KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof

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Gedenkstein „Lager Kaufering XI“
KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof (Bayern)
KZ-Außenlager
Kaufering XI –
Landsberg-Stadtwaldhof
(Bayern)
KZ-Außenlager
Kaufering XI –
Landsberg-Stadtwaldhof
Lokalisierung von Bayern in Deutschland
Lage KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof in Bayern.
Schematische Karte KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof , 1945. (s. a. Luftbilder)

Das KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof war das letzte der elf Lager des Außenlagerkomplexes Kaufering, des größten Komplexes der 169 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau. Das KZ-Außenlager befand sich am Mühlweg nahe dem Landsberger Stadtwaldhof,[1] im Westen Landsbergs.[2]

Dieses Außenlager wurde ab Oktober 1944 errichtet.[1] Die fast ausschließlich jüdischen Gefangenen[2] waren bei völlig unzureichender Ernährung der Vernichtung durch Arbeit ausgesetzt.[1]

Ebenfalls in Landsberg befanden sich die zwei zum KZ-Außenlagerkomplex Kaufering gehörigen KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg mit der Kommandantur und Kaufering VII – Erpfting. Zudem gab es in Landsberg drei vom KZ-Außenlagerkomplex Kaufering unabhängige KZ-Außenlager, das KZ-Außenlager Landsberg (Penzing)[3] sowie das KZ-Außenkommando Landsberg Dynamit AG (Frauen) mit dessen Pedant mit männlichen KZ-Häftlingen.[4]

Entstehungshintergrund

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Nach der Luftoffensive der Alliierten im Februar 1944 war die deutsche Rüstungsindustrie schwer getroffen. Die Flugzeug-Produktion sollte mittels U-Verlagerung unter die Erde verlagert werden, mit der Leitung beauftragt war der Jägerstab mit weitreichenden Vollmachten. Dieser beauftragte die Organisation Todt (OT) mit Organisation und Herstellung der Großbunker,[5] ursprünglich geplant war eine Länge von 400 Metern bei einem Innendurchmesser von 85 Metern und 25 Metern Innenhöhe, mit mindestens fünf Metern Wandstärke.[1] Mit dem massiven Einsatz von etwa 30.000 größtenteils an Baufirmen vermieteten KZ-Häftlingen im KZ-Außenlagerkomplex Kaufering sollten drei Großbunker für die Fertigung u. a. des Strahlflugzeugs Messerschmitt Me 262 erstellt werden: „Weingut II“, „Diana II“ und „Walnuss II“.[1]

Errichtung und Betrieb des KZ-Außenlagers

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Als das KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg zu groß geworden war, mussten ab Oktober 1944[1] Gefangene des Außenlagers Kaufering II – Igling dieses Außenlager aufbauen.[6] Neben den aus anderen Kauferinger Lagern bekannten primitiven Erdhütten für die meisten, sowie ein paar Tonflaschenbunkern, errichteten sie Funktionsbaracken und ein Entlausungsbad.[1] SS-Hauptscharführer Johann Kastner, zuvor Lagerführer des KZ-Außenlager Karlsfeld (OT), war von Beginn an dabei.[7] Dieses Außenlager Kaufering XI hatte eine Kapazität für 2800 Menschen und war schon Ende Oktober 1944 mit 3000 KZ-Häftlingen belegt,[2] separiert in Frauen- und Männerbereich.[6] Die Gefangenen mussten Zwangsarbeit für Leonhard Moll Eisenbahn- und Betonbau, Holzmann sowie Held & Francke leisten,[2] aufgrund der Nähe wohl für die Errichtung des etwas nördlich gelegenen Großbunkers Diana II, nach dessen Baueinstellung für den Großbunker Weingut II.

Über den gesamten KZ-Außenlagerkomplex Kaufering kamen in den zehn Betriebsmonaten etwa die Hälfte der Gefangenen ums Leben. Hier war eine neue Dimension der Brutalisierung des KZ-Systems erreicht, es handelte sich weniger um typische Außenlager des KZ Dachau, sondern vielmehr die Fortsetzung der Linie des Konzentrationslager Auschwitz, des Konzentrations- und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek und weiterer.[6]

Räumung des Lagers

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Am 14. April 1945 war dieses Außenlager noch mit 1925 Männern und 199 Frauen belegt.[8] Wie Außenlager II – Igling und Kaufering III wurde dieses Außenlager zunächst zum Außenlager Kaufering I – Landsberg geräumt.[6] Der Todesmarsch begann um den 24. April und dauerte etwa vier bis fünf Tage, über das KZ-Außenlager München-Allach Richtung Königsdorf.[9]

