Bundesgesetz über die Invalidenversicherung

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Basisdaten
Titel: Bundesgesetz über die Invalidenversicherung
Abkürzung: IVG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Schweiz
Rechtsmaterie: Soziale Sicherheit
Systematische
Rechtssammlung (SR)
:
831.20
Ursprüngliche Fassung vom:19. Juni 1959
Inkrafttreten am: 15. Oktober 1959
Letzte Änderung durch: 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket vom 18. März 2011[1]
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
teilw. 1. Januar 2012/
teilw. 1. Januar 2014
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG, auch IV-Gesetz) von 1959 regelt zusammen mit den Verordnungen des Bundesrats in der Schweiz die Organisation staatlicher Sach- und Geldleistungen bei Invalidität. Diese Institution wird Invalidenversicherung (IV) genannt.

Gesetzliche Regelung

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Rechtsgrundlage für das IVG sind vor allem Art. 111 und 112 der Schweizer Bundesverfassung, wonach der Bund auch die eidgenössische Invalidenversicherung zu regeln hat, sowie das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000.[2][3][4]

Eine Legaldefinition der Invalidität enthält Art. 8 ATSG. Invalidität ist danach die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Im deutschen Rentenversicherungsrecht spricht man in diesem Fall von verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Invalidenversicherung bezweckt die Eingliederung bzw. Wiedereingliederung der von Invalidität wegen Geburtsgebrechen, Krankheits- oder Unfallfolgen betroffenen Versicherten in das Erwerbsleben (Art. 4 IVG). Eine Rentenzahlung erfolgt erst, wenn eine berufliche Rehabilitation nicht möglich ist. Insoweit folgt das IVG dem in der deutschen Sozialversicherung geltenden Leistungsgrundsatz «Reha vor Rente»,[5] den auch die österreichische Invaliditätspension kennt.

Das IVG sieht medizinische Massnahmen, Integrationsmassnahmen zur beruflichen Eingliederung, Hilfsmittel, die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, Taggelder während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen sowie nach dem Grad der Invalidität abgestufte unpfändbare Renten (Art. 50 IVG) vor.

Ausserdem wird an hilflose Personen, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedürfen (Art. 9 ATSG), eine Entschädigung gewährt. Dabei wird zwischen schwerer, mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit unterschieden (Art. 42 IVG).

Mit der 6. IVG-Revision wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2012 erstmals ein sogenannter Assistenzbeitrag eingeführt. Dieser steht volljährigen hilflosen Personen zu, die zu Hause leben und dort eine Assistenzperson beschäftigen. Grundlage für die Berechnung des Assistenzbeitrags ist die für die Hilfeleistungen benötigte Zeit.[6] In der deutschen Pflegeversicherung wird Pflegebedürftigen gem. § 37 SGB XI abhängig von der Pflegestufe ein Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen gewährt, ausserdem zusätzliche Geldleistungen nach § 45b SGB XI für Personen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen und einem erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung. Für erwerbsfähige behinderte Menschen gibt es in Deutschland die Arbeitsassistenz.

Das IVG wird durch kantonale IV-Stellen vollzogen (Art. 57 IVG), die der Aufsicht des Bundesamtes unterstehen (Art. 64a IVG). Die IV-Stellen sind öffentlich-rechtliche Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 54 IVG). Sie richten unter anderem interdisziplinär zusammengesetzte regionale ärztliche Dienste (RAD) ein, die im Einzelfall die funktionelle Leistungsfähigkeit der Versicherten begutachten (Art. 59 IVG).

Für das Sozialversicherungs- und das Rechtspflegeverfahren gelten abweichend vom ATSG bestimmte Besonderheiten. So entfällt das Einspracheverfahren nach Art. 52 ATSG. Verfügungen der kantonalen IV-Stellen sind direkt vor dem Versicherungsgericht am Ort der IV-Stelle kostenpflichtig anzufechten (Art. 69 IVG).

Die Leistungen des IVG werden zu rund 2/3 durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber sowie zu 1/3 durch Beiträge des Bundes finanziert (Art. 77 IVG). Der Bundesbeitrag darf höchstens die Hälfte der jährlichen Ausgaben der Versicherung ausmachen, muss jedoch mindestens 37,7 % betragen (Art. 78 IVG).

Verordnungen zum IVG

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Nach Art. 86 Abs. 2 IVG ist der Bundesrat mit dem Gesetzesvollzug beauftragt und erlässt die dazu erforderlichen unselbständigen Verordnungen. Den Verordnungserlass kann der Bundesrat an das Bundesamt delegieren.

