Kartäuserkloster Mainz
| |
---|---|
Die Lage der Kartause auf einer Karte der Stadt Mainz um 1689. |
Das Kartäuserkloster Mainz ist eine untergegangene Kartause in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, an die dort noch die Straße „Kartaus“ erinnert.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kartäuserkloster St. Michael lag auf dem Michelsberg in der heutigen Mainzer Oberstadt. Diesen Platz hatte Erzbischof Peter von Aspelt 1320 den Kartäusern zur gewünschten Errichtung eines Klosters angewiesen. Bereits 1324 war der Konvent bezugsfertig und wurde von Mönchen der Kartause St. Peterstal bei Kiedrich im Rheingau besiedelt.[1] Den Bau der Kirche begann man 1330, sie wurde 1350 von Weihbischof Albert von Beichlingen konsekriert. Die Mainzer Kartause war die erste auf deutschem Boden. Kaiser Karl IV. nahm die Kartause 1361 in Schutz, stattete sie mit Privilegien aus und wies sie der Obhut des Reichsschultheißen von Oppenheim zu. 1434/35 wirkte hier Dominikus von Preußen, der Schöpfer des heutigen Rosenkranzgebetes, als Novizenmeister. Am 22. August 1552 fiel das Kloster, im Zweiten Markgrafenkrieg, den Zerstörungen des Markgrafen Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach zum Opfer. 1613 wiederaufgebaut überstanden die Gebäude den Dreißigjährigen Krieg und die Belagerung im Pfälzischen Erbfolgekrieg weitgehend unbeschadet. Bei letzterer hatten 1689 der Oberkommandierende, Herzog Karl von Lothringen, sowie Kurfürst Max Emanuel von Bayern und Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen ihr Hauptquartier in den Klostergebäuden eingerichtet.
1712 trat Michael Welcken sein Amt als Prior an und führte die Kartause zu neuer Blüte. Er renovierte sämtliche Gebäude, ließ 1715 die Kirche prächtig ausmalen und ihren Chor mit wertvollen Hochaltären sowie von 1723 bis 1726 mit einem kunstvollen Gestühl, unter der Leitung des Hamburger Kunstschreiners Johann Justus Schacht, ausstatten. An der südlichen Seite des Kreuzganges stand die Kirche, gegenüber eine Kapelle, auf den anderen Seiten befanden sich 22 Zellentrakte der Mönche, wovon ein jeder aus Vorhaus, Stube, Küche, Speicher, Arbeitshaus, Keller und Garten bestand.
Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal ließ die Kartause am 24. August 1781 durch Papst Pius VI. aufheben. Das Klostervermögen wurde dem neu gegründeten Universitäts-Fonds überwiesen. Den versammelten Mönchen teilte man diesen Beschluss am 15. November des Jahres mit und sie konnten entweder in die Kartause Erfurt übersiedeln oder fortan als Weltpriester leben. 1788 kaufte der Kurfürst den Gesamtkomplex für 83.000 Gulden und ließ Kirche samt Kreuzgang, Kapelle und Wohngebäuden in den Jahren 1790 bis 1792 niederreißen. Das Gelände verband er mit dem benachbarten Garten seines Schlosses Favorite, das 1793 vollständig zerstört wurde.
Am ehemaligen Standort des Kartäuserklosters liegt jetzt die Straße Kartaus, wo es in Erinnerung an den Konvent seit 1912 auch einen „Brunnen Kartaus“ mit der Figur des Ordensgründers St. Bruno von Köln gibt.[2]
Bibliothek
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Existenz einer Bibliothek kann für die Frühzeit des Kartäuserklosters nicht durch Quellen belegt werden, doch ist nach Kenntnis der Affinität des Ordens zum Buch, seiner unbedingten Schriftbezogenheit und der ausgeprägten Buchkultur davon auszugehen, dass spätestens in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts ein eigener Bibliotheksraum innerhalb der Mainzer Kartause existiert hat. Der Ursprungsbestand an liturgischen Handschriften, Bibeln und Bibelkommentaren vermehrte sich in dieser Zeit durch Schenkungen von Wohltätern und durch mitgebrachten Buchbesitz der Brüder bei Ordenseintritt. Durch ihre Schreibtätigkeit vergrößerten die Mönche selber maßgeblich den Bestand.
