Joseph, lieber Joseph mein
Joseph, lieber Joseph mein ist ein heute vor allem im deutschen Sprachraum verbreitetes Weihnachtslied, dessen Melodie auf den mittelalterlichen Choral Resonet in laudibus in lateinischer Sprache zurückgeht. Das Lied in seiner heutigen Form wurde gedruckt erstmals 1544 von Johann Walter veröffentlicht. Der deutsche Text stammt möglicherweise vom Mönch von Salzburg. Während Experten wie Franz Viktor Spechter (1972) und Hans Waechter (2003) die Urheberschaft des Mönchs für weitgehend gesichert betrachten, urteilt beispielsweise Burghart Wachinger (2006), diese Urheberschaft könne zwar nicht ausgeschlossen werden, sei aber „eher unwahrscheinlich“.[1] Im englischen Sprachraum nennt sich das Lied Joseph, my dear Joseph, in Tschechien ist es als Můj milý Josefe bekannt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Melodie stammt vom lateinischen Weihnachtshymnus Resonet in laudibus. Überliefert ist das Lied in fünf Handschriften, darunter die sog. Leipziger Handschrift aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.[2] Im früheren kirchlichen Weihnachtsbrauchtum ist es mit dem Kindelwiegen verbunden, welches ab Mitte des 12. Jahrhunderts als Bestandteil des Weihnachtsspiels (Erlau um 1450, Sterzing 1511) belegt ist. Der Mönch von Salzburg zeichnete das Lied um 1400 mit einer ausführlichen Beschreibung auf:
„Zu den weihnachten der frölich hymnus: A solis ortus cardine, und so man das Kind wiegt über das Resonet in laudibus, hebt unser Frau an zu singen in einer Person: Joseph, liever neve min. So antwort in der andern Person Joseph: Gerne, lieber mueme min. Darnach singet der kor die andern Vers in einer diener weis, darnach den kor.“[3]
Als Lied mit Text in deutscher Sprache taucht es 1544 im Geistlichen Gesangbüchlein von Johann Walter (1496–1570) auf.[4] Es wurde nach der Reformation sowohl von der katholischen wie auch der evangelischen Kirche mit deutschem Text gesungen und fand seinen Eingang in Kirchengesangbücher beider Konfessionen mit regional variierenden Übersetzungen.
Gemäß der ältesten Überlieferung wohl ein Wechselgesang (Quempas), ist in der heute verbreitetsten Form der Refrain auf Eia, eia verkürzt. Mit der Wiederbelebung der Wechselgesänge im kirchlichen Ritus ab Mitte des 20. Jahrhunderts erlangte das Lied neben zahlreichen Chorfassungen auch im Gemeindegesang wieder eine breitere Bekanntheit. Eine verbindliche Textfassung gibt es nicht, insofern ist keine „falsch“ oder „richtig“.
Text
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heute verbreitete Fassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Joseph, lieber Joseph mein,
hilf mir wiegen mein Kindelein,
Gott, der wird dein Lohner sein
im Himmelreich, der Jungfrau Sohn Maria.
Eia! Eia!
Gerne, liebe Maria mein,
helf ich dir wiegen das Kindelein.
Gott, der wird mein Lohner sein
im Himmelreich, der Jungfrau Sohn Maria.
Eia! Eia!
Freu dich nun, o Christenschar,
der himmlische König klar
nahm die Menschheit offenbar,
den uns gebar die reine Magd Maria.
Eia! Eia!
Süßer Jesu, auserkor’n,
weißt wohl, dass wir war’n verlor’n,
still uns deines Vaters Zorn,
dich hat gebor’n die reine Magd Maria.
Eia! Eia!
Älteste überlieferte Fassung der Leipziger Handschrift
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]»Joseph, liber nefe min,
hilf mir wiegen min kindelin,
das got musse din loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria.«
»Gerne, libe mume min,
ich helfe dir wigen din kindelin,
das got musse min loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria.«
Nu frów dich, kristenliche schar,
der himelische konig klar
nam die menschheit offenbar,
den uns gebar
die reine meit Maria.
Is súllen alle menschen zwar
mit gánzen frouden komen dar,
do man fint der selen nar,
di uns gebar
die reine meit Maria.
Uns ist geborn Emanuel,
als uns vorkundigit Gabriel,
des ist geziug Ezechiel,
o fronis el,
dich hot geborn Maria.
O éwigis vátirs éwigis wórt,
wor gót, wor mensche, der togunden ort
in hímil, in érde, hi und dort,
der salden pfort,
di uns gebar Maria.
O sússer Jesu userkorn,
du wéist wol, das wir wor verlorn,
stille uns dines vatirs zorn,
dich hot geborn
die reine meit Maria.
O kléinis kint, o grosser got,
du lidist in der krippen not,
der súnder hi vorhanden hot
der engil brot,
das uns gebar Maria.[5]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Konrad Ameln: „Resonet in laudibus“ – „Joseph, lieber Joseph mein“. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie. 15, 1970, S. 52–112 (Digitalisat).
- Resonet in laudibus. In: Harald Andersén, Timo Mäkinen (Hrsg.): Piae cantiones. Vanhoja kirkko - ja koululauluja. Helsinki 1967, S. 32–34.
- Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 3. Leipzig 1894, S. 642–644 (Digitalisat).
- Johannes Heimrath, Michael Korth u. a. (Hrsg.): ich bin du und du bist ich. Der Mönch von Salzburg. Lieder des Mittelalters. Heimeran, München 1980, ISBN 3-7765-0288-6, S. 142–143 u. 189–190.
- Heinz Rölleke (Hrsg.): Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 24.
- Franz Viktor Spechtler (Hrsg.): Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. De Gruyter, Berlin 1972, ISBN 3-11-001847-0.
- Franz Viktor Spechtler: „Josef, lieber Josef mein“ – Text und Melodie im Mittelalter. In: Walter Deutsch (Hrsg.): Die Volksmusik im Lande Salzburg (= Schriften zur Volksmusik. 4). Schendl, Wien 1979, ISBN 3-85268-066-2, S. 194–198.
- Burghart Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-15057-2.
- Hans Waechter: Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der Melodien. Kümmerle, Göppingen 2005, ISBN 3-87452-976-2 (unter dem Titel Untersuchungen zu den geistlichen Liedern des Mönch von Salzburg zugleich Dissertation der Universität Salzburg, 2003).
- Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Weihnachtslieder. Schott, Mainz 1982, ISBN 3-7957-2061-3, S. 36 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Burghart Wachinger (Hrsg.): Deutsche Lyrik des späten Mittelalters (= Bibliothek des Mittelalters. Band 22). Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-618-66220-3, S. 959 (Digitalisat).
- ↑ Leipzig, Universitätsbibl., Ms. 1305 (Handschriftencensus)
- ↑ zitiert nach: Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 3. Leipzig 1894, S. 643 f.
- ↑ Vergleichendes Inhaltsverzeichnis aller Ausgaben von 1524 bis 1551. In: Johann Walter, Otto Kade: Wittembergisch Geistlich Gesangbuch, von 1524; zu drei, vier und fünf Stimmen. Neue Partitur-Ausgabe nebst Klavierauszug / von Otto Kade. Trautwein, Berlin 1878, S. 20 (online vom Münchener Digitalisierungszentrum - Digitale Sammlungen. Notendrucke aus der Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ zitiert nach: Heinz Rölleke (Hrsg.): Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 24.