Justizvollzugsanstalt Dortmund
Informationen zur Anstalt | |
---|---|
Name | Justizvollzugsanstalt Dortmund |
Bezugsjahr | 1902[1] |
Haftplätze | 404[2] |
Mitarbeiter | 180[3] |
Anstaltsleitung | Nina Gygax |
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund, im Volksmund aufgrund des Standorts an der Lübecker Straße auch Lübecker Hof genannt, ist eine Justizvollzugsanstalt in Dortmund. Die JVA befindet sich im Stadtbezirk Innenstadt-Ost in unmittelbarer Nähe des Dortmunder Amts- und Landgerichts.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kaiserzeit und Weimarer Republik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1898 wurde der Bau eines Gefängnisses in Dortmund beschlossen. Der Bau der Anlage dauerte bis 1902 und im Dezember eröffnet. Sie diente zunächst ausschließlich als Untersuchungshaftanstalt.
Zu Beginn der Ruhrbesetzung im Januar 1923 wurde die Haftanstalt von den französischen Behörden requiriert und bis Oktober 1924 zur Inhaftierung politischer Gefangener und/oder Widerständler verwendet.
1950 wurde die Anlage mit einem Anbau und weiteren 70 Haftplätzen erweitert, nachdem durch Luftangriffe die dort befindliche Wäscherei zerstört wurde.[1]
Zentrale Hinrichtungsstätte während der NS-Zeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab 1942 waren ausländische Nacht-und-Nebel-Gefangene im Untersuchungsgefängnis Dortmund inhaftiert. Zeitzeugen sprechen von schlechten Lebensbedingungen und Misshandlungen.[4]
1943 wurde in der Justizvollzugsanstalt auf Initiative des damaligen Gerichtspräsidenten des Oberlandesgerichtes Ernst Eckardt eine eigene Guillotine als zentralgelegene regionale Hinrichtungsstätte errichtet[5]. Mehr als 300 Menschen sind dort mittels Guillotine hingerichtet worden, darunter u. a. 85 der Nacht-und-Nebel-Gefangenen, wie Jozef Raskin und der französische Priester und Mitglied des Pat-O’Leary-Netzwerkes der Résistance Pierre Carpentier[6].
Ein weiteres Opfer war die 19-jährige Ilse Mitze, welche 1944 vom Richter Ernst Eckhardt und seinen Beisitzern zum Tode verurteilt wurde, weil sie bei Aufräumarbeiten nach einem Luftangriff einige Schlüpfer, Hemden und Strümpfe ihrer Arbeitgeberin gestohlen hatte. Ilse Mitze wurde am 12. Mai 1944 im Dortmunder Untersuchungsgefängnis mit dem Fallbeil enthauptet.
Ebenso wurden die zum Tode verurteilten Bielefelder Arbeiter und Gewerkschafter Otto Appelfelder, Paul Brockmann, Otto Giesselmann, Gustav Höcker, Hermann Kleinewächter, Gustav Koch, Gustav Milse, Bernhard Putjenter, Rudolf Sauer, Hermann Wörmann, Friedrich Wolgast, Bernhard Zawacki und Heiko Ploeger der Dürkopp-Adler-Werke und der Benteler-Werke im September 1944 durch die Guillotine geköpft[7].
Weitere Opfer waren Deserteure der Wehrmacht, wie der 18-jährige Oskar Aschoff. Dieser hatte aus Angst vor einem Militärgericht versucht, nach den Niederlanden zu fliehen, wurde allerdings von den Feldjägern erwischt und in Bielefeld zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 2. Mai 1944 durch die Dortmunder Guillotine vollstreckt[8][9].
Am 5. Januar 1945 erfolgte die letzte Hinrichtung mit der Dortmunder Guillotine. Das Richtgerät wurde zum Ende des Krieges unbrauchbar gemacht. Nachdem die Amerikaner am 13. April 1945 Dortmund befreit hatten, wurden alle Inhaftierten entlassen. Zum 19. April 1945 wurde der gesamte Betrieb eingestellt.[10]
In der Nachkriegszeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum 30. April 1945 wurde im Spätdienst der Betrieb in der Anstalt wieder aufgenommen. Am 30. Juli 1945 erteilte die britische Militärregierung den Auftrag in Dortmund erneut eine Hinrichtungsstätte einzurichten. Ein noch brauchbares Gerät in Wolfenbüttel wurde kopiert und zum 15. Dezember 1945 in Betrieb genommen. An dieser zweiten Guillotine Dortmunds werden an ca. 50 Menschen die Todesstrafe vollstreckt, zumeist Urteile der britischen Militärregierung. Am 13. März 1948 wird an diesem Gerät das letzte Todesurteil vollstreckt. Die unbenutzte und gebaute Guillotine der JVA Mainz wurde nach Vorlage dieses Dortmunder Gerätes hergestellt. Der Justizminister Amelunxen (NRW) ordnete am 25. November 1950 die Demontage und Zerstörung des Dortmunder Fallbeils an. 1952 erfolgte der Abtransport des Gerätes.[11]
Zwischen 1970 und 1972 wurde ein Teil des alten Zuchthauses abgerissen und ein neues Wirtschaftsgebäude errichtet. 1980 erfolgte ein weiterer Anbau. An der Hamburger Straße entstanden weitere 73 Haftplätze und eine unterirdische Sporthalle.
1989 wurde an der Gefängnismauer eine Gedenkplatte für die Opfer der NS-Justiz angebracht[12].
