Isar-Amper-Klinikum München-Ost

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Isar-Amper-Klinikum München-Ost
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Trägerschaft Kliniken des Bezirks Oberbayern
Ort Haar (bei München)

Bundesland Bayern Bayern
Staat Deutschland Deutschland
Koordinaten 48° 6′ 58″ N, 11° 44′ 32″ OKoordinaten: 48° 6′ 58″ N, 11° 44′ 32″ O
Leitung Geschäftsführer: Franz Podechtl

Ärztlicher Direktor: Peter Brieger
Pflegedirektorin (stv.): Brigitta Wermuth[1]

Versorgungsstufe Fachkrankenhaus
Betten 1100
Mitarbeiter 2400
Gründung 1905
Website kbo-iak.de
Lage
Isar-Amper-Klinikum München-Ost (Bayern)
Isar-Amper-Klinikum München-Ost (Bayern)
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Direktionsgebäude des Klinikums

Das Isar-Amper-Klinikum München-Ost (bis Ende 2006 Bezirkskrankenhaus Haar) ist ein psychiatrisches und neurologisches Krankenhaus in Haar (bei München). Das Klinikum ist akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die für den Kreis Oberbayern existierende Irrenanstalt an der Auerfeldstraße in München-Giesing an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten gestoßen, so dass ein Neubau dringend erforderlich war. 1898 wurde geplant, dass 1000 Betten gebaut werden sollten. Dazu wurde von 1901 bis 1905 in der Nähe der Ortschaft Haar auf dem Gelände des aufgekauften Weilers Eglfing eine neue Anstalt im damals vorherrschenden Pavillonstil errichtet. Die Planungsgrundlage hatte der Psychiater Friedrich Vocke erarbeitet, die Bauausführung für die einheitliche Anlage im Jugendstil erfolgte weitgehend durch Carl Freiherr von Harsdorf (Bamberg) und Adolf Stauffer (Rosenheim). Die Oberbayerische Kreisirrenanstalt Eglfing hatte Platz für etwa 1200 Kranke, auf einer Fläche von 100 ha mit 60 Gebäuden, 30 Pavillons und 46 Krankenstationen, darunter auch Dienstwohnungen- und häuser. Die Klinik wurde am 12. Juli 1905 offiziell eröffnet. Die Patienten aus Giesing wurden im Laufe eines Monats überführt. Die Unterbringung erfolgte getrennt nach Geschlechtern und nach Schwere der Krankheit.[2]

Die Frischwasserversorgung erfolgte seit Öffnung des Betriebes durch einen eigenen Wasserturm, der aus dem Grundwasser gespeist wird. Die Abwässer wurden in eine Rieselfeldanlage geleitet. Auf dem Gelände gab es einen Koch- und Waschküchenbetrieb, der von 190 „ruhigen Frauen“ aus den Reihen der Patientinnen bewirtschaftet wurde. Die Hausordnung von 1912 hielt fest: Die Leibwäsche werde alle 8 Tage, die Bettwäsche alle 4 Wochen gewechselt.[3]

Zwei Jahre nach Eröffnung ging eine geländeeigene E-Lok der Firma Siemens-Schuckert-Werke AG in Betrieb. Sie fuhr vom Bahnhof Haar zum Heizkraftwerk der Anstalt und bildete damit die kürzeste Gleisanlage der Deutschen Bundesbahn. 1969 unternahm sie ihre letzte Fahrt.[4]

Bereits 1909 war die Pflegeanstalt Eglfing mit 1350 Betten voll belegt und nicht mehr erweiterungsfähig,[2] so dass 1912 auf unmittelbar angrenzendem Gelände die Oberbayerische Kreisirrenanstalt Haar mit etwa 900 Betten eröffnet wurde. 1931 wurden beide Anstalten zur Oberbayerischen Kreis-Heil- und Pflegeanstalt zusammengelegt.

Der Autor Oskar Maria Graf war gegen Ende des Ersten Weltkrieges als Patient im Krankenhaus und beschrieb seine Erfahrungen in seiner Autobiografie Wir sind Gefangene.

Zeit des Nationalsozialismus

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Mahnmal auf dem Klinikgelände. Inschrift: „Zum Gedenken an die Opfer der Euthanasie während des NS Regimes - Uns allen zur Mahnung“

