Le cinesi (Metastasio)

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Werkdaten
Titel: Die chinesischen Mädchen
Originaltitel: Le cinesi

Aufführung in der Piccola Scala, Mailand 1973
(Musik von Christoph Willibald Gluck)

Form: Componimento drammatico
Originalsprache: Italienisch
Musik: Erste Vertonung von Antonio Caldara
Libretto: Pietro Metastasio
Uraufführung: 1735
Ort der Uraufführung: Wien
Ort und Zeit der Handlung: Eine Stadt in China
Personen
  • Lisinga, vornehme junge Chinesin, Schwester Silangos
  • Sivene, Freundin Lisingas, Geliebte Silangos
  • Tangia, Freundin Lisingas
  • Silango, junger Chinese, Bruder Lisingas, Geliebter Sivenes, nach seiner Rückkehr von einer Europa-Reise

Le cinesi (deutsch: „Die chinesischen Mädchen“) ist ein Libretto zu einem componimento drammatico in einem Akt von Pietro Metastasio. Erstmals aufgeführt wurde es in der Vertonung von Antonio Caldara in der Karnevalsaison 1735 in den Privatgemächern der kaiserlichen Residenz der Favorita in Wien als Einleitung zu einem „Ballo cinese“ von Georg Reutter. Die Ausführenden waren die jugendlichen Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna sowie eine Hofdame.[1][2][3][4]

1786 veröffentlichte der Komponist und Musikschriftsteller Johann Adam Hiller in seinem Buch Ueber Metastasio und seine Werke: nebst einigen ins Deutsche übersetzten Stücken desselben eine deutsche Übersetzung unter dem Titel Die Chinesischen Mädchen.[Digitalisat 1]

Die folgende Inhaltsangabe basiert auf der Übersetzung von Johann Adam Hiller.[Digitalisat 1]

Ein Zimmer im chinesischen Stil mit einem Tisch und vier Stühlen im Haus Lisingas

Lisinga und ihre beiden Freundinnen Sivene und Tangia sitzen gelangweilt am Tisch, trinken Tee und denken darüber nach, wie sie sich die Zeit vertreiben könnten. Lisingas Bruder Silango kommt unbemerkt hinzu und horcht eine Weile durch eine nicht ganz geschlossene Tür. Als er schließlich das Zimmer betritt, sind die Mädchen schockiert, weil er damit ein chinesisches Verbot gebrochen hat. Silango weiß das, hat aber auf seiner Europareise bemerkt, dass man dort überall über diese Sitte lacht. Aus Sorge um ihren Ruf bitten ihn die Mädchen, zu gehen. Er verabschiedet sich auch, wird aber von ihnen zurückgehalten. Nach seiner Versicherung, dass ihn niemand gesehen habe, entscheidet Lisinga, dass er erst nach Einbruch der Dunkelheit gehen solle.

Nachdem das geklärt ist, schlägt Lisinga vor, zum Zeitvertreib eine Theaterszene zu spielen. Silango stimmt zu und erklärt, dass diese Kunst bisher nur in den europäischen Ländern geübt werde und in China völlig unbekannt sei. Er schlägt vor, ein in Europa übliches Sujet zu wählen. Da jeder andere Vorlieben hat, gibt es schließlich drei kleine Szenen.

Lisinga wählt ein heroisches Thema über Andromache, der Witwe Hektors. Diese wird von Pyrrhus (Neoptolemos) bedrängt, der damit droht, ihren Sohn Astyanax zu töten, falls sie ihn nicht erhören will.

Sivene entscheidet sich für ein Pastoral über die schöne Schäferin Licoris, die über die Tränen ihres unglücklichen Verehrers Thyrsis lacht, weil sie die Liebe nicht kennt. Silango übernimmt dabei die Rolle des Schäfers.

Tangia hat sich für eine Komödie entschieden. Sie hat Silangos Schwärmerei für Sivene bemerkt und will sich über ihn lustig machen. In ihrer Szene spielt sie daher einen „gezierten“ jungen Mann, der von einer Reise zurückgekehrt ist. Er sitzt vor einem Spiegel, macht sich zurecht und lästert dabei über die hiesige Lebensart, die so gar nichts mit dem zu tun hat, was er in Paris kennengelernt hat.

Nun wollen sie entscheiden, welche Dichtungsart die beste ist. Sivene gefällt die Tragödie am besten, aber diese eignet sich nicht zum bloßen Zeitvertreib. Silango schlägt das Schäferspiel vor, in dem Tangia aber die Abwechslung vermisst. Sie empfiehlt die Komödie. Lisinga befürchtet jedoch, dass sich dadurch jemand beleidigt fühlen könne. Als Lösung schlägt Silango schließlich vor, Musiker kommen zu lassen und ein Ballett aufzuführen.

