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Liste der Stolpersteine im Landkreis Reutlingen

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Stolpersteine für Familie Maier

Die Liste der Stolpersteine im Landkreis Reutlingen enthält Stolpersteine, die an das Schicksal der Menschen diesem Landkreis erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus vom NS-Regime ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Stolpersteine wurden vom Künstler Gunter Demnig verlegt.[1]

Die erste Verlegung in diesem Landkreis erfolgte am 21. Mai 2009 in Bad Urach.

Verlegte Stolpersteine

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In Bad Urach wurde ein Stolperstein verlegt.

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
HIER WIRKTE
DR. GEORG
GOLDSTEIN
JG. 1877
DEPORTIERT 18.3.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET AUG. 1943
Hanner Steige 1
Georg Goldstein wurde am 19. Oktober 1877 in Breslau geboren. Goldstein studierte an der Bergakademie und schloss als promovierter Volkswirt ab, danach arbeitete er für die Preußische Regierung in Berlin. Ab 1912 war er Direktor der „Deutschen Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime“ (GKH). Am 24. November 1914 heiratete Georg Goldstein die 1889 in Trebnitz, Schlesien, geborene Margarethe Lasker. Das Paar lebte in Wiesbaden. 1917 wurde Tochter Barbara geboren und drei Jahre später sein Sohn Franz. Obwohl er die GKH sehr erfolgreich leitete, wurde er am 10. Juni 1933 entlassen, weil er Jude war. Bis 1934 erfolgten noch Zahlungen an ihn, danach wurde es für die Familie finanziell prekär. Die beiden Kinder konnten ins Exil nach England gebracht werden, den Eltern war es nicht möglich, ihnen zu folgen. Goldstein und seine Frau hofften auf ein Visum nach Chile, doch hatten sie kein Geld für die Schiffspassage. Bis Herbst 1942 lebte das Paar noch in einer "Judenwohnung" in Wiesbaden, danach mussten beide in eine "Gemeinschaftsunterkunft" nach Frankfurt ziehen. Seiner Tochter konnte er noch die Mitteilung auf einen Rot-Kreuz-Formular zukommen lassen, dass sie deportiert werden. Am 18. März 1943 wurde das Ehepaar Goldstein mit dem Transport 1/90 nach Theresienstadt deportiert. Georg Goldstein wurde wahrscheinlich in der Kleinen Festung von der Lagerleitung ermordet, aus Strafe, weil er Mitgefangene vor einer Intrige gewarnt hat.

Seine Frau wurde am 9. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort in einer Gaskammer ermordet.

Goldstein war für die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland tätig. Ab 1939/40 waren er und der Rechtsanwalt Berthold Gutmann unter Gestapo-Aufsicht gezwungen, jüdischen Besitz juristisch abzuwickeln. Sie mussten dem Wohnungsamt mitteilen, wenn Wohnraum "freigestellt" worden war, weil die Bewohner in sogenannte Judenhäuser umgesiedelt worden waren. Des Weiteren musste er 350 Menschen eine Aufforderung senden, sich an der Sammelstelle in der Synagoge Friedrichstraße einzufinden, von wo dann am 1. September 1942 eine Deportation nach Theresienstadt erfolgte.[2]

Die kaufmännische Schule in Bad Urach trägt seinen Namen, 2019 erschien ein Dokumentarfilm "Georg Goldstein – Zur Erinnerung".

In Münsingen wurden zwei Stolpersteine an zwei Anschriften verlegt.

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
HIER WOHNTE
ANDREAS BÜCKLE
JG. 1889
VERLEGT AUS
HEILANSTALT ZWIEFALTEN
ERMORDET 5.8.1940
GRAFENECK
Tragolfstr. 2
Andreas Bückle wurde am 17. November 1889 geboren. Er wuchs mit fünf Geschwistern in der Tragolfstraße 2 in Münsingen-Trailfingen auf. Bückle wurde zunächst Lehrer und dann Soldat im Ersten Weltkrieg, aus dem er schwerverwundet nach Hause kam. Er verbrachte Jahre in Heilanstalten, bis er am 5. August 1940 in Grafeneck auf Grund der Menschen verachtenden Politik der Nationalsozialisten vergast wurde.[3]
HIER WOHNTE
SÄRLE LEVI
GEB. STEINER
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 10.6.1943
Im Glack 1
Särle Levi wurde am 13. Oktober 1872 in Laupheim geboren und in Münsingen mit dem 1937 verstorbenen Arzt Julius Levi verheiratet. Ihr Sohn wurde auch Arzt, musste dann 1935 auf Grund des für Juden verhängten Berufsverbots in die USA ins Exil gehen. Särle Levi lehnte eine Auswanderung für sich ab und wurde am 10. Juni 1943 in Theresienstadt ermordet.[4][5]

In Reutlingen wurden fünf Stolpersteine an zwei Anschriften verlegt.