Die erste Bundesrats-Verordnung datiert vom 17. Januar 1961.[7] Es folgten 1976 die Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln (HVI) und 1985 die Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), die beide durch weitere Verordnungen im Lauf der Zeit geändert worden sind.[8] Die Abgabe von Hilfsmitteln wurde beispielsweise durch Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen mit Wirkung zum 1. Januar 2013 weiter konkretisiert.[9]

Die Hilfsmittel-Verordnung umschreibt den Anspruch auf Hilfsmittel und führt diese in einer Liste auf. Insoweit besteht eine Parallele zur deutschen Hilfsmittel-Richtlinie.

Zwischen 1968 und 2008 wurde das IVG fünf Mal revidiert.[10][11][12][13][14][15] Dabei wurde das Leistungs- und Verwaltungssystem der IV schrittweise auf- und ausgebaut.

Die 6. IVG-Revision ist noch nicht abgeschlossen.

Das erste Massnahmenpaket der 6. IV-Revision (6a)[16] ist teilweise zum 1. Januar 2012, teilweise zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten.[17] Anschliessend an die 4. und die 5. IV-Revision wurde nach dem zugrundeliegenden Konzept «Eingliederung vor Rente» insbesondere ein Assistenzbeitrag zur Förderung einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung von Menschen mit einer Behinderung eingeführt.[18][19]

Zur nachhaltigen Konsolidierung und Entschuldung der IV soll mit dem zweiten Massnahmenpaket (6b) ein umfassender Sanierungsplan abgeschlossen werden.[20] Die damit einhergehenden Sparmassnahmen sind politisch umstritten.[21] Im Juni 2013 wurde die 6. IVG-Revision (6b) vom Parlament abgelehnt.[22][23]

UN-Behindertenrechtskonvention

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Am 15. April 2014 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) von der Schweiz als 144. Staat ratifiziert und ist dort am 15. Mai 2014 in Kraft getreten.[24] Damit ist zumindest eine Berichtspflicht gegenüber der UN[25] verbunden. Weitere Änderungen im IVG sind ein Desiderat.[26]

  • Ulrich Meyer, Marco Reichmuth: Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG). Zürich, 3. Aufl. 2014, ISBN 978-3-7255-7106-2.

Einzelnachweise

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  1. Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket) Änderung vom 18. März 2011
  2. Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (Stand am 1. Januar 2012)
  3. Kanton Zürich, Sicherheitsdirektion Sozialhilfe: Überblick über das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), 4. Juli 2013
  4. Ueli Kieser: Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) (Memento des Originals vom 17. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.socialinfo.ch (ohne Jahr)
  5. Wolfgang Schütte: Der Vorrang von Rehabilitation vor Rente und Pflege (Memento des Originals vom 5. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.z-sozialreform.de Zeitschrift für Sozialreform ZSR, 2004, S. 473–492
  6. Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket) Änderung vom 18. März 2011, E. Der Assistenzbeitrag, Art. 42
  7. Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) vom 17. Januar 1961 (Stand am 1. Januar 2015)
  8. Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV): Gesetze & Verordnungen zum IVG, Linksammlung
  9. Bundesamt für Sozialversicherungen: Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (KHMI) (Memento vom 1. Februar 2016 im Internet Archive)
  10. Meilensteine der IV‐Geschichte (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) iv-pro-medico 2012
  11. 1. IVG-Revision 1968
  12. 2. IVG-Revision 1987/88 (PDF; 30 kB)
  13. 3. IVG Revision 1992 (PDF; 11 kB)
  14. 4. IVG-Revision 2004 Botschaft über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. Februar 2001
  15. 5. IVG-Revision 2008
  16. 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket Änderung vom 18. März 2011
  17. Michael Schoenenberger: Gemischte Bilanz. IV-Revision 6a weit unter Erwartungen. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. August 2014
  18. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket) vom 24. Februar 2010
  19. Schlussbestimmungen der Änderungen vom 18.3.2011 (IV-Revision 6a)@1@2Vorlage:Toter Link/www.koordination.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Koordination Schweiz, Online-Handbuch
  20. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (6. IV-Revision, zweites Massnahmenpaket) vom 11. Mai 2011
  21. Bis 99 Prozent der Teilinvaliden-Renten sollen gekürzt werden. In: Basler Zeitung. 13. Oktober 2010
  22. Curia Vista – Geschäftsdatenbank 11.030 – Geschäft des Bundesrates, 6. IV-Revision. Zweites Massnahmenpaket. parlament.ch
  23. Abgelehnte Vorlage: Die IV-Revision 6b. Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), 8. Juli 2013
  24. Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Eidgenössisches Departement des Innern
  25. UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. UN-Behindertenrechtskonvention
  26. Peter Wehrli: UNO-Konvention: Hier muss die Schweiz nachbessern. Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, 14. April 2014 (PDF; 123 kB)