergebers und seinem Fingernagelabdruck vorgelegt. Der abgetrennte Kopf des Opfertieres wurde vor das Opfer gelegt, bevor die Inspektion der Eingeweide beginnen konnte.[24]

Vor dem Zerlegen des Opfertieres hatte der Opferschauer eine Reihe von Beobachtungen zu machen, die in den Gesamtbefund mit einflossen. Dann wurden zunächst die Gedärme betrachtet und die Form und ihrer Anzahl dokumentiert, bevor sie entnommen wurden. Entsprechend wurde auch mit den anderen Organen verfahren, wobei Herz und Lunge sehr sorgfältig begutachtet wurden. Die mit Abstand größte Aufmerksamkeit kam jedoch der Leberinnenseite des Opfertieres zu.[25] Diese wurde entgegen dem Uhrzeigersinn nach bestimmten Merkmalen abgesucht und je nach Lage und Aussehen als positiv oder negativ bewertet.[26] Jedem einzelnen Befund wurde dabei einerseits eine die Zukunft betreffende Bedeutung zugeschrieben, andererseits ermittelte der Opferschauer das Endergebnis des Verfahrens durch Auszählen der positiven und negativen Lebermarkierungen.[27]

Im Rahmen der Leberschau wurden 13 Teile der Leber besonders beachtet und jeweils mit Namen versehen. Diese waren:

  1. Furche auf dem lobus sinister: naplastum (Blick) oder manzāzum (Standpunkt)
  2. Furche am oberen Rand des lobus sinister: padānum (Pfad)
  3. umgeschlagener ventrolateraler Rand des lobus sinister: naṣraptum (Färbbottich)
  4. ligamentum teres hepatis: danānum (Stärke)
  5. incisura ligamenti teretis: bāb ekallim (Palasttor)
  6. Furche auf dem lobus quadratus: šulmum (Wohlergehen)
  7. Gallenblase: martum (Bittere)
  8. eingezogene Furche auf dem lobus dexter: tākultum (Tasche)
  9. Furche auf dem lobus dexter benachbart der Gallenblase: padān imitti marti (Pfad rechts der Bitteren)
  10. Teil des lobus dexter: nīdi kussîm (Standort des Thrones)
  11. processus caudatus: ubānum (Finger)
  12. processus papillaris: ṣibtum (Zuwachs)
  13. Bügel zwischen lobus caudatus und lobus sinister: nīrum (Joch)

An diesen Stellen konnten nun verschiedene Marker auftreten, die je nach ihrer Verortung eine positive oder negative Bedeutung hatten. Die wichtigsten dieser Marker waren

  • stark hervortretende Lymphknoten: erištum (Übersetzung unklar)
  • keulenförmiger Auswuchs: kakkum (Waffe)
  • verkalkter, punktförmiger Bohrgang von Leberparasiten: pūṣum (weißes)
  • Bindegewebsstrang: qûm (Faden)
  • durch Leberparasiten hervorgerufenes Häutchen: šišītum (Häutchen)
  • Furche in Form eines Fußes: šepum (Fuß)
  • verkalkte Bohrgänge von Band-/Spulwurmlarven an der Oberfläche: uṣurtum (Zeichnung)
  • durch Finnen verursache Blasen: ziḫḫum oder dīḫu (Übersetzung unklar)[28]

Die auf diese Weise reich gestaltete Leberoberfläche wurde als eine von den Göttern beschriebene Tafel verstanden, auf welcher die einzelnen Zeichnungen verschiedene Lesungen besaßen, aus welcher die für den aktuellen Kontext geeignete Interpretation ermittelt werden musste. Für diese Verknüpfung zwischen dem Leberbefund und dem Geschehen in der realen Welt kamen verschiedene Möglichkeiten in Frage. So konnten etwa bestimmte Teile der Leber wie das Palasttor direkt bestimmten Bereichen der Welt, etwa dem Königtum zugeordnet werden. Ebenso bedeutet ein keulenförmiger Auswuchs dann Gewaltanwendung. Ebenso konnten aber auch Verknüpfungen über Etymologien oder mit Sternen geschehen, die zurzeit noch nicht verstanden werden können.[29] Die Leber wurde andererseits jedoch auch in zahlreiche Bereiche aufgeteilt, die ihrerseits eine „rechte“ (positive) und eine „linke“ (negative) Seite besaßen. Die Wertung eines Befundes wurde dann je nach seiner Position ermittelt. Eine negative Markierung auf der linken Seite war somit ein insgesamt positiver Befund.[30]

Wirkungsgeschichte

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Dass die mesopotamische Eingeweideschau eine breite Rezeption erfuhr, zeigt der Umstand, dass mesopotamische Omensammlungen bereits im 2. Jahrtausend auch in anatolischen, syrischen und iranischen Fürstenhöfen vorgehalten und gelehrt wurden. Auch für das antike Israel ist eine entsprechende Beeinflussung nachweisbar.

