Ideal (Ringtheorie)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Linksideal)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der abstrakten Algebra ist ein Ideal eine Teilmenge eines Rings, die das Nullelement enthält und abgeschlossen gegenüber Addition und Subtraktion von Elementen des Ideals sowie abgeschlossen gegenüber Multiplikation mit beliebigen Ringelementen ist. Beispielsweise sind Summe und Differenz zweier gerader Zahlen wieder gerade und zudem ist das Produkt einer geraden Zahl mit einer beliebigen ganzen Zahl ebenfalls gerade. Zudem ist die 0 als additiv Neutrales gerade. Das heißt, die Menge der geraden Zahlen ist ein Ideal im Ring der ganzen Zahlen.

Die Bezeichnung „Ideal“ ist abgeleitet aus dem Begriff „ideale Zahl“: Ideale können als Verallgemeinerung von Zahlen angesehen werden.

Das Konzept der Ideale hat seinen Ursprung in der algebraischen Zahlentheorie des 19. Jahrhunderts bei Ernst Eduard Kummer und wurde weiterentwickelt von Richard Dedekind und Leopold Kronecker. Bei David Hilbert war ein Ideal ein System von unendlich vielen ganzen algebraischen Zahlen eines Rationalitätsbereiches (algebraischer Zahlkörper), mit der Eigenschaft, dass auch sämtliche Linearkombinationen dieser (mit ganzen algebraischen Zahlen als Koeffizienten) darin enthalten sind. Diese Definition entspricht dem heutigen Begriff des gebrochenen Ideals.

In der Literatur findet man häufig die Begriffe Linksideal, Rechtsideal und zweiseitiges Ideal. Siehe dazu unten bei den Definitionen.

„Ideale Zahlen“

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ursprung der Ideale liegt in der Feststellung, dass in Ringen wie die Eindeutigkeit der Zerlegung in irreduzible Elemente nicht gilt: So ist

und die beiden Faktoren jeder Zerlegung sind irreduzibel. Ernst Eduard Kummer stellte fest, dass man die Eindeutigkeit manchmal wiederherstellen kann, indem man weitere, ideale Zahlen hinzunimmt. Im Beispiel erhält man durch Hinzunahme der Zahl die Faktorisierungen

(dass die Brüche auf der rechten Seite ganz sind, kann man an ihren Normen sehen) sowie

und die Eindeutigkeit ist wieder hergestellt.[1] Aus heutiger Sicht entspricht die Einführung der idealen Zahl dem Übergang zum (Ganzheitsring des) hilbertschen Klassenkörpers, in dem alle Ideale (des Ganzheitsringes) eines algebraischen Zahlkörpers zu Hauptidealen werden.

Richard Dedekind erkannte, dass man diese idealen Zahlen vermeiden kann, indem man statt ihrer die Gesamtheit aller durch sie teilbaren Zahlen betrachtet. So haben die Zahlen und im Beispiel den gemeinsamen idealen Primfaktor , und die in liegenden Vielfachen dieser Zahl sind gerade das Primideal

Ist ein „realer“ gemeinsamer Faktor vorhanden, so besteht das Ideal gerade aus seinen Vielfachen, ist also ein Hauptideal.[2] In Ganzheitsringen von Zahlkörpern (und allgemeiner in der aufgrund dieser Tatsache nach ihm benannten Klasse der Dedekindringe) erhält man auf diese Weise eine eindeutige Zerlegung jedes Ideals (ungleich null) in Primideale (Fundamentalsatz der Idealtheorie).[3]

Um auch für nichtkommutative Ringe geeignete Begriffe zu haben, unterscheidet man zwischen Links-, Rechtsidealen und zweiseitigen Idealen:

Es sei eine Teilmenge eines Ringes . heißt dann Linksideal, wenn gilt:

1: ist eine Untergruppe von
2L: Für jedes und ist .

