Messerangriff
Ein Messerangriff beziehungsweise eine Messerattacke ist ein mit dem Tatmittel Messer begangenes Gewaltdelikt. In den 1960er und 1970er Jahren war der Begriff Messerstecherei gebräuchlich.
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Juni 2018 sprach sich die deutsche Innenministerkonferenz dafür aus, das Phänomen „Messerangriff“ bundeseinheitlich statistisch zu erfassen. Seit Anfang 2020 werden dazu Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. In den Jahren davor war dort das Tatmittel „Messer“ kein Thema. Das Bundeskriminalamt definiert seit 2019 Messerangriff wie folgt:
„Messerangriffe im Sinne der Erfassung von Straftaten in der PKS sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus.“[1]
Im Vorfeld der Entscheidung, Messerangriffe bundesweit statistisch einheitlich zu erfassen, erregte eine Anfrage der AfD Saarland bundesweit Aufsehen. Die AfD vermutete, dass unter den 70 % deutschen Messer-Tätern der vergangenen Jahre tatsächlich Migranten mit deutschem Pass waren. Die AfD fragte daraufhin die Landesregierung nach den häufigsten Vornamen der Täter. Die Liste der von der Polizei daraufhin genannten 13 häufigsten Vornamen wurde angeführt von Michael (24 Fälle), Daniel (22 Fälle), Andreas (20 Fälle). Alle weiteren Namen klangen ebenfalls deutsch. Außerdem antwortete die Polizei, dass nur 14 der 842 deutschen Täter neben dem deutschen Pass noch einen weiteren hatten. Auch ein Nachhaken der AfD brachte bei den weiteren Namen nur vereinzelt Namen, die in Deutschland unüblich sind.[2][3]
Bereits in den 1960er Jahren gab es in Westdeutschland eine breite Berichterstattung über „Messerstechereien“ von als aufmüpfig und unattraktiv wahrgenommenen, italienischen Gastarbeitern, insbesondere in Boulevardzeitungen. Die tatsächlich höheren Quoten können damit erklärt werden, dass sich die angeworbenen Gastarbeiter hauptsächlich aus jungen Männern zusammensetzten, die in prekären Verhältnissen untergebracht waren.[4] Später verschob sich das Feindbild auf Türken und Griechen.[5][6]
Der Kriminologe Dirk Baier arbeitet als Professor unter anderem in der Befragungsforschung, um Ursachen und Motive des Messertragens bei Jugendlichen zu untersuchen. Diese Untersuchungen zeigten schon längere leichte Anstiege. Man könne jedoch darüber streiten, ob dieses „Thema Nummer eins sein müsste“. Politik und Medien würden einander befeuern und das Thema groß machen. Einen Typ Täter verbinde am ehesten das Geschlecht. Frauen seien so gut wie gar nicht auffällig. Die Nationalität sei zur Typisierung nicht hilfreich. Als problematisch sieht er eine Routine bei vielen jungen Männern, ein Messer in der Hosentasche zu führen, das sie gar nicht einsetzen wollten. In Konfliktsituationen sei es dann schnell gezogen.[7]
Polizeiliche Kriminalstatistik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 2021 liegen Daten zu erfasste Taten mit dem Tatmittel Messer vor. Sie sind nach Gefährliche und schwere Körperverletzung, sowie Raub differenziert. Mangels valider Daten ist für das Jahr 2020 keine Auswertung möglich.[8]
Diese Daten zeigen, dass die Anteile solcher Fälle in den ersten drei auswertbaren Jahren relativ konstant bei 5,6–5,8 % für Körperverletzung bzw. 10,2–10,9 % für Raub liegen.[9] Die absoluten Fallzahlen stiegen in diesen Jahren jedoch an. Diesen generellen Anstieg der Kriminalität sieht das Bundeskriminalamt im Wegfall der Corona-Beschränkungen und der damit einhergehenden Rückkehr ins öffentliche Leben, was wieder mehr Tatgelegenheiten schaffe.[10] Der langfristige Trend ist ein Kriminalitätsrückgang.
Dirk Baier meint, die PKS sei die einzige wirkliche Statistik in diesem Bereich. Allerdings sei die Erfassung von Messerkriminalität noch recht neu und die Polizeibehörden müssten noch eine einheitliche Routine entwickeln. Er weist darauf hin, dass es auch hier ein Dunkelfeld gibt. Die Datengrundlage sei noch nicht sehr verlässlich.[7]
Jahr | Gefährliche und schwere Körperverletzung | Raub | ||
---|---|---|---|---|
Fälle | Anteil | Fälle | Anteil | |
2021[1] | 7.071 | 5,8 % | 3.060 | 10,2 % |
2022[10] | 8.160 | 5,6 % | 4.195 | 11,0 % |
2023[9] | 8.951 | 5,8 % | 4.893 | 10,9 % |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sascha Lanzrath, Stefan Fieberg: Waffen und (gefährliche) Werkzeuge im Strafrecht. Jura 2009, S. 348–353.
- Matthias Krüger, Sarah Helml: Das „gefährliche Werkzeug“ und verwandte Erscheinungsformen im Kernstrafrecht. Rechtliche Kurzübersichten für die polizeiliche Praxis. Aschersleben, 2012. PDF.
- Elena Rausch, Whitney Hatton, Hauke Brettel, Martin Rettenberger: Messergewalt in Deutschland: Eine empirische Untersuchung zu Risikofaktoren sowie Täter- und Tatcharakteristika. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 2023, S. 327–337. PDF.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Bundeskriminalamt: PKS 2021 - IMK-Bericht. S. 12, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Daniel Kirch: So heißen die deutschen Messer-Täter. Saarbrücker Zeitung, 27. Mai 2019, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Die AfD fragt, welche Vornamen Messer-Angreifer haben. Die Welt, 29. März 2019, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Felix Müller: Historikerin über italienische Arbeiter in München: "Alle kamen erst hierher". Abendzeitung, 3. Juli 2022, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Stephan Anpalagan: Vor den Türken waren es die Italiener. Die Zeit, 26. September 2023, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ Stephan Anpalagan: KOMM, KOMM, KOMM - GEH, GEH, GEH. Der Spiegel, 18. Oktober 1970, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ a b Bei einem Konflikt ist das Messer schnell gezogen In: Südkurier. 23. August 2024, S. 4.
- ↑ Bundeskriminalamt: PKS 2020 - IMK-Bericht. S. 9, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ a b Bundeskriminalamt: PKS 2023 - IMK-Bericht. S. 15, abgerufen am 25. August 2024.
- ↑ a b Bundeskriminalamt: PKS 2022 - IMK-Bericht. S. 15, abgerufen am 25. August 2024.