Putschversuch vom 14. August 1945
Beim Putschversuch vom 14. August 1945 (im Englischen Kyûjô Incident genannt) handelt es sich um einen versuchten Staatsstreich einer Gruppe radikaler Militärs in der Nacht vom 14. auf den 15. August, um die geplante Kapitulation Japans zu verhindern.
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Infolge wiederholter Niederlagen der japanischen Streitkräfte, der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki[1] sowie dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg am 8. August wurde in der japanischen Regierung und Armee intensiv erwogen die bedingungslose Kapitulation zu akzeptieren. Führende Armeevertreter hatten dagegen auch noch nach der Potsdamer Deklaration lange auf eine finale Abwehrschlacht gegen eine amerikanische Invasion gedrängt. Nach Übersendung der Erklärung zur Bereitschaft der Kapitulation am 10. August und nachfolgenden Rückfragen,[2] fand am 14. August 1945 eine abschließende Diskussion mitsamt dem Kabinett Suzuki Kantarō und dem Obersten Kriegsrat (Saikō sensō shidō kaigi) statt, bei welcher Kaiser Hirohito auf die Anwesenden einwirkte der Kapitulation (unter Beibehaltung des Kaisertums) zuzustimmen. Das Kabinett nahm die Kapitulation folgend einstimmig an.[3] Danach wurden die Amerikaner zeitnah informiert und auch die Bevölkerung sollte in einer Rundfunksendung darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass Japan zur Kapitulation bereit sei.[4]
Mit einem seit längerem geplanten Putschversuch beabsichtigten junge radikale Militärs daraufhin die Kapitulation und die Information der Öffentlichkeit zu verhindern.[5] Ursprünglich war ein Putsch für den 13. August geplant. Anami Korechika sollte darin eingebunden werden und äußerte Sympathie für die Gruppe, lehnte eine Beteiligung jedoch ab. Zu den Verschwörern gehörte auch Oberstleutnant Takeshita Masahiko, Schwager Anamis, der die Gruppe zwischenzeitlich anführte, jedoch noch vor der Ausführung diese verließ. Teile der Verschwörer verfolgten die Idee weiter, sodass es am 14. August zum Kyûjô Incident kam.[6]
Plan und Ablauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Plan der Übriggebliebenen war mehrteilig. Sie wollten in den Kaiserpalast Tōkyōs gelangen und den Tennō entführen. Er sollte dazu gebracht werden den Krieg fortzusetzen. Daneben wollten die Armeeoffiziere die aufgezeichnete Kapitulationsrede sicherstellen, sodass sie nicht ausgestrahlt werden könnte. Beide waren zum Zeitpunkt der Ausführung jedoch nicht mehr innerhalb des Palastes.[7] Weiterhin sollten Kido Kōichi und Suzuki Kantarō ermordet werden, welche aber nicht aufgefunden wurden.[3]
Major Hatanaki Kenji führte die Gruppe der Militärs an. Nachdem dieser scheiterte den Führer der Kaiserlichen Garde General Mori Takeshi zu überreden, sich dem Plan anzuschließen, erschoss er Mori, stahl dessen Siegel und nutzte es, um damit Befehle an die Regionalarmee Ostdistrikt zu fälschen. In diesen befahl er sich der Übernahme des kaiserlichen Palasts anzuschließen. Weder Anami Korechika – der zwar gegen die Kapitulation war, ihr jedoch zugestimmt hatte (die genaue Motivation Anamis ist in der Forschung umstritten) – noch die Regionalarmee Ostdistrikt waren bereit sich an dem Coup zu beteiligen. Auch die Suche nach der Rede führte nicht zum Erfolg. Am Morgen des 15. Augusts traf General Tanaka Shizuichi im Palast ein, der die Putschisten bewegte, ihren gescheiterten Plan aufzugeben. Kurz darauf beging Hatanaka Suizid.[3]
Folgen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ausstrahlung konnten die Putschisten nicht vereiteln. Am 15. August sprach der Kaiser wie beabsichtigt zum japanischen Volk und verkündigte in höfischem Japanisch, dass Japan den Kampf aufgeben würde (obwohl explizite Begriffe wie Kapitulation oder Niederlage vermieden wurden).[8] Ein Waffenstillstand galt ab dem folgenden Tag und am 2. September 1945 wurde die japanische Kapitulationsurkunde unterzeichnet.[4] Beim Übergang vom Krieg zum Frieden spielten vier Personen besonders wichtige Rollen: Der Kaiser wies an die Potsdamer Erklärung zu akzeptieren und blieb nachhaltig bei dieser Position. Premierminister Suzuki vereinigte das Kabinett und Heeresminister Anami und Oberbefehlshaber Umezu Yoshijirō wirkten auf die Armee ein, dem Regierungshandeln zu folgen.[9] Nach dem Rücktritt des Kabinett Suzuki am 17. August 1945 wurde Prinz Higashikuni als Premierminister eingesetzt. Als General und Teil des Kaiserhauses – er war ein Onkel Hirohitos – gelang es ihm etwaigen Widerstand in Bevölkerung und Militär einzudämmen.[10]
Trivia
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Roman Nihon no ichiban nagai hi von Hando Kazutoshi – veröffentlicht von der Pacific War Research Society – behandelt dieses Ereignis und wurde zweimal verfilmt, einmal 1967 und ein weiteres Mal 2015.[11] In der ersten Verfilmung (日本のいちばん長い日, Nihon no ichiban nagai hi, zu Deutsch: Der längste Tag Japans) von Okamoto Kihachi[12] spielten bekannte Stars des japanischen Kinos wie Mifune Toshirō und Ryū Chishū sowie Nakadai Tatsuya als Erzähler mit. Musikalische Untermalung erhielt der Film von Satō Masaru.[13] Die Neuverfilmung mit identischem Titel erschien im Jahr 2015 unter der Regie von Masato Harada.[14] Er wurde bei den Japanese Academy Awards in 11 Kategorien nominiert.[15]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Romanhafte Darstellungen
- William Craig: Als Japans Sonne unterging: das Ende des Krieges im Pazifik 1945. Molden, Wien, München [u. a.] 1970.
