Johann Rudolf Czernin von und zu Chudenitz

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Johann Rudolf Czernin von und zu Chudenitz (ca. 1840),
Zeichnung von Moritz Daffinger

Johann Rudolf Graf Czernin von und zu Chudenitz (* 9. Juni 1757 in Wien; † 23. April 1845 ebenda) war ein k. k. österreichischer Verwaltungsbeamter und Kunstsammler. Er entstammte dem böhmischen Uradelsgeschlecht Czernin von und zu Chudenitz. Sein Vater war Graf Prokop Adalbert Czernin, der Mozart Ende 1776 eine Jahresrente ausgesetzt hatte.

Czernin ging in Salzburg, wo sein Onkel Hieronymus von Colloredo (Erzbischof) Bischof war, in die Schule. Der junge Czernin und seine Schwester hatten Beziehungen mit Wolfgang Amadeus Mozart, der zur Übung ein Violinkonzert für ihn und das 8. Klavierkonzert für sie schrieb.[1] 1778 gründete Czernin ein Orchester, das sonntagnachmittags Konzerte bei der adeligen Familie Lodron gab.[2] Leopold Mozart und Nannerl spielten mehrere Werke.[3] Leopold schrieb seinem Sohn, als dieser in Paris weilte, über Czernins beschränkte Leistungen als Geigenspieler.[4]

Schloss Schönhof (Krásný Dvůr) im Nordwesten Böhmens

1781 heiratete Czernin Theresa Gräfin zu Schönborn-Heussenstamm und reiste mit ihr nach Italien, in die Schweiz, nach Frankreich, Belgien, Holland und England und interessierte sich für die neue Mode, den Englischen Stil im Entwurf von Parkanlagen. In den Jahren 1783 bis 1793 entstand südwestlich von Schloss Krásný Dvůr bei Podersam im Auftrag von Czernin ein großer Englischer Landschaftsgarten.[5]

Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Jagdschloss Jemčina unter Johann Rudolf Czernin sehr bekannt. In Anwesenheit von Vertretern des böhmischen und des österreichischen Adels fanden hier gerühmte Hetzjagden statt, und Gelehrte und Wissenschaftler der böhmischen Nationalen Wiedergeburts-Bewegung waren hier zu Gast.[6][7]

1810 wurde Goethe auf den Familienbesitz Krásný Dvůr eingeladen.[8] Um die Jahrhundertwende fing Czernin an zu sammeln und besaß zwanzig Jahre später die wichtigste private Kunstsammlung der Monarchie: 1813 kaufte er Die Malkunst, ein Gemälde von Johannes Vermeer.[9] Von 1817 bis 1825 war František Tkadlík als Hofmaler der Czernin und Aufseher von deren Galerie in Wien tätig.

1823 wurde Czernin als Präsident der Akademie der bildenden Künste in Wien berufen. Dieses Amt hatte er bis 1827 inne. Bereits 1823 wurde er zum kaiserlichen Oberst-Kämmerer ernannt. Mit diesem Amt war er mit der Leitung der kaiserlichen Sammlungen des Hofes betraut worden, aber auch das Burgtheater stand damit unter seiner Regie. Johann Ludwig Deinhardstein trat 1832 die Nachfolge Joseph Schreyvogels als Dramaturg und Vizedirektor des Hofburgtheaters an. Außerdem war Czernin Mitbegründer der Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen.

Johann Rudolf Czernin starb im Alter von 88 Jahren; Erbe des Czerninschen Familienfideikommisses wurde sein Sohn Eugen Karl. Seine private Kunstsammlung umfasste bei seinem Tod fast 2.000 Kupferstiche, die den Grundstock der Czerninschen Kunstsammlung legten. Diese war von 1837 an im Palais Czernin in der Wiener Altstadt, Wallnerstraße 3, aufbewahrt und 1845–1954 im Czernin'schen Palais im heutigen 8. Wiener Gemeindebezirk, Josefstadt, ausgestellt. Teile dieser Sammlung können heute in der Residenz-Galerie in Salzburg besichtigt werden, die sie angekauft hat.