Juristische Aufarbeitung

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Johann Kastner wurde 1947 im Rahmen der Dachauer Prozesse zum Tode verurteilt und 1950 aus der Haft entlassen.[10] Das französische „Tribunal général“ verurteilte Lagerführer SS-Obersturmführer Hans Baumgart im Rahmen der Rastatter Prozesse im Dezember 1948[11] wegen Körperverletzung an Gefangenen in diesem Außenlager sowie Tötungen im KZ-Außenlager Peenemünde-Karlshagen zu lebenslanger Zwangsarbeit.[6] Er wurde 1950 aus der Haft entlassen und arbeitete später als Grundschullehrer.[11] Der ungarische Freiwillige der Waffen-SS Georg Fiederer von der Wachmannschaft wurde 1948 wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft verurteilt.[6]

Erinnerung und Gedenken

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Blick auf heutiges Gelände des KZ-Außenlagers, mit Rückseite des Gedenksteins „Lager Kaufering XI“

Das Gelände des KZ-Außenlagers wurde zu einer landwirtschaftlichen Nutzfläche.[12] Als KZ-Außenlager sichtbar gemacht wurde es in den Jahren 1994 und 1995 von der freiwilligen Arbeitsgruppe der Schulklasse 9b/10b des Ignaz-Kögler-Gymnasiums, unter Anleitung und Moderation von Barbara Fenner (†), ihrer Geschichtslehrerin.[1] Horst Köhler erinnerte noch 2009 in seiner Berliner Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus an dieses Schülerprojekt.[13] Relikte des Außenlagers lassen sich unter der Pflanzendecke nur noch erahnen,[12] bei diesen handelt es sich um die Betonfundamente der ehemaligen Funktionsbaracken wie Küche, Kleiderkammer und Waschräume.[1] Diese stehen als Bodendenkmal D-1-7931-0152 unter Denkmalschutz.[12]

Ein Schüler der Klasse schrieb im Juli 1994 eigenmächtig an den Oberbürgermeister von Landsberg, er möge doch einen Gedenkstein errichten. Dem Stadtrat war der Klassenvorschlag zu teuer, es wurde somit als Gedenkstein ein altes steinernes Wegkreuz zurechtgeschliffen und im April 1995 auf dem ehemaligen Appellplatz des Lagers aufgestellt.[13]

Für die zunächst nahe der alten Landstraße und im Lagerbereich in Massengräbern verscharrten KZ-Todesopfer wurden später die KZ-Friedhöfe mit Massengräbern Igling–Stoffersberg–Wald und Igling–Stoffersberg–Kiesgrube angelegt.

Autobiografisch

  • Sidney Iwens: Der Himmel so düster – 1400 Tage Naziterror. Biografie. 1. deutsche Auflage. Sich, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-9812628-8-9 (450 S., Original in Englisch: ‚How dark the heavens: 1400 days in the grip of Nazi terror‘, New York 1990, 291 Seiten, ISBN 0-88400-147-4 / Sidney Iwens war in den Lagern Kaufering II – Igling, Kaufering X – Utting und Kaufering XI – Stadtwaldhof/Landsberg).

KZ-Außenlagerkomplex Kaufering – Gesamtdarstellungen

  • Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein und die Themenzentrierte Interaktion (TZI) am Beispiel des Unterrichtsprojekts zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“ – Aus der Geschichte lernen. Augsburg, Univ., Dissertation, 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC 862808883 (298 S., uni-augsburg.de [PDF; 9,7 MB; abgerufen am 1. November 2020] zugleich Dissertation 2012, Universität Augsburg. Schwerpunkt KZ-Außenlager Kaufering XI – Stadtwaldhof).
  • Edith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf – Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45. Neumeyer, Landsberg am Lech 1992, ISBN 3-920216-56-3, S. 151–153, 173 f., 193–195, 272 (317 S., zugleich München, Universität, Philosophische Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaft, Dissertation 1992).