Mit 624 Codices aus Mainzer Kartausenprovenienz liegt in der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz eine bemerkenswert hohe Zahl überkommener Handschriften aus einer mittelalterlichen Bibliothek vor. Der herausragende Ensemblewert und die Bedeutung der hier enthaltenen Zeugnisse ordensspezifischer Frömmigkeit sind in der internationalen Forschung seit vielen Jahrzehnten bekannt. Eine Besonderheit innerhalb des Fonds bildet die kartäusische Laienbibliothek mit ca. 100 deutschsprachigen Handschriften vorwiegend aszetischen Inhalts für die Laienbrüder.
Der hohe Stellenwert, den das Buch im Reformorden der Kartäuser genoss, spiegelt sich in der Sorgfalt beim Abschreiben von Texten und eigene Vorschriften für die Emendationstätigkeit bei Textkorrekturen. Dass sich daraus eine wichtige Funktion von Kartausehandschriften als verlässliche Vorlagen für den Buchdruck ergab, manifestierte sich auch in der Zusammenarbeit mit den frühen ortsansässigen Druckereien in der Gutenbergstadt Mainz. Einzigartigen Quellenwert für die spätmittelalterliche Bibliotheksverwaltung im Allgemeinen und für das Aufstellungssystem der Mainzer Kartausebibliothek hat der überlieferte Handschriftenkatalog von 1466/70[3], der durch einen weiteren Katalog aus dem frühen 16. Jahrhundert[4] ergänzt wird. Katalog I gehört mit den Verzeichnissen der Baseler und Erfurter Kartause zu den umfangreichsten mittelalterlichen Bibliothekskatalogen.
Die Handschriften der Mainzer Kartause sind bereits zu einem großen Anteil katalogisiert; ihre Erschließung wird laufend fortgesetzt. Die Handschriften Hs I 1 - Hs I 490 sind in gedruckten Katalogen im Verlag Harrassowitz erschienen[5]. Die laufende Katalogisierung erfolgt in Manuscripta Mediaevalia[6]. Die größten Streubestände aus der Provenienz der Mainzer Kartause befinden sich heute in Oxford (Laud) und in London (Arundel). Während des Dreißigjährigen Krieges gelangten sie über Archbishop William Laud an die Bodleian Library und durch Thomas Howard, Earl of Arundel an die British Library. Auch die Universitätsbibliothek Basel besitzt etliche Mainzer Kartausehandschriften. Der nach der Auflösung der Kartause 1781 dislozierte Bestand wird in einem DFG-Projekt an der Universitätsbibliothek Heidelberg wieder virtuell zusammengeführt werden: Bibliotheca Cartusiana Moguntina – digital. Virtuelle Kartausebibliothek Mainz.[7] Im Mittelpunkt stehen dabei die in der Stadtbibliothek erhaltenen Codices.
Erhaltenes Inventar
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die drei barocken Hochaltäre der Mainzer Kartäuserkirche befinden sich heute in der Basilika St. Marcellinus und Petrus zu Seligenstadt. Der Hauptaltar wurde 1715 als Ziborienaltar von Maximilian von Welsch entworfen. Es handelt sich um einen auf Säulen ruhenden Baldachin, unten flankiert von den vier antiken Kirchenlehrern Hieronymus, Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo und Papst Gregor dem Großen. Auf den Kämpferplatten sitzen Johannes der Täufer, St. Joseph mit Jesuskind, Rabanus Maurus, sowie St. Bonifatius.
Teile des intarsiengeschmückten Chorgestühls gelangten später in den Trierer Dom.[8]
In der Kapelle von Burg Bischofstein bei Münstermaifeld befindet sich eine Intarsientür aus der Kartause Mainz.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Fritz Arens: Bau und Ausstattung der Mainzer Kartause. (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz; 17), Mainz 1959.
- Fritz Arens: Zwei Altarbilder der Mainzer Kartause. In: Mainzer Zeitschrift 54 (1959), S. 90–93.
- Mechthild Baumeister/Susan Müller-Arnecke: Die Veränderungen eines barocken Chorgestühldorsals aus der ehemaligen Kartause zu Mainz. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 3 (1989), S. 378–393.
- Karl Johann Brilmayer: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen. 1905, Neudruck Würzburg 1985.
- Uta Goerlitz: Monastische Buchkultur und geistiges Leben in Mainz am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Kartause St. Michael und das Benediktinerkloster St. Jakob (zum Entstehungsfeld der Mainzer Augustinus Handschrift I 9). In: Geesche Hönscheid/Gerhard May (Hrsg.): Die Mainzer Augustinus Predigten. Studien zu einem Jahrhundertfund. (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Abt. für Abendländische Religionsgeschichte; Beiheft 49), Mainz 2003, S. 21–53.