Für die Kulturen der klassischen Antike ist eine direkte Beeinflussung wegen fehlender Quellen nicht nachweisbar. Jedoch fällt auf, dass die Verfahren eine so große Ähnlichkeit besitzen, dass diese nur durch eine Einflussnahme erklärt werden kann. Entsprechende Kontakte dürften über Kleinasien und die Levanteküste bestanden haben. In hellenistischer Zeit und in der römischen Kaiserzeit waren zudem mesopotamische Gelehrte an den jeweiligen Höfen als Opferschauer direkt tätig.[31]

Sonderfall: Inspektion von Vögeln

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Einen Sonderfall der Eingeweideschau stellt die in altbabylonischer Zeit bezeugte und für das 1. Jahrtausend v. Chr. vermutete Inspektion von (Opfer)vögeln dar, deren Körper jedoch nicht geöffnet wurde. Stattdessen wurde der gerupfte Vogelkörper auf allerlei Auffälligkeiten untersucht, wobei roten Flecken (sūmum) eine besondere Bedeutung zukam. Ebenso wurden auch weiße Flecken und die Färbung des Kopfes untersucht.[32] Dieses Verfahren wurde, wie Omenkompendien nachweisen, von Königen und Feldherren benutzt, da die Apodosen sich häufig auf militärische Belange beziehen.

Neben Opfertieren konnten auch andere Opfermaterialien zur Divination verwendet werden. Sie gehören zur Opferschau in weiterem Sinne. Eines dieser Verfahren ist die Lekanomantie (von griechisch λεκάνη, Schüssel), das auf der Betrachtung von in eine Wasserschüssel gegossenem Öl bedient. Dieses galt in Mesopotamien als alte, von den Göttern offenbarte Wissenschaft, die dem mythischen König Enmeduranki gemeinsam mit der Leberschau gelehrt wurde.[33] Für König Šulgi ist mit seiner Behauptung, dieses Verfahren zu beherrschen, dessen Existenz eindeutig bezeugt.[34] Das hierfür verwendete pflanzliche Öl diente vermutlich als Opfergabe, durch welche Einsicht in Zukünftiges gewonnen wurde. Hierzu musste sich der Opferschauer früh morgens rituell reinigen und goss dann Öl in ein mit Wasser gefülltes Gefäß, welches anschließend nochmals mit Wasser übergossen wurde.[35] Aus der Farbe, der Bewegungsrichtung und den vom Öl angenommenen Formen wurde dann der Befund ermittelt. Die Apodosen in Omensammlungen beziehen sich sehr oft auf die Zukunft von Privatleuten und auf Heilungschancen von Kranken. Außerdem beziehen sich nicht wenige auch auf den Verlauf von Feldzügen, so dass diese drei Bereiche wohl als das Haupteinsatzgebiet dieses Verfahrens ausgemacht werden können.[36] Dieses Verfahren war auch in den Kulturen der klassischen Antike und im alten Ägypten verbreitet und kann noch heute in Sizilien beobachtet werden.[37]

Auf der Verwendung von Räucherwerk beruht die Libanomantie (von griechisch λίβανος, Weihrauch), ein ab dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. bezeugtes Verfahren. Dieses ist mit nur vier altbabylonischen Omentafeln vergleichsweise schlecht bezeugt, so dass nicht klar ist, in welchem Umfang und über welchen Zeitraum es tatsächlich Anwendung fand; Hinweise auf Rauchomina finden sich in der 52. Tafel einer Sammlung terrestrischer Omina namens šumma ālu.[38] Auch dieses Verfahren oblag einem professionellen Zeichendeuter, der nach Osten blickend ein Rauchfass auf seinem Schoß hielt und Mehl oder Räucherwerk hinein streute. Er beobachtete dabei die Form des dabei entstehenden Feuers und Rauches sowie dessen Bewegungsrichtung, um Auskunft über Fragen von Privatleuten oder zu militärischen Belangen zu erhalten.[39]