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
HIER LEHRTE
DR. HANS MARTIN
BERGER
JG. 1889
BERUFSVERBOT 1933
FLUCHT 1937
FREIE STADT DANZIG
1939 ENGLAND
Kanzleistraße 28
(Friedrich-List-Gymnasium)
Hans Martin Berger, geboren 1888 in Danzig, wurde in Freiburg i.Br. als Historiker, Romanist und Altphilologe promoviert.[6] 1917 trat er in den Schuldienst und war von 1930 bis 1933 – bis zum Berufsverbot – Lehrer am Friedrich-List-Gymnasium in Reutlingen.[7] „Nach seiner Flucht nach England kehrte er 1949 nach Reutlingen zurück, wo er bis zum Ruhestand 1954 am Johannes-Kepler-Gymnasium unterrichtete. 1967 ist Berger in Reutlingen gestorben.“[8]
HIER WOHNTE
ADOLF MAIER
JG. 1882
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
18.2.1937
Kaiserstraße 117
Adolf Maier wurde in 1882 geboren und kam 1910 nach Reutlingen. Nach dem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg heiratete er Babette Oppenheimer. Mit seiner Familie wohnte er zwischen 1923 und 1937 in der Kaiserstraße 117.[9] Maier war Kaufmann für Immobilien und Hypotheken. Ab dem Jahr 1933 wurde sein Büro in der Gartenstrasse boykottiert, im Sommer 1936 meldete er Konkurs an und wurde durch die Belastungen krank. Am 18. Februar 1937 nahm er sich das Leben. Er wurde im jüdischen Friedhof von Wankheim beigesetzt.[10]
HIER WOHNTE
BABETTE MAIER
GEB. OPPENHEIMER
JG. 1895
DEPORTIERT 1940
GURS
INTERNIERT DRANCY
1942 AUSCHWITZ
ERMORDET
Kaiserstraße 117
Babette Maier, geb. Oppenheimer, wurde im badischen Gemmingen geboren. Nach ihrer Heirat wohnte sie zunächst mit ihrem Mann in der Alteburgstraße in Reutlingen, dann ab 1923 in der Kaiserstraße 117. Nach dem Selbstmord ihres Mannes zog sie mit ihrem jüngeren Kind, Gerhart, zu Verwandten nach Stuttgart. Ab 1938 blieben beide Kinder auf Internaten in England und die Familie pflegte Kontakte durch Briefe und Postkarten. Diese sind von Hannelore Maier im Jahr 2002 an das Stadtarchiv Reutlingen übergeben worden.[11] Nach 1940 zog Babette Maier zurück nach Gemmingen und wurde mit anderen Juden der Stadt im Oktober 1940 nach Südfrankreich in das Internierungslager Gurs deportiert. Zwei Jahre später wurde sie über das Sammellager Drancy nach Auschwitz in den Tod geschickt.[10]
HIER WOHNTE
GERHART MAIER
JG. 1929
FLUCHT 1938
ENGLAND
Kaiserstraße 117
Gerhart Maier wurde 1929 in Reutlingen geboren. Im Alter von neun Jahren, im Jahr 1938, konnte er dem Holocaust mit seiner fünfzehnjährigen Schwester rechtzeitig nach England entkommen. Mit Hannelore besuchte er zum ersten Mal nach 60 Jahren Reutlingen. Seine Tochter, Kate Maier, reiste 2017 zur Gedenkfeier mit Verlegung der Stolpersteine aus Großbritannien an.[11]
HIER WOHNTE
HANNELORE MAIER
JG. 1922
FLUCHT 1937
ENGLAND
Kaiserstraße 117
Hannelore Maier wurde am 9. Dezember 1922 in Reutlingen geboren. Sie ging dort in die Grund- und Mädchenrealschule, bis sie im Januar 1937 durch Vermittlung eines Lehrers einen Platz auf einem Internat in England bekam.[12] Mit ihrem Bruder besuchte sie im Jahr 2000 zum ersten Mal nach 60 Jahren Reutlingen. Sie starb am 30. März 2015 in London, noch vor der Verlegung der Stolpersteine.