- Wilhelm Jung: Ein wiedergefundener Marmoraltar der hl. Maria Magdalena aus der Mainzer Kartause. In: Jahrbuch für das Bistum Mainz 8 (1958–1960), S. 333–340.
- Gerhard Kölsch, Christoph Winterer (Hg.): Die Kartause von Mainz. Kunst und Geschichte des ältesten Kartäuserklosters in Deutschland, Oppenheim 2021.
- Daniela Mairhofer: The medieval manuscripts from the Charterhouse at Mainz in the Bodleian Library. 2 Bde., Oxford 2018.
- Michael Oberweis: Die Anfänge der Mainzer Kartause: ein alter Orden in neuer Umgebung. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 65 (2013), S. 83–104.
- Oberweis, Michael: Heinrich Egher von Kalkar und seine Beziehungen zur Mainzer Kartause. In: Hermann Josef Roth (Hrsg.): Die Kartäuser im Blickpunkt der Wissenschaften: 35 Jahre internationale Treffen. 23.–25. Mai 2014 in der ehemaligen Kölner Kartause, Salzburg 2015, S. 82–90.
- Annelen Ottermann: Dei verbum manibus predicemus. Buchkultur bei den Kartäusern. In: Wolfgang Dobras (Red.): Gutenberg - aventur und kunst, Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Mainz 2000, S. 276.
- Annelen Ottermann: Die Geschichte der Mainzer Kartause. In: Wolfgang Dobras (Red.): Gutenberg - aventur und kunst, Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Mainz 2000, S. 277.
- Annelen Ottermann: Dieß Buch ist der Carthuser by Mentz. Die Bibliothek der Mainzer Kartause. In: Wolfgang Dobras (Red.): Gutenberg - aventur und kunst, Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Mainz 2000, S. 277–278.
- Hermann Josef Roth: Mainz, in: Monasticon Cartusiense, hrsg. von Gerhard Schlegel, James Hogg, Band 2, Salzburg 2004, 556–562.
- Friedrich Schneider: Die Schatzverzeichnisse der drei Mainzer Klöster Karthause, Reichen Klaren und Altenmünster bei ihrer Aufhebung im Jahre 1781. Mainz 1902
- Friedrich Schneider: Eine Künstlerkolonie des achtzehnten Jahrhunderts in der Karthause zu Mainz nach urkundlichen Quellen., Mainz 1902.
- Heinrich Schreiber: Die Bibliothek der ehemaligen Mainzer Kartause. Die Handschriften und ihre Geschichte (= Beihefte zum Zentralblatt für Bibliothekswesen 60). Harrassowitz, Leipzig 1927 (online).
- Heinrich Schreiber: Die Bibliothek der Mainzer Kartause und die Einbandforschung. In: Monatsblätter für Bucheinbände und Handbindekunst 3 (1927), S. 3–10.
- Johannes Simmert: Die Geschichte der Kartause zu Mainz (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz; 16). Mainz 1958.
- Friedrich Stöhlker: Nachträge zur Geschichte der Mainzer Kartause. In: Mainzer Zeitschrift 66, 1971, S. 45–57.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ „Peterstal (Wüstung), Rheingau-Taunus-Kreis“. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Webseite der Stadt Mainz zum Brunnen Kartaus ( vom 23. Mai 2014 im Internet Archive)
- ↑ http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0128-3-2174
- ↑ http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0128-3-1701
- ↑ Gerhard List/Gerhardt Powitz: Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz. Bd. 1: Hs I 1–150. Wiesbaden 1990. Gerhard List: Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz. Bd. 2: Hs I 151–250. Wiesbaden 1998. Gerhard List: Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz. Bd. 3: Hs I 251–350. Wiesbaden 2006. Gerhard List: Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz. Bd. 4: Hs I 351–490. Wiesbaden 2021.
- ↑ http://www.manuscripta-mediaevalia.de/info/projectinfo/mainz.html
- ↑ https://www.ub.uni-heidelberg.de/wir/projekt_mainzer-kartause.html
- ↑ Paul-Georg Custodis: Die Mainzer Kartause und das Schicksal ihres Chorgestühls, Rheinische Heimatpflege N.F. 44 (2007), S. 7–20.
Koordinaten: 49° 59′ 22,9″ N, 8° 17′ 19,3″ O