Im Jahr 1735 schrieb Metastasio neben seinem Oratorium Gioas re di Giuda gleich vier Gelegenheitswerke: Le cinesi, Le grazie vendicate, Il palladio conservato und Il sogno di Scipione. Bis auf das letzte waren sie für Amateur-Aufführungen bestimmt, die von den Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna sowie einer Hofdame ausgeführt wurden – die Erstfassung von Le cinesi enthielt lediglich die drei weiblichen Charaktere. Der Auftrag zu dem Werk kam von Kaiserin Elisabeth Christine. Es war als Einleitung zu einem chinesischen Ballett von Georg Reutter bestimmt. In einem seiner Briefe erinnerte sich Metastasio, wie zufrieden er über die materielle und künstlerische Qualität der Aufführung war. Die Erzherzoginnen hätten „rezitiert und gesungen wie Engel“ („Esse hanno recitato et cantato come angeli“).[5] Im Gegensatz zu Metastasios bisherigen Werken hat Le cinesi weder einen mythologischen noch einen rein höfischen Charakter. Die Rolle der Lisinga ist auf die Thronerbin Maria Theresia zugeschnitten. Sie ist ernsthafter als die anderen Charaktere und die eigentliche Handlungsträgerin. Zudem ist sie weder verliebt wie Sivene noch oberflächlich wie Tangia.[6]

Der Charakter der Tangia ist eine der gelungensten Schöpfungen Metastasios. Durch ihre Naivität und Schlagfertigkeit erinnert sie an die Figur der Silvia in seinem späteren Werk L’isola disabitata, die wie sie von den Männern sowohl erschrocken als auch angezogen wird. Ihre Wünsche werden regelmäßig durch die Autorität ihrer Schwestern und ihre eigene Unerfahrenheit vereitelt. Ihre Eifersucht gab Metastasio die Möglichkeit, die Leidenschaft Sivenes für Silango ironisch zu verarbeiten.[6]

1749 wurde Metastasio von seinem Freund, dem Sänger Farinelli, gebeten, den Text zu überarbeiten und eine Männerrolle hinzuzufügen.[6] Diese Fassung wurde mit neuer Musik von Nicola Conforto erstmals 1750 aufgeführt[7] und in den folgenden Jahren in anderen Städten wiederholt. Obwohl der Inhalt des Werks durch den neuen Charakter Silango nicht wesentlich verändert wurde, erhielt der Text durch seine unerwartete Ankunft im Zimmer der Frauen eine neue dramatische Dimension. Silango übernimmt nun gemeinsam mit Lisinga die Initiative für die Handlung. Insbesondere ist er es, der am Schluss den Vorschlag macht, ein Ballett aufzuführen – dies war ursprünglich eine Idee Lisingas.[6]

Die heute am häufigsten aufgeführte Vertonung stammt von Christoph Willibald Gluck. Sie entstand 1754 zum Anlass einer Einladung Maria Theresias durch den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen auf sein Landgut Schloss Hof, wo ein mehrtägiges Fest gefeiert wurde (→ Le cinesi (Gluck)).

2010 bearbeitete der Komponist Karsten Gundermann Glucks Vertonung und ergänzte sie um Intermezzi im Stil der Peking-Oper des 18. Jahrhunderts. Diese Fassung wurde bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci und in Peking aufgeführt.[8]

Folgende Komponisten vertonten dieses Libretto:

Komponist Uraufführung Aufführungsort Anmerkungen
Antonio Caldara Karneval 1735, Privatgemächer der kaiserlichen Residenz der Favorita[9][4] Wien „componimento drammatico“
Nicola Conforto Frühling 1750, Teatro Regio Ducale[7][6] Mailand „azione drammatica“;
auch 1751 als La festa cinese im königlichen Palast in Aranjuez; 1753 in einem Landsitz des Prinzen von Sachsen-Hildburghausen
Christoph Willibald Gluck
Le cinesi (Gluck)
24. September 1754, Schloss Hof[10][Digitalisat 2] Wien „azione teatrale“;
auch 1761 im Teatro del Giardino della Corte in Sankt Petersburg
Ignaz Holzbauer Frühling 1756, Hoftheater[11][12] Mannheim „componimento drammatico“;
möglicherweise auch im Mai 1756 in Schwetzingen;
Libretto möglicherweise bearbeitet von Mattia Verazi
Luis Misón 1757[1][13] Madrid „composición drammatica“ Fiesta chinesa bzw. Festa cinese
Pietro Pompeo Sales Januar 1757, corte vescovo d’Augusta[14] Augsburg „componimento drammatico“
Niccolò Jommelli 1765, Herzogliches Hoftheater[15] Ludwigsburg
Davide Perez 1769, Palazzo Queluz[16][Digitalisat 3] Lissabon „componimento drammatico“
Gennaro Astarita 13. Juni 1773, Teatro dell’Accademia degli Ingegnosi[17][Digitalisat 4] Florenz „componimento drammatico“; zusammen mit L’isola disabitata aufgeführt
Giuseppe Colla 1781[1]
Anton, König von Sachsen 27. Februar 1784[1][18] „componimento drammatico“ zum Geburtstag der Prinzessin Maria Anna von Sachsen (1761–1820)
Giovanni Battista Cedronio 13. November 1789[1][19] Neapel
Giuseppe Millico vermutlich in den 1780er Jahren, königlicher Palast[20] Neapel?
Manuel García 1831, Privataufführung[21][22] London für seine Gesangsschüler komponiert