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Rahmen der Aktion T4 mindestens 2025 Menschen mit psychischer oder körperlicher Behinderung in die NS-Tötungsanstalt Grafeneck und die NS-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz deportiert und dort ermordet.[5] Manche sprechen von über 2400 von oder über Eglfing-Haar in die für den „Gnadentod“ vorgesehenen Zentren deportierten Pfleglingen.[6] Nach der Aktion T4 folgten weitere NS-Tötungsaktionen. Im Rahmen der Aktion Brandt, die für freie Lazarettkapazitäten sorgen sollte, ließ man in den so genannten „Hungerhäusern“ weitere Patienten verhungern, was durch den Hungerkost-Erlaß vom November 1942 legalisiert wurde. Ferner wurden 332 Kinder durch eine Überdosis des Schlafmittels Luminal getötet.[7] Der ärztliche Direktor der Nervenheilanstalt in Eglfing-Haar, Hermann Pfannmüller ,[8][9] diente als Gutachter für die Vernichtungsaktion. In der von Hans Schleussing geleiteten Prosektur des Münchener KWI für Psychiatrie in Eglfing-Haar wurden zudem Organe von 1942 durch Georg Hensel bei Impfexperimenten in Irsee (in der dortigen Zweigstelle der Anstalt Kaufbeuren) qualvoll gestorbenen Kindern untersucht.[10] In Haar wurde nicht nur über Tötungen bestimmt, sondern auch direkt getötet. Auf Grundlage des Hungerkosterlasses von 1942 wurden zwei sogenannte „Hungerhäuser“ eingerichtet. Die ausgesonderten Patienten erhielten Gemüse, Kartoffel und täglich eine Scheibe Brot als Kost, welche laut Tests in der Kaufbeurer Anstalt zum „Erfolg“ führte. Von Ende 1942 bis Mitte 1945 starben vermutlich 444 Patienten an den Folgen der Kost. Haar hatte nicht nur Hungerhäuser für Erwachsene, sondern auch eine „Kinderfachabteilung“ für Kinder mit erb- und anlagebedingten schweren Leiden. Diese seit 1939 registrierten Kinder wurden ebenfalls ausgehungert, indem ihnen systematisch Nährstoffe entzogen wurden. Für die in der Anstalt Eglfing-Haar begangenen Morde wurden drei Anstaltspflegerinnen mit einer Gefängnisstrafe von je 2 Jahren und 6 Monate geahndet, und der Anstaltsleiter Pfannmüller wurde 1949 zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt, wobei die Internierungs- und Untersuchungshaft angerechnet wurde.[11]

Zur gleichen Zeit behandelte Anton von Braunmühl in der Klinik viele Patienten mit den damals neuen Schocktherapien.[12]

Anton von Braunmühl, der eine führende ärztliche Position auch vor 1945 innehatte, war wohl unter Nutzung alter Seilschaften von August 1946 bis zu seinem Ableben am 12. März 1957 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt.[13] Zuvor war Gerhard Schmidt, ein im Nationalsozialismus „Unbelasteter“, mit seinen Versuchen intern wie extern gescheitert, die Haarer Zeit vor 1945 aufzuarbeiten, und er war 1946 als Klinikleiter abberufen worden.

An die Aufarbeitung der Aktion T4 gingen das Klinikum und der Bezirk Oberbayern erst in den 1990er-Jahren schrittweise heran.

Mit etwa 3000 Betten hatte die Belegungszahl in den 1950er-Jahren ihren Höchststand.

1956 wurde die Klinik in Nervenkrankenhaus Haar bei München des Bezirks Oberbayern und 1970 in Bezirkskrankenhaus Haar umbenannt. Bis 1970 waren Schlafsäle die Regel, spätere Um- und Neubauten erhielten kleinere Pflegeeinheiten mit Zimmern für maximal drei Betten.[14]

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Klinikum eine wohnortnahe und dezentrale Versorgungsstruktur aufgebaut und verfügte 2013 über sechs Standorte im Stadtgebiet von München.

Offizieller Name des Klinikums ist seit 2007 kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost, wobei kbo für Kliniken des Bezirks Oberbayern steht.

Das Klinikum heute

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Hochsicherheitstrakt des Fachbereiches Forensische Psychiatrie (Straftäter)

Heute ist das Klinikum München-Ost ein Krankenhaus für Psychiatrie mit Abteilungen für Gerontopsychiatrie, Forensische Psychiatrie, Neurologie, Suchttherapie und Psychotherapeutische Medizin.

Bei aktuell knapp 1100 Betten (Stand 2012) beschäftigt das Klinikum über 2400 Menschen und ist damit der größte Arbeitgeber in Haar. Außerdem ist es die größte psychiatrische Klinik Deutschlands.[15]

Es hat mehrere Außenstellen: das Atriumhaus in der Bavariastraße in München, das Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen und Krisen auf dem Gelände des Klinikums Schwabing sowie eine Tagesklinik und Ambulanz in Fürstenfeldbruck. 2012 eröffnete das Klinikum eine Tagesklinik und Ambulanz in der Leopoldstr. 175 (München-Schwabing) sowie 2013 eine Klinik mit insgesamt sechs Stationen auf dem Gelände des Klinikums Schwabing.

Das Fachkrankenhaus verfügt über eine eigene Werkfeuerwehr, die aufgrund der Besonderheit der Patienten auch über einen Teleskopgelenkmast verfügt, der im Gegensatz zu einer Drehleiter das Aufsetzen an Objekten ermöglicht. Trotz der verhältnismäßig kleinen Fläche des Geländes sind pro Jahr im Schnitt über 100 Einsätze zu verzeichnen.