Entsprechend ist ein Rechtsideal, wenn Bedingung 1 und

2R: Für jedes und ist

erfüllt ist.

nennt man schließlich zweiseitiges Ideal oder nur kurz Ideal, falls Links- und Rechtsideal ist, also 1, 2L und 2R erfüllt.

  • Ist der Ring kommutativ, dann fallen alle drei Begriffe zusammen, in einem nichtkommutativen Ring können sie sich aber unterscheiden.
  • Als Untergruppe von enthält insbesondere die .
  • Bedingung 1 ist äquivalent zu der Forderung, dass nichtleer und mit auch ist. (Untergruppenkriterium)
  • Jedes Ideal in bildet auch einen Unterring von , im Allgemeinen aber ohne Eins, . Ist ein Ring mit Eins, so ist genau dann ein Unterring mit Eins, wenn .
  • Ein Links- ebenso wie ein Rechtsideal in ist nichts anderes als ein -Untermodul von , aufgefasst als -Links- bzw. -Rechtsmodul .
  • Die Menge der geraden ganzen Zahlen ist ein Ideal im Ring aller ganzen Zahlen. ist prinzipiell ein Unterring von , in der Kategorie der Ringe mit Eins wird jedoch (da ohne Einselement) nicht als Unterring bezeichnet.
  • Die Menge der ungeraden ganzen Zahlen ist kein Ideal in ; sie erfüllt keine der drei Bedingungen.
  • Die Menge aller Polynome mit reellen Koeffizienten, die durch teilbar sind, bilden ein Ideal im Polynomring . Der Körper ist isomorph zu den komplexen Zahlen und ist sogar Maximalideal.
  • Der Ring aller stetigen Funktionen von nach enthält das Ideal der Funktionen mit . Ein anderes Ideal in sind die stetigen Funktionen mit kompaktem Träger, d. h. alle Funktionen, die für hinreichend große und hinreichend kleine Argumente gleich 0 sind.
  • Der nichtkommutative Ring der Hurwitzquaternionen enthält sowohl Links- und Rechtsideale als auch zweiseitige Ideale. Alle sind sie jedoch Hauptideale.
  • Die Mengen und sind stets Ideale eines Rings . Hierbei wird Nullideal und, falls R eine Eins besitzt, Einsideal genannt.[4] Wenn und seine einzigen zweiseitigen Ideale sind, nennt man einfach. Ein kommutativer einfacher Ring mit Eins, der nicht der Nullring ist, ist ein Körper.

Erzeugung von Idealen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Links-, alle Rechtsideale und alle zweiseitigen Ideale bilden jeweils ein Hüllensystem. Die zugehörigen Idealoperatoren werden mit selten auch mit bezeichnet.

Ist eine Teilmenge des Ringes dann nennt man

das von erzeugte Ideal, es ist das kleinste (Links-, Rechts- bzw. zweiseitige) Ideal in das enthält.

Besitzt ein Einselement so ist

und wenn zusätzlich noch kommutativ ist, gilt sogar:

Das von einem Element erzeugte Hauptideal ist

Verknüpfungen von Idealen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist ein kommutativer Ring mit Eins und ein Ideal, dann ist auch das Radikal von , das als definiert ist, ein Ideal.

Ist ein Ring, so gilt für zwei Ideale :

Wichtig: Summen und Vereinigungen von Idealen sind im Allgemeinen unterschiedliche Konstrukte!
  • Auch das sogenannte Komplexprodukt das aus der Menge der Produkte von Elementen aus mit Elementen aus besteht, ist im Allgemeinen kein Ideal. Als Produkt von und wird daher das Ideal definiert, das von erzeugt wird:
Besteht keine Verwechselungsgefahr mit dem Komplexprodukt, dann schreibt man auch das Idealprodukt oder kurz
  • Der Quotient von und ist ein Ideal, das alle enthält, für die das Komplexprodukt eine Teilmenge von ist:
  • Das Produkt zweier Ideale ist stets in ihrem Schnitt enthalten: Sind und teilerfremd, also , so gilt sogar Gleichheit.
  • Der Idealquotient wird in der Literatur auch häufig in Klammern geschrieben:
  • Mit den Verknüpfungen Summe und Durchschnitt bildet die Menge aller Ideale eines Ringes einen modularen, algebraischen Verband.
  • Einige wichtige Eigenschaften dieser Verknüpfungen werden in den Noetherschen Isomorphiesätzen zusammengefasst.