Enzyklopädien

Ergänzend

  • Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation – Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. Band 1. Edition Hentrich Berlin, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 147 f., 157–159 (840 S., bpb.de [PDF; 24,8 MB; abgerufen am 3. September 2021]).
Commons: KZ Kaufering XI – Stadtwaldhof/Landsberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

zum KZ-Außenlager Kaufering XI – Landsberg-Stadtwaldhof

Luftbild des ehemaligen KZ-Außenlagers

  • Carls Luftbild Datenbank: Kaufering XI im April 1945. (JPG) In: Landsberg-Kaufering erinnern – Erinnerungsorte. Stadt Landsberg am Lech, Landkreis Landsberg am Lech, Marktgemeinde Kaufering mit Unterstützung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, April 2021, abgerufen am 4. September 2021 (oben = Norden / Der heutige Gedenkstein von 1994 befindet sich im südöstlichen Bereich): „Das ehemalige Lagergelände ist heute eine Wiese. Fundamentreste des Lagers XI sind erhalten geblieben.“

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein […] zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC 862808883, S. 130–132, 136–140, 159 f. (uni-augsburg.de [PDF; 9,7 MB; abgerufen am 1. November 2020]).
  2. a b c d Edith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf. Neumeyer, Landsberg am Lech 1992, ISBN 3-920216-56-3, S. 151–153, 173 f., 193–195, 272.
  3. Edith Raim: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 378–380.
  4. Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, S. 497 (englisch, ushmm.org [PDF; 68,0 MB; abgerufen am 23. September 2020] Encyclopedia Vol-I, Part A).
  5. Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein […] zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC 862808883, S. 127–129 (uni-augsburg.de [PDF; 9,7 MB; abgerufen am 1. November 2020]).
  6. a b c d e f Edith Raim: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 360–373.
  7. Albert Knoll, Sabine Schalm: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 355 f.
  8. Friedrich Schreiber: Quellenanalyse KZ-Kommando Kaufering – Informationsdefizite bei Evakuierung der Lager in Kaufering und Landsberg, Hurlach, Utting und Türkheim. Ruth Kaner, Januar 2009, abgerufen am 5. September 2021.
  9. Elmer Moody: Case No. 000-50-2-14 (US vs. Jacob Au et al) Tried 5 November. 46. Originaldokument. In: Deputy Judge Advocate’s Office – War Crime Group (Hrsg.): The Dachau Trials: Dachau Cases (1945 – 1947) – Other Dachau Cases. Dachau 1946, 3. Evidence, S. 4 (englisch, 6 S., jewishvirtuallibrary.org [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 20. August 2022]): “Accused, on or about 24 April 1945, participated as a guard in prisoner march from Kaufering XI to Allach to Koenigsdorf. There were approximately 1200 male prisoners on the 4 to 5 day march”
  10. Albert Knoll, Sabine Schalm: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 357 (Siehe auch Trial of War Criminals, Dachau Cases, Case No. 000-50-2-102, US vs. Johann Kastner et al, Tried 9 Sept. 47).
  11. a b Christl Wickert: Raketen und Zwangsarbeit in Peenemünde. Hrsg.: Frederic Werner. Friedrich-Ebert-Stiftung, Schwerin 2014, ISBN 978-3-86498-750-2, KZ-Zwangsarbeiter in Karlshagen, S. 217, 222 f. (358 S., fes.de [PDF; 6,6 MB; abgerufen am 3. September 2022]).
  12. a b c J. Ramming, D. Stonus: Machbarkeitsstudie für einen Dokumentationsort zum ehemaligen KZ-Außenlagerkomplex Landsberg / Kaufering. Hrsg.: FranKonzept. Würzburg April 2016, 3.1.1.XI., S. 34, 54 (198 S., stiftung-bayerische-gedenkstaetten.de (Memento vom 28. September 2021 im Internet Archive) [PDF; 20,3 MB; abgerufen am 11. September 2021]): „Anzahl der Hütten – k.A. [ca. 50-56] […] Heutiger Zustand – Überformt durch eine landwirtschaftliche Nutzfläche. Relikte (Fundamente) sind unter Bewuchs zu erahnen.. […] Hinweise und Informationen vor Ort – Ein im April 1994 errichteter Gedenkstein der Stadt Landsberg erinnert mit einer Inschrift an das Lager und trägt eine Informationstafel.“
  13. a b Barbara Fenner: Emotionen, Geschichtsbewusstsein […] zum Außenlagerkomplex Kaufering/Landsberg „Wir machen ein KZ sichtbar“. Augsburg, Univ., Diss., 2012. Wißner, Augsburg 2014, OCLC 862808883, S. 203, 209, 216 (uni-augsburg.de [PDF; 9,7 MB; abgerufen am 1. November 2020]).

Koordinaten: 48° 2′ 33,5″ N, 10° 50′ 13,7″ O