al-Bāqillānī

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Ibn at-Taiyib)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Abū Bakr Muhammad ibn at-Taiyib al-Bāqillānī (arabisch أبو بكر محمد بن الطيب الباقلاني, DMG Abū Bakr Muḥammad ibn aṭ-Ṭaiyib al-Bāqillānī‎; † 1013) war ein islamischer Theologe, der das Lehrsystem des Abū l-Hasan al-Aschʿarī popularisierte und eine eigene Lehre vom Koran entwickelte.

Al-Bāqillānī verbrachte die erste Zeit seines Lebens in Basra und Bagdad und wurde von dort aus zur Teilnahme an den theologischen Diskussionen am Hof des Buyiden-Emirs Adud ad-Daula (reg. 949–983) nach Schiras eingeladen; 982 wurde er auf eine diplomatische Mission in das Byzantinische Reich nach Konstantinopel gesandt. Sein übriges Leben verbrachte er in Bagdad, wobei er zeitweise das Amt eines Qādī innehatte. Während die meisten anderen Theologen, die al-Aschʿarīs Lehrsystem folgten, Schafiiten waren, gehörte al-Bāqillānī der malikitischen Lehrrichtung an, die vor allem in Nordafrika verbreitet ist. Dadurch konnte er besonders gut zur Popularisierung der asch'aritischen Lehre in diesen Gebieten beitragen.

  • Al-Bāqillānī's wichtigste dogmatische Abhandlung ist sein Kitāb at-Tamhīd („Buch der Einleitung“). Darin setzt er sich aus aschʿaritischer Sicht mit den Lehren anderer Religionen (Zoroastrismus, Christentum, Brahmanismus, Judentum) sowie anderer islamischer Bekenntnisse (Korporealisten, Muʿtazila, Schiiten) auseinander und bemühte sich, sie zu widerlegen. Sein eigenes dogmatisches System beruht auf der Lehre al-Asch'aris, ein Unterschied besteht lediglich darin, dass er die Realität der göttlichen Attribute stärker betonte.[1]
  • Von großer Bedeutung war auch seine Abhandlung Iʿǧāz al-Qurʾān („Die Unnachahmlichkeit des Korans“). Damit führte er das Konzept von der koranischen Unnachahmlichkeit, das von den Muʿtaziliten entwickelt worden war, in die sunnitische Theologie ein.
  • Seine besondere Lehre vom Koran entwickelte al-Bāqillānī in dem Buch al-Inṣāf fī-mā yaǧib iʿtiqādu-hū wa-lā yaǧūzu ǧahlu-hū („Das ausgewogene Urteil bei dem, was man glauben muss und nicht ignorieren darf“). Darin hielt er an der aschʿaritischen Position von der urewigen Existenz des Korans fest, erklärte aber, dass diese sich lediglich auf den Sinn (maʿnā) des Korans beziehe, nicht aber auf dessen sprachliche Realisation. Dies leitete er aus Sure 14:4 ab, wo ausgesagt wird, dass Gott seine Gesandten jeweils in derjenigen Sprache zu ihrem Volk sprechen lässt, die für sie verständlich ist. Hieraus schloss er, dass nur der hinter diesen unterschiedlichen sprachlichen Realisationen stehende unveränderliche Sinngehalt der göttlichen Botschaft urewig sein könne.[2]
  • At-Taqrīb wa-l-iršād, systematische Abhandlung zu den Usūl al-fiqh. Die Kurzversion des Textes wurde 1998 in drei Bänden ediert.
  • Alfred Abel: “Le Chapitre sur le christianisme dans le ‘Tamhīd’ d'al-Bāqillānī” in Études d'orientalisme dédiées à la mémoire de Levi-Provençal. Paris 1962. Bd. I, S. 1–11.
  • Johan Bouman: Le conflit autour du Coran et la solution d'al-Bāqillānī. Amsterdam 1959.
  • E. Chaumont: "Bāqillānī, theologien ash’arite et juriste malikite, contre les legistes a propos de l’ijtihad et de l’accord unanime de la communaute" in Studia Islamica 79 (1994) 79-102.
  • G.E. von Grunebaum: A tenth-century document of Arab literary theory and criticism. The sections on poetry of al-Bâqillânî's Iʿjāz al-Qurʾân. Chicago 1950.
  • R. J. McCarthy: al-Bāqillānī In: Encyclopaedia of Islam. Second Edition. Bd. 1, S. 958–959.
  • M.J. McDermott: „A debate between al-Mufīd and al-Bāqillānī“ in Recherches d'islamologie: Recueil d'articles offert à Georges C. Anawati et Louis Gardet par leurs collègues et amis. Peeters, Louvain, 1977. S. 237–246.
  • G. Monnot: „La réponse de Bāqillānī aux dualistes“ in Recherches d'islamologie: Recueil d'articles offert à Georges C. Anawati et Louis Gardet par leurs collègues et amis. Peeters, Louvain, 1977. S. 247–260.
  • Rudi Paret: Der Standpunkt al-Bāqillānī's in der Lehre vom Koran in Rudi Paret (Hrsg.): Der Koran. Darmstadt 1975. S. 417–425.
  • Sabine Schmidtke: “Early Ašʿarite Theology: Abū Bakr al-Bāqillānī (d. 403/1013) and his Hidāyat al-mustaršidīn,” in Bulletin d’Etudes Orientales 60 (2011) 39-72.
  • W. Montgomery Watt, Michael Marmura: Der Islam II. Politische Entwicklungen und theologische Konzepte. Stuttgart u. a. 1985. S. 395–399.
  1. Vgl. Watt/Marmura 397.
  2. Vgl. Paret: Der Standpunkt al-Bāqillānī's in der Lehre vom Koran. 1975, S. 424f.