Besonders schlecht ist die Aleuromantie (von griechisch άλευρον, Mehl) bezeugt, zu welcher bisher nur eine einzige spätbabylonische Omentafel gefunden wurde, was eventuell auch auf eine Nutzung dieses kostengünstigen Verfahrens in ärmeren Bevölkerungsschichten und damit eine ausbleibende schriftliche Fixierung zurückzuführen ist. So behandeln die Apodosen dieser einen Omentafel auch ausschließlich Belange von Privatpersonen. Vermutlich diente das Mehl, wie bei den bisher genannten Verfahren, als Opfergabe an die Götter, aus welcher dann Auskunft über die Zukunft erlangt werden sollte. Es ist jedoch nichts über eine rituelle Einbettung dieses Verfahrens bekannt.[40] In der praktischen Umsetzung wurde Mehl, teilweise mit Emmerkörnern versetzt, zu Häufchen aufgeworfen und aus dessen Orientierung im Raum bzw. auch der Position der Emmerkörnchen im Häufchen Einblicke in die Zukunft gewonnen.[41]

  • Leda Ciraolo, Jonathan Seidel (Hrsg.): Magic and Divination in the Ancient World. Brill, Leiden 2002. (Ancient magic and divination ; 2), ISBN 90-04-12406-3.
  • Frederick H. Cryer: Divination in Ancient Israel and Its Near Eastern Environment. JSOT Press, Sheffield 1994, ISBN 1-85075-353-9.
  • Ulla Koch-Westenholz: Babylonian liver omens. the chapters Manzāzu, Padānu and Pān tākalti of the Babylonian extispicy series mainly from Aššurbanipal's Library. Carsten Niebuhr Institute of Near Eastern Studies, Copenhagen 2000. (CNI-publikations ; 25), ISBN 87-7289-620-5.
  • Rosmarie Leiderer: Anatomie der Schafsleber im babylonischen Leberorakel. eine makroskopisch-analytische Studie. Zuckschwerdt, München 1990, ISBN 3-88603-348-1.
  • Stefan Maul: Omina und Orakel. In: Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie. Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-018535-0, S. 45–88.
  • Giovanni Pettinato: Die Ölwahrsagung bei den Babyloniern. Instituto di Studi del Vicino Oriente, Rom 1966.

Einzelnachweise

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  1. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 47.
  2. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 49.
  3. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 49.
  4. vgl. SAA X, Nr. 7.
  5. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 49.
  6. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 49.
  7. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 50.
  8. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 69.
  9. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 69 f.
  10. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 70 f.
  11. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 71.
  12. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 71.
  13. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 71 f.
  14. Ulla Koch-Westenholz: Babylonian liver omens. the chapters Manzāzu, Padānu and Pān tākalti of the Babylonian extispicy series mainly from Aššurbanipal's Library. Carsten Niebuhr Institute of Near Eastern Studies, Copenhagen 2000. (CNI-publikations ; 25), ISBN 87-7289-620-5, S. 27–31.
  15. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 72 f.
  16. Ulla Koch-Westenholz: Babylonian liver omens. the chapters Manzāzu, Padānu and Pān tākalti of the Babylonian extispicy series mainly from Aššurbanipal's Library. Carsten Niebuhr Institute of Near Eastern Studies, Copenhagen 2000. (CNI-publikations ; 25), ISBN 87-7289-620-5, S. 31–35.
  17. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 73.
  18. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 74.
  19. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 74.
  20. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 75.
  21. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 75.
  22. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 76.
  23. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 76.
  24. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 76 f.
  25. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 77.
  26. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 77.
  27. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 77.
  28. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 78 f.
  29. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 79 f.
  30. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 80.
  31. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 81.
  32. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 82 f.
  33. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 83.
  34. Konrad Volk In: Saeculum. 47, 1996, S. 178–216.
  35. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 83.
  36. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 83.
  37. Giovanni Pettinato: Überlieferungsgeschichte der aB-Ölomentexte und einige Erwägungen zur Stellung der Ölwahrsagung in der Religionsgeschichte. In: CRRA 14, 1966, S. 95–107.
  38. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 84.
  39. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 84 f.
  40. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 85.
  41. Stefan Maul: Omina und Orakel A. In: RLA Bd. 10. De Gruyter, Berlin 2005, S. 85.