In der Stadt Reutlingen wurden vier Stolpersteine erstmals am Samstag, dem 29. April 2017 verlegt.[13] Im Vorfeld gab es jahrelange Debatten über die Verlegung von Stolpersteinen in Reutlingen. Die Reutlinger Frauengeschichtswerkstatt engagierte sich nachhaltig für das Projekt.[14]

Die feierliche Verlegung der vier Steine fand im Beisein einer aus England angereisten Enkelin sowie von etwa 150 interessierten Stadtbürgern, Vereinsmitgliedern und Politikern statt.[11] Das Schicksal der Familie Maier ist durch intensive Recherchen belegt.[15] Sie war nicht die einzige jüdische Familie in Reutlingen, die dem Holocaust zum Opfer fiel, denn nur einem Teil der etwa 100 jüdischen Bürger der Stadt ist es gelungen, vor 1942 zu emigrieren.[16] Die Verlegung der Stolpersteine zum Gedenken und Würdigung der Familie Maier war Thema des Kalenderblatts für den Monat November in einem Kalender, der für das Jahr 2018 vom Reutlinger Verein Werkstatt für Geschichte der Oststadt und des Betzenriedes herausgegeben wurde.[10]

  • 21. Mai 2009: Bad Urach
  • 17. September 2010: Münsingen
  • 29. April 2017: Reutlingen (Kaiserstraße 117)
  • 9. Juni 2021: Reutlingen (Kanzleistraße 28)
Commons: Stolpersteine in Landkreis Reutlingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Chronik. In: Stolpersteine. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2019; abgerufen am 22. November 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stolpersteine.eu
  2. [=http://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/Erinnerungsblatt%20Dr.%20Georg%20und%20Margarethe%20Goldstein.pdf Zur Erinnerungan Dr. Georg und Margarethe Goldstein], abgerufen am 9. Oktober 2021
  3. Andreas Bückle: Therapie – Wegsperren In: swr.de, abgerufen am 6. August 2019.
  4. Das Bundesarchiv: Eintrag: Levi, Sara Särle. Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945, abgerufen am 3. September 2018.
  5. Sara "Särle" Levi: Der Judenstern war ihr peinlich In: swr.de, abgerufen am 6. August 2019.
  6. Stolperstein für Dr. Hans Martin Berger (1889 – 1967) am Friedrich-List-Gamnasium. In: reutlingen.de. 28. Juni 2021, abgerufen am 22. September 2021.
  7. Stolperstein Verlegung am Friedrich-List-Gymnasium. In: RTF1.de (RTF.1). 10. Juni 2021, abgerufen am 22. September 2021.
  8. Gabriele Böhm: Reutlinger Stolperstein ein Aufruf zur Zivilcourage. In: GeA.de (Reutlinger General-Anzeiger). 11. Juni 2021, abgerufen am 22. September 2021.
  9. Norbert Leister: Anhalten, innehalten, nachdenken. 2. Mai 2017, abgerufen am 22. November 2019.
  10. a b c Kalender 2018 – Geschichte(n) aus Oststadt & Betzenried@1@2Vorlage:Toter Link/www.reutlingen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Website der Stadt Reutlingen. Abgerufen am 22. November 2019.
  11. a b c Jürgen Herdin: Auf einmal waren die Nachbarn weg. 2. Mai 2017, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 22. November 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/www.swp.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  12. Ihr Stolpersteine-Wunsch blieb unerfüllt. 10. April 2015, abgerufen am 22. November 2019.
  13. Jürgen Spiess: Stolpersteine zur Erinnerung an Nazi-Opfer. In: GeA.de (Reutlinger General-Anzeiger). 26. April 2017, abgerufen am 26. August 2019 (kostenpflichtig).
  14. Christine Keck: Das lange Ringen ums richtige Gedenken : Stolpersteine in Reutlingen. 19. April 2017, abgerufen am 22. November 2019.
  15. Wilhelm Borth: Bea Maier (1895–1942) zwischen Reutlingen und Auschwitz : Das Schicksal einer jüdischen Mitbürgerin und ihrer Familie im Zusammenhang der Zeitgeschichte In: Reutlinger Geschichtsblätter. Bd. 49, 2010, S. 9–238.
  16. Reutlingen. In: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Abgerufen am 22. November 2019.