Besondere Ideale

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Ideal heißt echt, wenn es nicht ganz ist. Dies ist bei Ringen mit genau dann der Fall, wenn nicht in liegt.

Ein echtes Ideal heißt maximal, wenn es kein größeres echtes Ideal gibt, d. h., wenn für jedes Ideal gilt:

Mit Hilfe des Zornschen Lemmas kann gezeigt werden, dass jedes echte Ideal eines Rings mit in einem maximalen Ideal enthalten ist. Insbesondere besitzt jeder Ring mit (außer dem Nullring) ein maximales Ideal.

Ein echtes Ideal heißt prim, wenn für alle Ideale gilt:

oder

In einem Ring mit ist jedes maximale Ideal prim.

Faktorringe und Kerne

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ideale sind wichtig, weil sie als Kerne von Ringhomomorphismen auftreten und die Definition von Faktorringen ermöglichen.

Ein Ringhomomorphismus vom Ring in den Ring ist eine Abbildung mit

für alle

Der Kern von ist definiert als

Der Kern ist stets ein zweiseitiges Ideal von

Startet man umgekehrt mit einem zweiseitigen Ideal von dann kann man den Faktorring (sprich: „ modulo “; nicht zu verwechseln mit einem faktoriellen Ring) definieren, dessen Elemente die Form

für ein aus haben. Die Abbildung

ist ein surjektiver Ringhomomorphismus, dessen Kern genau das Ideal ist. Damit sind die Ideale eines Rings genau die Kerne von Ringhomomorphismen von

Ist der Ring kommutativ und ein Primideal, dann ist ein Integritätsring, ist ein maximales Ideal, dann ist sogar ein Körper.

Die extremen Beispiele von Faktorringen eines Ringes entstehen durch Herausteilen der Ideale oder Der Faktorring ist isomorph zu und ist der triviale Ring

Norm eines Ideals

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Ganzheitsringe eines Zahlkörpers lässt sich eine Norm eines (ganzen) Ideals definieren durch (und für das Nullideal ). Diese Norm ist immer eine endliche Zahl und steht in Zusammenhang mit der Norm der Körpererweiterung für Hauptideale gilt nämlich Zudem ist diese Norm multiplikativ, d. h. . Allgemeiner werden diese Normen auch für Ideale in Ordnungen in Zahlkörpern betrachtet.

  • Felix Klein: Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert. Teil 1. Springer, Berlin 1926 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. 24, ISSN 0072-7830).
  • Ernst Eduard Kummer: Über die Zerlegung der aus Wurzeln der Einheit gebildeten complexen Zahlen in ihre Primfactoren. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. 35, 1847, S. 327–367.
  • David Hilbert: Zahlbericht "Die Theorie der algebraischen Zahlkörper, Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung", Bd. 4 S. 175–546 1897 online

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Felix Klein: Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert. Teil 1. Springer, Berlin 1926 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. 24, ISSN 0072-7830), Kapitel VII, Abschnitt Theorie der algebraischen ganzen Zahlen … S. 321 f.
  2. Felix Klein: Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert. Teil 1. Springer, Berlin 1926 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. 24, ISSN 0072-7830), S. 323.
  3. J. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Springer-Verlag, Berlin 1992. ISBN 3-540-54273-6; Theorem I.3.3.
  4. Vorlesung Algebra I. (PDF; 493 kB) Abgerufen am 24. August 2013.