Belegung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die JVA verfügt über eine Belegungsfähigkeit von 404 Gefangenen, in der Vergangenheit war sie allerdings zum Teil stark überbelegt. Etwa die Hälfte der Gefangenen befindet sich in Untersuchungshaft, die andere Hälfte verbüßt eine Freiheitsstrafe.
Aktuelle Entwicklungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um die Jahrtausendwende hat es konkrete Überlegungen zum Neubau der Anstalt gegeben. Geplant war, die JVA Dortmund mit der JVA Hagen zusammenzulegen und im Norden der Stadt Hagen eine gemeinsame Anstalt zu errichten. Die Pläne sind nicht realisiert worden, beide Anstalten existieren für sich weiter.
Im Februar 2017 wurde im Historischen Rathaus der Stadt Münster die Gefangenenbibliothek der JVA Dortmund mit der Auszeichnung „Gefangenenbücherei des Jahres 2016“ als Erstplatzierte gewürdigt. Dem ist ein bundesweiter Preiswettbewerb vom Förderverein für Gefangenenbücherein e. V. vorausgegangen und ist durch den Verein zum ersten Mal verliehen worden.
2019 hat sich die Anstalt aktiv am Evangelischen Kirchentag beteiligt. In diesem Rahmen zwei großformatigen Fassadengemälde auf die Außenfassade der Anstalt gemalt worden. Zum einen hat der italienische Künstler Vesod die aus dem Johannesevangelium stammende Geschichte vom ungläubigen Apostel Thomas auf seine Art interpretiert. Vesod bezieht sich dabei auf ein ikonenhaftes Gemälde von Carvaggio, das aus dem 16. Jahrhundert stammt. Ein weiteres Gemälde befindet sich auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes, gefertigt von den deutschen Künstlern Noah Kauertz und Oliver Hollatz. Auf diesem Bild, das ein wenig an den amerikanischen Künstler Edward Hopper erinnert, sitzt ein junger Mann mit abgewandtem Gesicht und einem Blatt Papier in seiner Hand. Offensichtlich – so der Eindruck – hat er eine schlechte Nachricht erhalten.
Beide Bilder sind angebracht auf bis dato eher unansehnlichen, kahlen Fassaden der JVA.
Die Dortmunder JVA ist Schauplatz des ARD-Tatort „Tollwut“. Thematisiert wird ein Tollwutausbruch innerhalb der Mauern der JVA. Der Dortmunder Tatort wurde im Juli 2010 zum vierten Wunschtatort gewählt. Gedreht wurde jedoch in einer ehemaligen Haftanstalt in Magdeburg.
Ende Oktober 2018 gibt es ein Treffen von französischen Pfadfindern aus Abbeville und Dortmunder Pfadfindern, um an das Schicksal von Abbe Pierre Carpentier und anderer Opfer der Dortmunder Guillotine zu erinnern[13].
Zuständigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die JVA Dortmund ist zuständig für den Vollzug von Freiheitsstrafe an erwachsenen Männern im geschlossenen Vollzug. Freiheitsstrafen von drei Monaten bis einschließlich 18 Monaten werden im Erst- und im Regelvollzug vollstreckt. Die Vollstreckungszuständigkeit bei Ausländern beträgt bis zu 48 Monate Freiheitsstrafe. Darüber hinaus ist die Anstalt zuständig für die Vollstreckung von Untersuchungshaft, Auslieferungs- und Durchlieferungshaft an Erwachsenen sowie für die Vollstreckung von Strafarrest.[14]
Die Zuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind im Vollstreckungsplan des Landes NRW geregelt (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -).[15]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Internetpräsenz der Justizvollzugsanstalt Dortmund
- Vollstreckungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen, (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -). (PDF 1,2 MB) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. April 2010, abgerufen am 7. März 2016.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Die Geschichte der JVA Dortmund. JVA Dortmund, abgerufen am 17. Februar 2023.
- ↑ http://www.jva-dortmund.nrw.de/behoerde/behoerdenvorstellung/gebaeude/index.php
- ↑ http://www.jva-dortmund.nrw.de/infos/tagesablauf/index.php
- ↑ Frank Falla Archive: Briten im Untersuchungsgefängnis Dortmund während des Zweiten Weltkriegs (auf Englisch)
- ↑ Dortmund in der Nazizeit Ausstellungsbroschüre der Stadt Dortmund/Dortmund-Agentur in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Dortmund
- ↑ „Justiz und NS-Zeit“ – Wanderausstellung über Rolle deutscher Gerichte bei nationalsozialistischen Verbrechen in Dortmund nordstadtblogger.de
- ↑ September 1948: Enthüllung des Gedenksteines für politisch Verfolgte auf dem Sennefriedhof Stadtarchiv Bielefeld
- ↑ Ein ganz unbedarfter Junge" / Zum Volkstrauertag: Erinnerung an den vergessenen Herforder Oskar Aschoff Neue Westfälische, 17. November 2012
- ↑ Zum Volkstrauertag 2009 Gelsenzentrum
- ↑ Der Zweite Weltkrieg und die Hinrichtungen. JVA Dortmund, abgerufen am 17. Februar 2023.
- ↑ Nachwehen des Krieges im Dortmunder Gefängnis. Abgerufen am 17. Februar 2023.
- ↑ Gedenktafel für die Opfer der NS-Justiz dortmun.de
- ↑ Im Minutentakt von Nazis enthauptet Ruhrnachrichten, 30. Oktober 2018
- ↑ datenbanken.justiz.nrw.de ( vom 28. Juli 2014 im Internet Archive)
- ↑ Vollstreckungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen, (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -). (PDF 1,2MB) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. April 2010, abgerufen am 7. März 2016.
Koordinaten: 51° 30′ 54″ N, 7° 28′ 39″ O