Das Krankenhaus verfügt als Lehrkrankenhaus der Ludwigs-Maximilian-Universität München auch über eine Bibliothek (Schwerpunkte Psychiatrie, Psychologie und Neurologie) mit etwa 32000 Medieneinheiten (2016), Bibliothekssigel Haar1.

Geschäftsführer des kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost ist seit 1. April 2024 Nicolas von Oppen, als Nachfolger von Franz Podechtl. Nach dem Ausscheiden von Pflegedirektor Hermann Schmid im August 2020 leitet Brigitta Wermuth als Pflegedirektorin die Geschäfte des Pflegebereichs, ärztlicher Direktor ist seit 1. November 2016 Peter Brieger.

Baugeschichtliche Bedeutung

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Mehr als 100 Gebäude auf dem Gelände des Klinikums sind als Baudenkmäler in der Bayerischen Denkmalliste aufgeführt, darunter die 1905 errichtete Kirche St. Raphael (katholisch), die Anstaltskapelle (evangelisch), das von Gabriel von Seidl entworfene Direktionsgebäude, der zur Eigenversorgung und Arbeitstherapie errichtete Gutshof sowie ein Wasserturm südlich der parkähnlichen Gesamtanlage (siehe Liste der Baudenkmäler in Haar).

Auf dem Gelände der Klinik gibt es im ersten Stock der früheren Direktorenvilla (Haus 76) auf 130 Quadratmetern in sechs Räumen und mehreren Durchgängen ein Psychiatriemuseum; es wurde 2005 zum hundertjährigen Bestehen der Anstalt gegründet. Es ist jeweils am Sonntagnachmittag geöffnet.[16]

  • Bernhard Richarz: Heilen, Pflegen, Töten. Zur Alltagsgeschichte einer Heil- und Pflegeanstalt bis zum Ende des Nationalsozialismus. Göttingen 1987 (über die Zeit von 1905 bis 1945).
  • Gerhard Schmidt: Selektion in der Heilanstalt 1939–1945. Frankfurt 1983 (über die Zeit des Nationalsozialismus).
Commons: Isar-Amper-Klinikum München-Ost – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. [https:kbo-iak.de/ueber-uns/direktorium/brigitta-wermuth]
  2. a b Sekundärquelle: Informationstafel im Psychiatriemuseum Haar; Primärquelle: Jahresberichte der Kreisirrenanstalt München 1901–1904, Jahresberichte der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing 1905–1908, Hartwig Dwinger „Zur Entstehung des Bezirkskrankenhauses Haar bei München“ 1979, Jahresbericht der Kreisirrenanstalt München 1898, Jahresbericht der Kreisirrenanstalt München 1901, Gemeinsamer Jahresbericht Kreisirrenanstalt München u. Heil- u. Pflegeanstalt Haar
  3. Sekundärquelle: Informationstafel im Psychiatriemuseum Haar; Primärquelle: Jahresbericht 1906 und Hausordnung Eglfing Haar, 1914. F. Peisl, 50 Jahre Grundwasserbeobachtungen am Brunnen Eglfing, Bayer. Landesstelle für Gewässerkunde in München
  4. Sekundärquelle: Informationstafel im Psychiatriemuseum Haar; Primärquelle: Jahresbericht 1906/1907
  5. Petra Stockdreher: Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar. In: Michael von Cranach, Hans-Ludwig Siemen (Hrsg.): Psychiatrie im Nationalsozialismus – Die Bayerischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945. München 1999, S. 347.
  6. Karl Stankiewitz: Probelauf zum Holocaust: Tod im Hungerhaus von Haar. In: Abendzeitung. 18. Januar 2018, abgerufen am 2. Februar 2020.
  7. Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 144.
  8. Hungermord: Eglfing-Haar. In: 14-denkmal.de. Abgerufen am 2. Februar 2020.
  9. Hermann Pfannmüller (1886–1961). In: 14-denkmal.de. Abgerufen am 2. Februar 2020.
  10. Vgl. dazu Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 108–109 und 156–157.
  11. Psychiatrie. Abgerufen am 30. August 2018.
  12. Hans C. Bangen: Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. VWB, Berlin 1992, ISBN 3-927408-82-4, S. 95
  13. Süddeutsche Zeitung: Klinik stellt sich ihrer Vergangenheit. Abgerufen am 10. April 2021.
  14. Schautafel „Schlafsaal“ im Psychiatriemuseum Haar
  15. Correctiv.org: Der Psychiatrie-Skandal, abgerufen am 11. Februar 2017.
  16. Eckart Roloff, Karin Henke-Wendt: Psychiatrie im Park aus Jugendstilzeiten. Das Psychiatriemuseum in Haar. In: Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie. Band 2, Süddeutschland. Verlag S. Hirzel, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-7776-2511-9, S. 102–104.