- Pacific War Research Society: Nihon no ichiban nagai hi. Bungei Shunjū, Tokyo 1965.
- engl.: Japan's longest day. Kodansha International, Tokyo, Palo Alto 1968.
Wissenschaftliche Darstellungen
- Denny Roy: The Pacific war and its political legacies. Praeger, Westport, Conn. 2009, ISBN 978-0-313-37566-8, S. 99.
- Peter Michael Wetzler: Imperial Japan and defeat in the Second World War. The collapse of an empire. Bloomsbury Academic, London, New York 2020, ISBN 978-1-350-12081-5, S. 153.
Zum Film
- Harald Salomon: Japan’s longest days. Tōhō and the politics of war memory, 1967–1972. In: King-Fai Tam, Timothy Y. Tsu und Sandra Wilson (Hrsg.). Chinese and Japanese films on the Second World War. Routledge Taylor & Francis Group, London, New York 2015, ISBN 9781315763163 (Media, culture, and social change in Asia series. 38), 121–135.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Reinhard Zöllner: Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Schöningh, Paderborn 2013, ISBN 978-3-8385-3934-8, S. 381–383.
- ↑ Gerhard Krebs: Das moderne Japan 1868–1952. Von der Meiji-Restauration bis zum Friedensvertrag von San Francisco. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-70089-3, S. 83–86.
- ↑ a b c Denny Roy: The Pacific war and its political legacies. Praeger, Westport, Conn. 2009, ISBN 978-0-313-37566-8, S. 99.
- ↑ a b Reinhard Zöllner: Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Schöningh, Paderborn 2013, ISBN 978-3-8385-3934-8, S. 384.
- ↑ Gerhard Krebs: Das moderne Japan 1868–1952. Von der Meiji-Restauration bis zum Friedensvertrag von San Francisco. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-70089-3, S. 86.
- ↑ Peter Michael Wetzler: Imperial Japan and defeat in the Second World War. The collapse of an empire. Bloomsbury Academic, London, New York 2020, ISBN 978-1-350-12081-5, Zur Kapitulation: S. 153, 164.
- ↑ Rudolf Hartmann: Geschichte des modernen Japan. Von Meiji bis Heisei. Akad.-Verl., Berlin 1996, ISBN 978-3-05-002637-4, S. 208.
- ↑ Wolfgang Schwentker: Geschichte Japans. C.H.Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-75159-2, S. 784, 785.
- ↑ Peter Michael Wetzler: Imperial Japan and defeat in the Second World War. The collapse of an empire. Bloomsbury Academic, London, New York 2020, ISBN 978-1-350-12081-5, Zur Kapitulation: S. 172.
- ↑ Gerhard Krebs: Das moderne Japan 1868–1952. Von der Meiji-Restauration bis zum Friedensvertrag von San Francisco. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-70089-3, S. 87.
- ↑ Geschichtlicher Film "Nihon no ichiban nagai hi" für 2015 angesetzt. 12. Dezember 2014, abgerufen am 28. Juli 2022.
- ↑ | Berlinale | Archiv | Programm | Programm. Abgerufen am 6. Oktober 2024.
- ↑ Harald Salomon: Japan’s longest days. Tōhō and the politics of war memory, 1967–1972. In: King-Fai Tam, Timothy Y. Tsu und Sandra Wilson (Hrsg.). Chinese and Japanese films on the Second World War. Routledge Taylor & Francis Group, London, New York 2015, ISBN 978-1-315-76316-3 (Media, culture, and social change in Asia series. 38), 121–135, hier S. 125.
- ↑ Nippon Connection. Abgerufen am 6. Oktober 2024.
- ↑ Gavin J. Blair: Japan Academy Awards: Cannes Entry ‘Our Little Sister’ Leads With 12 Nominations. In: The Hollywood Reporter. 19. Januar 2016, abgerufen am 6. Oktober 2024 (amerikanisches Englisch).