Das Jordan-Maß ist ein mathematischer Begriff aus der Maßtheorie . Dieser geht auf Marie Ennemond Camille Jordan zurück, welcher ihn im Jahr 1890 aufbauend auf Arbeiten von Giuseppe Peano entwickelte. Mit dem Jordan-Maß kann man gewissen beschränkten Teilmengen des
R
n
{\displaystyle \mathbb {R} ^{n}}
einen Inhalt zuordnen und erhält einen Integralbegriff, der dem riemannschen Integralbegriff analog ist.
Eine Menge
A
⊂
R
2
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{2}}
(mit blauem Rand) wird einmal durch Teilmengen (wie die Menge mit grünem Rand) und einmal durch Obermengen (wie die Menge mit lila Rand) aus
J
2
{\displaystyle {\mathcal {J}}^{2}}
angenähert.
Es bezeichne für
a
=
(
a
1
,
…
,
a
n
)
,
b
=
(
b
1
,
…
,
b
n
)
∈
R
n
{\displaystyle a=(a_{1},\ldots ,a_{n}),b=(b_{1},\ldots ,b_{n})\in \mathbb {R} ^{n}}
[
a
,
b
[
:=
∏
i
=
1
n
[
a
i
,
b
i
[
{\displaystyle [a,b[\;:=\prod _{i=1}^{n}\;[a_{i},b_{i}[}
das halboffene
n
{\displaystyle n}
-dimensionale Hyperrechteck und
J
n
:=
{
[
a
,
b
[
:
a
,
b
∈
R
n
}
{\displaystyle J^{n}:=\{[a,b[:a,b\in \mathbb {R} ^{n}\}}
die Menge aller solcher Hyperrechtecke. Zur Definition können alternativ auch halboffene Intervalle der Form
]
a
,
b
]
{\displaystyle ]a,b]}
verwendet werden.
Weiter sei
J
n
:=
{
⋃
k
=
1
m
I
k
:
I
1
,
…
,
I
m
∈
J
n
,
paarweise disjunkt
}
{\displaystyle {\mathcal {J}}^{n}:=\left\{\bigcup _{k=1}^{m}I_{k}:I_{1},\ldots ,I_{m}\in J^{n},\ {\text{paarweise disjunkt}}\right\}}
die Menge aller endlichen Vereinigungen von paarweise disjunkten Hyperrechtecken.
Es bezeichne weiter
μ
n
{\displaystyle \mu ^{n}}
den Inhalt, der für alle
a
,
b
∈
R
n
{\displaystyle a,b\in \mathbb {R} ^{n}}
mit
a
i
≤
b
i
{\displaystyle a_{i}\leq b_{i}}
für alle
i
=
1
,
…
,
n
{\displaystyle i=1,\dots ,n}
durch
μ
n
(
[
a
,
b
[
)
=
∏
j
=
1
n
(
b
j
−
a
j
)
{\displaystyle \mu ^{n}\left([a,b[\right)=\prod _{j=1}^{n}(b_{j}-a_{j})}
und
μ
n
(
∅
)
:=
0
{\displaystyle \mu ^{n}(\emptyset ):=0}
definiert ist.
Der innere Inhalt einer beschränkten Menge A sei
i
n
_
(
A
)
:=
sup
{
μ
n
(
M
)
:
M
∈
J
n
,
M
⊂
A
}
,
{\displaystyle {\underline {i^{n}}}(A):=\sup\{\mu ^{n}(M):M\in {\mathcal {J}}^{n},M\subset A\},}
ihr äußerer Inhalt sei
i
n
¯
(
A
)
:=
inf
{
μ
n
(
N
)
:
N
∈
J
n
,
N
⊃
A
}
.
{\displaystyle {\overline {i^{n}}}(A):=\inf\{\mu ^{n}(N):N\in {\mathcal {J}}^{n},N\supset A\}.}
Eine Menge
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
heißt Jordan-messbar oder quadrierbar, wenn
A
{\displaystyle A}
beschränkt ist und
i
n
¯
(
A
)
=
i
n
_
(
A
)
{\displaystyle {\overline {i^{n}}}(A)={\underline {i^{n}}}(A)}
.
Das Jordan-Maß einer Jordan-messbaren Menge
A
{\displaystyle A}
ist durch
i
n
(
A
)
:=
i
n
¯
(
A
)
=
i
n
_
(
A
)
{\displaystyle i^{n}(A):={\overline {i^{n}}}(A)={\underline {i^{n}}}(A)}
gegeben.