Im Jahr 1882 wurden in Wien-Leopoldstadt (2. Bezirk) am Ort eines einstigen Czernin'schen Gartenpalais die Czerningasse und der Czerninplatz nach ihm benannt; beide Straßennamen waren bereits ab 1813 nichtamtlich in Gebrauch.

  • Christoph Brandhuber: Johann Rudolph Graf Czernin von Chudenitz (1757–1845). Ein Leben für die Künste, in: Roswitha Juffinger (Hrsg.): Residenzgalerie Salzburg. Gesamtverzeichnis der Gemälde, Salzburg 2010, S. 434–459.
  • Christoph Brandhuber: Kunstverstand und Kennerblick: Johann Rudolph Graf Czernin von Chudenitz (1757–1845), in: Sabine Haag, Elke Oberthaler, Sabine Pénot (Hrsg.): Vermeer. Die Malkunst. Spurensicherung an einem Meisterwerk. Wien 2010, S. 66–69.
  • Roswitha Juffinger: Counts Czernin von Chudenitz and Lamberg-Sprinzenstein, Two Illustrious Viennese Collectors: Notes for New Research, in: La circulation des oeuvres d’art 1789–1848, hg. v. Roberta Panzanelli u. Monica Preti-Hamard. Rennes 2007, S. 117–123.
  • Roswitha Juffinger: Die Grafen Czernin und deren Gemäldesammlungen in Prag und Wien, in: Sammeln als Institution. Von der fürstlichen Wunderkammer zum Mäzenatentum des Staates, hg. v. Barbara Marx u. Karl-Siegbert Rehberg. München/Berlin 2006, S. 163–172.
  • Roswitha Juffinger: Ein Rembrandt für die Czernin'sche Gemäldesammlung. Die Ankäufe Johann Rudolph Czernins aus der Gemäldesammlung des Armand François Louis de Mestral de Saint Saphorin, in: Residenzgalerie Salzburg. Gesamtverzeichnis der Gemälde, hg. v. dies. Salzburg 2010, S. 461–490.
  • Roswitha Juffinger: „Schreibzimmer meines Vaters zu Wien 1835“. Ein Aquarell mit der Wiedergabe des Schreibzimmers von Johann Rudolph Graf Czernin von Chudenitz, in: Residenzgalerie Salzburg. Gesamtverzeichnis der Gemälde, hg. v. dies. Salzburg 2010, S. 491–536.
  • Czernin Johann Rudolf Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 161.
  • Constantin von Wurzbach: Czernin von Chudenitz, Johann Rudolph Graf. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 3. Theil. Verlag der typogr.-literar.-artist. Anstalt (L. C. Zamarski, C. Dittmarsch & Comp.), Wien 1858, S. 101 f. (Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. mozartforum.com: The Czernin Violin Concertos??? (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive) (englisch)
  2. lodron.info: Mozart und die Familie Lodron (Memento vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
  3. earlymusicworld.com: Mozart’s Salzburg (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) (englisch)
  4. Cliff Eisen, Simon P. Keefe: The Cambridge Mozart encyclopedia. Cambridge University Press, 2006, S. 130 (Google Buch).
  5. Rita Krueger: Czech, German, and Noble: Status and National Identity in Habsburg Bohemia. Oxford University Press, 2009, S. 138 (Google Buch).
  6. zamek-jindrichuvhradec.eu: Die Stadt und die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung – Jagdschloss Jemčina (Memento vom 8. Oktober 2011 im Internet Archive)
  7. czech.cz: Die Idee der tschechischen nationalen Wiedergeburt (Memento vom 31. August 2009 im Internet Archive)
  8. Goethe-Jahrbuch, Volume 122 von Goethe-Gesellschaft (Weimar, Germany) [1]
  9. http://www.residenzgalerie.at/Geschichte.12.0.html