Lajtabánság
Lajtabánság (deutsch Leithabanat oder Leitha-Banschaft) war ein von ungarischen Freischärlerverbänden als unabhängig proklamiertes, diktatorisch regiertes Gebiet im heutigen Burgenland.[1] Es bestand vom Verlassen des Ungarischen Heeres am 4. Oktober 1921 bis zur Besetzung durch das österreichische Bundesheer, die am 13. November 1921 begann und bis Ende November abgeschlossen war. Offiziell wurde das Gebiet am 5. Dezember 1921 von Ungarn an Österreich übergeben.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Burgenland gehörte bis zum Vertrag von Trianon zum Königreich Ungarn (siehe Geschichte des Burgenlandes). Als Ende August 1921 das Burgenland entsprechend den Friedensverträgen von Trianon und Saint Germain an Österreich übergeben werden sollte, wurde dies durch militärischen Widerstand ungarischer Freischärler, die aus Zentralungarn eingedrungen waren, verhindert, indem sie die österreichische Gendarmerie zurückschlugen. Zwar mussten die regulären Truppen Ungarns auf Anordnung der Botschafterkonferenz der Siegermächte des Ersten Weltkriegs das Burgenland räumen, doch hatte die Regierung keinen Einfluss auf die Freischärler, deren Befehlshaber Pál Prónay am 4. Oktober 1921 in Felsőőr/Oberwart die „Republik Lajtabánság“ ausrief. Ziel Prónays, der auch eigene Briefmarken herausgab, war der erneute Anschluss an Ungarn nach Durchführung einer Volksabstimmung.
Für Westungarn wurden 1921 insgesamt 79 Freimarken und sechs Portomarken verausgabt. Es wurde kein Wasserzeichen verwendet.[2] Der zuständige Diözesanbischof richtete ein Generalvikariat für das Gebiet ein, für das er den Dechanten von St. Michael im Burgenland einsetzte.[3]
Die „Republik Lajtabánság“ war nicht von Dauer. Einerseits nahm der Zwist zu zwischen den „freien Königswählern“, denen auch Prónay angehörte, und den „Karlisten“, die die Restaurationsversuche des ehemaligen österreichischen Kaisers und ungarischen Königs Karl I. unterstützten, und andererseits übte die ungarischen Regierung Druck aus, das Burgenland zu räumen, um selbst außenpolitische Sanktionen der Siegermächte zu vermeiden. Der „Operettenstaat“[4] endete mit dem Abzug der Freischärler mit 10. November 1921 und dem endgültigen Einrücken der österreichischen Gendarmerie.
Außer wenigen Briefmarken und zwei Ausgaben eines Amtsblattes gibt es keine Hinterlassenschaften des Leithabanats.[5] Unterlagen wurden teils im Ungarischen Staatsarchiv verwahrt, teils im Archiv des Leithabanats, die 1945 vernichtet wurden. Pál Prónay fand circa 15 Briefe der Korrespondenz zwischen Gyula Gömbös und dem Führungsrat der Etelközi Szövetség. Einzelne Briefe befinden sich im Staatsarchiv, der Wortlaut ist zum Teil nur deshalb erhalten, weil Prónay für seine Memoiren Abschriften anfertigte (siehe zur Überlieferung den Hauptartikel).[6]
Nachwirkung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Trianon-Museum in Várpalota ist Lajtabánság und seinem Diktator Pál Prónay ein eigener Raum gewidmet.
Am 3. Oktober 2010 hielten Anhänger der Jobbik eine von der zuständigen österreichischen Behörde genehmigte Gedenkfeier für Lajtabánság in Oberwart ab, was zu einer Anfrage des grünen Abgeordneten Karl Öllinger im österreichischen Nationalrat führte.[7]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Béla Bodó: Pál Prónay: Paramilitary Violence and Anti-Semitism in Hungary, 1919–1921 (= The Carl Beck Papers. Nr. 2101). Center for Russian & East European Studies, University of Pittsburgh, März 2011, doi:10.5195/cbp.2011.167, S. 31 ff.
- Béla Bodó: Iván Héjjas. In: East Central Europe. Band 37, Nr. 2–3, 2010, S. 247 ff.
- Józef Botlik: The Fate of Western Hungary 1918-1921. Buffalo o. J., S. 160 ff, (PDF) (Originaltitel: Nyugat-Magyarország sorsa 1918-1921. Vassilvágy, 2. Auflage 2008).
- Lászlo Fogarassy: Paul Prónays Erinnerungen an das „Lajta-Banat“. In: Burgenländische Heimatblätter. 52. Jahrgang, Heft 1, Eisenstadt 1990, S. 1–10 (deutsche Zusammenfassung seiner das Thema betreffenden Tagebucheintragungen), zobodat.at [PDF]
- Andreas Moritsch: Vom Ethnos zur Nationalität: der nationale Differenzierungsprozess am Beispiel ausgewählter Orte in Kärnten und im Burgenland. Oldenbourg, München 1991, ISBN 3-486-55878-1, S. 110 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ August Ernst: Geschichte des Burgenlandes. Geschichte der österreichischen Bundesländer. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1991, ISBN 3-7028-0311-4, S. 196.
- ↑ Westungarn. In: Phila-Lexikon, abgerufen am 17. Februar 2017. Siehe Rüdiger Wurth: Postgeschichtliche Aspekte Deutsch-Westungarns im Zusammenhang mit dem Übergang von der ungarischen in die österreichische Verwaltung 1921. In: Burgenländische Heimatblätter. Band 53, 1991, S. 1–22, zobodat.at [PDF]
- ↑ Gerald Schlag: Aus Trümmern geboren ... – Burgenland 1918–1921 (= Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland. Band 106). Burgenländisches Heimatmuseum, Eisenstadt 2001, S. 434, zobodat.at [PDF]
- ↑ Andreas Moritsch (Hrsg.): Vom Ethnos zur Nationalität. Oldenbourg, München 1991, ISBN 3-486-55878-1, S. 111.
- ↑ August Ernst: Geschichte des Burgenlandes. Geschichte der österreichischen Bundesländer. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1991, ISBN 3-7028-0311-4, S. 197.
- ↑ Fogarassy, Erinnerungen, S. 1 und 4. Neben den im Hauptartikel angegebenen Stellen finden sich Auszüge aus Prónays Schriften auch bei Gerald Schlag: Aus Trümmern geboren ... – Burgenland 1918–1921 (= Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland. Band 106). Burgenländisches Heimatmuseum, Eisenstadt 2001, S. 430 ff, zobodat.at [PDF] Katharina Tiwald: KeinFunkenLand (= Edition Lex Liszt. Band 12). Oberwart 2014, ISBN 978-3-99016-076-3.
- ↑ Kundgebung ungarischer Rechtsextremisten in Oberwart. In: Parlament.gv.at, abgerufen am 31. Mai 2017.