Individualvereinbarung

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Die Individualvereinbarung, ein Begriff aus dem deutschen Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, beschreibt individuell ausgehandelte Vereinbarungen, bildet also den Gegenbegriff zur allgemeinen Geschäftsbedingung als vorformulierter und einseitig in den Vertrag eingeführter Klausel.

Das Gesetz erwähnt die Individualvereinbarung in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB, der anordnet, dass Individualvereinbarungen nicht der AGB-Kontrolle unterliegen. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass es bei ausgehandelten Klauseln nicht notwendig ist, den Vertragspartner des Verwenders vor der einseitigen Ausübung von Gestaltungsmacht durch den Verwender zu schützen. Dementsprechend ist das Vorliegen einer Individualabrede mit drei zentralen Rechtsfolgen verbunden:

  • Die Auslegung einer Individualvereinbarung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der § 133, § 157 BGB. Sie zielt darauf ab, den individuellen Willen beider Parteien zu ermitteln. Der objektiv-generelle Maßstab des AGB-Rechts findet also keine Anwendung.[1] Ebenfalls keine Anwendung findet die Sonderregel des § 305c Abs. 2 BGB, wonach mehrdeutige Klauseln zum Nachteil des Verwenders ausgelegt werden.
  • Ferner unterliegt die Individualvereinbarung nicht der AGB-Kontrolle, die zahlreiche inhaltliche Schranken für AGB enthält.
  • Schließlich kommen die gesonderten Anforderungen an die Einbeziehung von AGB, die § 305 Abs. 2 BGB statuiert, nicht zur Anwendung.

Die Abgrenzung zwischen Individualabreden und allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt anhand des Merkmals des Aushandelns. Damit eine vorformulierte Bedingung als ausgehandelt gilt, müssen die Parteien einvernehmlich über deren Inhalt entscheiden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Klauselverwender den Inhalt seiner Klausel ernsthaft zur Disposition stellt. Er muss also seinem Vertragspartner die realistische Möglichkeit geben, den Vertragsinhalt zu modifizieren.[2] Es ist nicht erforderlich, dass es zu einer Änderung der Klausel kommt; eine Klausel kann auch dadurch den Charakter einer Individualvereinbarung erlangen, dass der Verwender seinen Vertragspartner von der Sinnhaftigkeit der Klausel überzeugt und dieser die Klausel aus eigenem Entschluss als Vertragsinhalt anerkennt.[3] Sofern der Vertragspartner den Klauselinhalt nicht erkennbar nachvollzogen hat, muss er durch den Verwender über den Klauselinhalt belehrt werden.[4]

Nach der Kollisionsnorm des § 305b BGB geht eine Individualvereinbarung kollidierenden allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Dies gilt unabhängig davon, ob den Parteien bewusst ist, dass sie durch ihre Änderung von den AGB abweichen.[5] Besondere Bedeutung besitzt § 305b BGB für Formklauseln: Parteien steht es grundsätzlich frei, zu vereinbaren, dass ein Vertrag nur durch Vereinbarungen geändert werden kann, die eine bestimmte Form aufweisen. Verbreitet sind etwa Klauseln, wonach die Vertragsänderung nur durch schriftliche Abreden erfolgen kann. Solche Klauseln können formwidrige Abreden nicht ausschließen, weil § 305b BGB Individualabreden Vorrang vor widersprechenden AGB einräumt. Wenn die Parteien also beispielsweise ihren Vertrag trotz Schriftformklausel im Nachhinein mündlich abändern, ist dies nach § 305b BGB wirksam.[6] Dies gilt auch für Klauseln, die auch das Abweichen von der Formklausel an eine bestimmte Form koppeln (doppelte Schriftformklausel).[7]

  • Felix Becker: Die gebotene Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr, Universität Siegen, Dissertation 2010, Berlin, Münster, Wien, LIT-Verlag 2011, ISBN 978-3-643-80088-6.
  • Beatrice Kolitz: Kündigungsfreiheit versus "Unkündbarkeit": eine systematische Betrachtung von Kündigungsbeschränkungen durch Gesetz, Kollektivvertrag und Individualvereinbarung; zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit der Handhabung tarifvertraglicher Kündigungsausschlüsse durch Rechtsprechung und herrschende Lehre, Universität Augsburg, Dissertation 2006, Nomos, Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-2750-9.
  • Tobias Miethaner: AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung : Zweck und Grenzen der Inhaltskontrolle vorformulierter Klauseln, Universität Regensburg, Dissertation 2008/09, Mohr Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 978-3-16-150331-3.
  • Wolfgang Teske: Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Carl Heymanns Verlag, Köln, Berlin, Bonn, München 1990, ISBN 3-452-21656-X.

Einzelnachweise

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  1. Dirk Looschelders: Schuldrecht Allgemeiner Teil. Verlag Franz Vahlen GmbH, 2021, ISBN 978-3-8006-6596-9, § 16 Randnummer 18, doi:10.15358/9783800665969 (beck-elibrary.de [abgerufen am 22. März 2022]).
  2. BGH, Urteil vom 8. Mai 2018 – XI ZR 790/16 –, Neue Juristische Wochenschrift 2018, S. 2950 Rn. 33.
  3. BGH, Urteil vom 22. November 2012 – VII ZR 222/12 –, Neue Juristische Wochenschrift 2013, S. 856 Rn. 10. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – XI ZR 434/14 –, BGHZ 206, 305 Rn. 23.
  4. BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 – III ZR 437/04 –, Neue Juristische Wochenschrift 2005, S. 2543 f..
  5. BGH, Urteil vom 9. April 1987 – III ZR 84/86 –, Neue Juristische Wochenschrift 1987, S. 2011.
  6. BGH, Urteil vom 21. September 2005 – XII ZR 312/02 –, BGHZ 164, 133.
  7. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16 –, Neue Juristische Wochenschrift 2017, S. 1017 Rn. 16.