Gilt
i
n
¯
(
A
)
=
0
{\displaystyle {\overline {i^{n}}}(A)=0}
für ein beschränktes
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
, so ist
A
{\displaystyle A}
Jordan-messbar und wird Jordan-Nullmenge genannt.
Das Jordan-Maß ist ein Inhalt und auch
σ
{\displaystyle \sigma }
-additiv (da das Jordan-Maß einer Jordan-messbaren Menge gleich seinem Lebesgue-Maß ist und letzteres
σ
{\displaystyle \sigma }
-additiv ist). Aber abzählbare Vereinigungen von Jordan-messbaren Mengen müssen nicht notwendigerweise Jordan-messbar sein (siehe auch Beispiel 2). Daher ist die Menge der Jordan-messbaren Mengen keine σ-Algebra und das Jordan-Maß im Sinne der Maßtheorie nur ein Prämaß (kein Maß).
Ist
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
Jordan-messbar, so ist
A
{\displaystyle A}
auch Lebesgue-messbar , und es gilt
λ
n
(
A
)
=
i
n
(
A
)
{\displaystyle \lambda ^{n}(A)=i^{n}(A)}
. Dabei bezeichnet
λ
n
(
A
)
{\displaystyle \lambda ^{n}(A)}
das Lebesgue-Maß von
A
{\displaystyle A}
.
Eine Menge
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
ist genau dann Jordan-messbar, wenn
A
{\displaystyle A}
beschränkt ist und der Rand von
A
{\displaystyle A}
eine Jordan-Nullmenge ist.
Eine beschränkte Menge
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
ist genau dann Jordan-messbar, wenn
λ
n
(
A
∘
)
=
λ
n
(
A
¯
)
{\displaystyle \lambda ^{n}(A^{\circ })=\lambda ^{n}({\overline {A}})}
ist. Dann gilt auch
i
n
(
A
)
=
λ
n
(
A
∘
)
=
λ
n
(
A
¯
)
{\displaystyle i^{n}(A)=\lambda ^{n}(A^{\circ })=\lambda ^{n}({\overline {A}})}
.
Eine kompakte Menge
A
⊂
R
n
{\displaystyle A\subset \mathbb {R} ^{n}}
ist genau dann eine Lebesgue-Nullmenge, wenn
A
{\displaystyle A}
eine Jordan-Nullmenge ist.
Der Einheitskreis im
R
n
{\displaystyle \mathbb {R} ^{n}}
ist Jordan-messbar, da er beschränkt und sein Rand eine Jordan-Nullmenge ist.
Die Menge
A
=
[
0
,
1
]
∩
Q
{\displaystyle A=[0,1]\cap \mathbb {Q} }
ist nicht Jordan-messbar. Denn für jede Menge
A
⊃
M
∈
J
1
{\displaystyle A\supset M\in {\mathcal {J}}^{1}}
gilt
M
=
∅
{\displaystyle M=\emptyset }
und für jede Menge
A
⊂
N
∈
J
1
{\displaystyle A\subset N\in {\mathcal {J}}^{1}}
gilt
[
0
,
1
]
⊂
N
,
{\displaystyle [0,1]\subset N,}
woraus
0
=
i
1
_
(
A
)
<
i
1
¯
(
A
)
=
1
{\displaystyle 0={\underline {i^{1}}}(A)<{\overline {i^{1}}}(A)=1}
folgt. Für jedes
q
∈
A
{\displaystyle q\in A}
gilt
λ
1
(
{
q
}
)
=
i
1
(
{
q
}
)
=
0
{\displaystyle \lambda ^{1}(\{q\})=i^{1}(\{q\})=0}
. Aufgrund der
σ
{\displaystyle \sigma }
-Additivität des Lebesgue-Maßes gilt
λ
1
(
A
)
=
∑
q
∈
A
λ
1
(
{
q
}
)
=
∑
q
∈
A
0
=
0
{\displaystyle \textstyle \lambda ^{1}(A)=\sum _{q\in A}\lambda ^{1}(\{q\})=\sum _{q\in A}0=0}
.
A
{\displaystyle A}
ist also Lebesgue-Nullmenge.
A
{\displaystyle A}
lässt sich als abzählbare Vereinigung der rationalen Zahlen
q
{\displaystyle q}
in
[
0
,
1
]
{\displaystyle [0,1]}
darstellen, wobei jede der Mengen
{
q
}
{\displaystyle \{q\}}
Jordan-messbar ist. Da
A
{\displaystyle A}
nicht Jordan-messbar ist, folgt, dass die Jordan-messbaren Mengen keine σ-Algebra bilden. Damit zeigt das Beispiel, dass das Jordan-Maß (auf den Jordan-messbaren-Mengen) kein Maß ist.