Aufnahmen und Aufführungen in neuerer Zeit

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Commons: Le cinesi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. a b Johann Adam Hiller: Ueber Metastasio und seine Werke, Leipzig 1786, als Digitalisat beim Münchener Digitalisierungszentrum.
  2. Libretto (italienisch/französisch) der Oper von Christoph Willibald Gluck, Sankt Petersburg 1761. Digitalisat im Corago-Informationssystem der Universität Bologna.
  3. Libretto (italienisch) der Oper von David Perez, Lissabon 1769. Digitalisat im Corago-Informationssystem der Universität Bologna.
  4. Libretto (italienisch) der Serenata von Gennaro Astarita, Florenz 1773 als Digitalisat im Internet Archive.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Don Neville: Metastasio [Trapassi], Pietro (Antonio Domenico Bonaventura). In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  2. Metastasio, Pietro in Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 50861 ff (vgl. MGG Bd. 9, S. 229 ff.) Bärenreiter-Verlag 1986 (Digitale Bibliothek Band 60).
  3. Liste der Bühnenwerke von Antonio Caldara auf Basis der MGG bei Operone, abgerufen am 14. Oktober 2014.
  4. a b Jacques Joly: Les fêtes théâtrales de Métastase à la cour de Vienne, 1731–1767. Pu Blaise Pascal, 1978, ISBN 978-2845160194, S. 160.
  5. Pietro Metastasio: Kritische Ausgabe, Band III, 1. 90, S. 121. Zitiert nach Jacques Joly: Les fêtes théâtrales de Métastase à la cour de Vienne, 1731–1767. Pu Blaise Pascal, 1978, ISBN 978-2-84516-019-4, S. 137.
  6. a b c d e Jacques Joly: Les fêtes théâtrales de Métastase à la cour de Vienne, 1731–1767. Pu Blaise Pascal, 1978, ISBN 978-2845160194, S. 135 ff.
  7. a b Le cinesi (Nicolò Conforti) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  8. a b Website zur Aufführung von Karsten Gundermanns Bearbeitung der Gluck-Oper (Memento vom 11. Oktober 2015 im Internet Archive), abgerufen am 1. März 2015.
  9. Le cinesi (Antonio Caldara) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  10. Le cinesi (Christoph Willibald Gluck) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  11. Le cinesi (Ignaz Holzbauer) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  12. Liste der Bühnenwerke von Ignaz Holzbauer auf Basis der MGG bei Operone, abgerufen am 29. September 2014.
  13. Rainer Kleinertz: Grundzüge des spanischen Musiktheaters im 18. Jahrhundert. Edition Reichenberger, 2003, ISBN 978-3-935004-74-9, S. 110 (google.com).
  14. Le cinesi (Pietro Pompeo Sales) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  15. Le cinesi (Niccolò Jommelli) bei Opening Night! Opera & Oratorio Premieres, Stanford University, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  16. Le cinesi (David Perez) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  17. Le cinesi (Gennaro Astarita) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  18. Anton, König von Sachsen – Le Cinesi. Bibliotheksdatensatz im Répertoire International des Sources Musicales, abgerufen am 26. Februar 2015.
  19. Le Cinesi (Cedronio). Bibliotheksdatensatz auf WorldCat, abgerufen am 2. März 2015.
  20. Le cinesi (Giuseppe Millico) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna, abgerufen am 26. Februar 2015.
  21. Le cinesi (Manuel García) bei Opening Night! Opera & Oratorio Premieres, Stanford University, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  22. Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad – Spielplan 2015 (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive), abgerufen am 10. März 2015.
  23. Nicola Conforto. In: Andreas Ommer: Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen, Zeno.org, Band 20, S. 3108.
  24. Thomas Molke: Komödie gegen Tragödie und Schäferspiel. Rezension im Online Musik Magazin, abgerufen am 10. August 2015.
  25. a b c d Christoph Willibald Gluck. In: Andreas Ommer: Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen. Zeno.org, Band 20, S. 5485 ff.
  26. Contrasti ad „Amore e Psiche“. In: Corriere della Sera, März 1973.
  27. Christoph Willibald Gluck: Le Cinesi – Lamberto Gardelli. CD-Informationen bei Allmusic, abgerufen am 1. März 2015.
  28. Christoph Willibald Gluck: Le Cinesi – René Jacobs, Isabelle Poulenard. CD-Informationen bei Allmusic, abgerufen am 1. März 2015.
  29. Thomas Molke: Le Cinesi – Sieger ist der Tanz. Rezension im Online Musik Magazin, abgerufen am 1. März 2015.
  30. Le Cinesi in Schlosshof (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive) auf der Website der Internationalen Gluck-Gesellschaft, abgerufen am 1. März 2015.
  31. Le cinesi – Les Arts. Aufführungsinformationendes Palau de les Arts Reina Sofía, abgerufen am 25. November 2017.
  32. Le Cinesi. Videostream und Werkinformationen (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive) auf OperaVision (Video nicht mehr verfügbar), abgerufen am 25. November 2017.