Telefunkenwerk Zehlendorf
Das Telefunkenwerk Zehlendorf ist ein Bauensemble im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Die von 1937 bis 1940 nach Plänen des Architekten Hans Hertlein errichteten Gebäude (damalige Postanschrift: Vierter Ring/Osteweg, heutiges Areal zwischen Goerzallee und dem Platz des 4. Juli in Lichterfelde) waren bis 1945 Stammwerk und Sitz der Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H.
Nach Kriegsende nutzten die US-Streitkräfte der Berlin Brigade das ehemalige Telefunkenwerk bis 1994 als Kaserne McNair Barracks. Die Gebäude wurden nach dem Jahr 2000 zum Großteil zu Wohnungen umgestaltet.
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die viergeschossigen Hauptgebäude sind in Stahlskelettbauweise errichtet und mit Flachdach versehen. Die Hauptgebäude gruppieren sich um offene Höfe. Daneben befinden sich ein- bis zweigeschossige Nebengebäude. Die Fassaden sind verputzt und kaum verziert. Ein markanter neungeschossiger quadratischer Uhrturm, ebenfalls mit Flachdach, befindet sich an der nordöstlichen Ecke der Anlage.[1] Der Turm schließt sich an den ursprünglichen Verwaltungstrakt an. An dessen Stirnseite befindet sich ein figürliches Relief mit einer Allegorie über die Nutzung der Elektrotechnik durch die Menschheit.[2]
Bei der Renovierung ab 2010 wurde in den Hauptgebäuden eine Geschossaufstockung vorgenommen. Es entstanden Staffelgeschosse mit Dachterrassen.[3] Auch wurde teilweise eine Außendämmung angebracht (in der Regel genehmigen Denkmalbehörden nur Innendämmung) und die alten Fassaden nachgebildet.[4]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Architekt Hans Hertlein, Leiter des Bauwesens der Siemens & Halske AG, legte 1937 den Bauentwurf vor. Siemens hielt bis 1941 einen 50-prozentigen Anteil an der Telefunken-Gesellschaft. Zur selben Zeit plante Hertlein für den Siemens-Konzern das Luftfahrtgerätewerk Hakenfelde (LGW) an der Streitstraße in Hakenfelde, das mit seinem Uhrturm die gleiche architektonische Handschrift zeigt.
Das Telefunken-Areal wurde 1938 angekauft, 1939 konnten die ersten Teile bezogen werden und 1940 wurden auch die kleineren Nebengebäude fertiggestellt.[1] Auf dem Areal wurden Entwicklungs- und Produktionsstätten sowie der Sitz angesiedelt.[5] Entwickelt und produziert wurden hauptsächlich Elektronenröhren und Funkanlagen.[1] Während des Zweiten Weltkrieges wurden Teile des Unternehmens zum Schutz ausgelagert.[6] Etwa zehn Prozent des Werkes wurde durch Kampfhandlungen zerstört.[7] Das beschädigte, aber funktionsfähige Werk wurde vollständig als Reparationsleistung demontiert.[8] Häftlinge des KZ-Außenlagers Lichterfelde mussten hier Zwangsarbeit verrichten.[9]
Nach der kurzen Besetzung durch Truppen der Roten Armee zwischen April und Ende Juni 1945 wurde der Gebäudekomplex als McNair-Barracks, neben den Andrews Barracks und den Roosevelt Barracks (Gardeschützenkaserne), zur dritten großen US-Kaserne der Berlin Brigade ausgebaut. Der zerstörte Mitteltrakt wurde vereinfacht wieder aufgebaut.[2] Benannt wurde die Kaserne nach dem US-amerikanischen General Lesley J. McNair. Neben den Unterkünften der Soldaten waren am Standort Ausbildungseinrichtungen, Offizierskasinos bzw. Mannschaftsheime, Turnhallen, Bäckerei, Bibliothek, mehrere Läden sowie ein Kino untergebracht.[1] Zeitweise waren bis 2300 Soldaten in der Kaserne stationiert.[10] Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 und dem darauf folgenden Abzug der US-Streitkräfte wurde das Gelände 1994 der Stadt Berlin übergeben.[1]
Seit 1993 befand sich auf dem Gelände das McNair Museum. Es dokumentierte die vielfältige Geschichte der zivilen Angestellten, die bei den drei westlichen Alliierten beschäftigt waren.[11] 1995 wurde das 60.000 Quadratmeter große Bauensemble unter Denkmalschutz gestellt. Nach dem Flughafen Tempelhof ist es das zweitgrößte Denkmal Berlins.[12]
Die einzelne Gebäude wurden an verschiedene Investoren verkauft[1] und sind zu Loftwohnungen, Penthäusern und Maisonetten umfunktioniert worden. Auch Einrichtungen wie die Phorms-Schule zogen in renovierte Gebäude ein.[13] Die verschiedenen Bauabschnitte für Wohnraum waren Lesley-Lofts, Loftland und Monroe-Park.[14] Die Lesley-Lofts sind nach Lesley J. McNair, dem Namensgeber der früheren Kaserne, benannt. Der Monroe-Park erinnert hingegen an die US-amerikanische Schauspielerin Marilyn Monroe und spielt damit auf die Mittelpromenade der ehemaligen Kaserne an, die nach dem Regisseur Billy Wilder benannt ist.[12] Der Monroe Park wurde von dem Architekten Sergei Tchoban geplant[13] und konnte erst mit einer vierjährigen Verspätung ausgeführt werden, da der Investor Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmelden musste.[4]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag in der Denkmaldatenbank der Stadt Berlin [10]
- Bilder des Werkes aus den 1930er Jahren auf mcnair-barracks.berlin-brigade.com
- McNair Museum
- Fotos bei Geograph (Projekt) [11]
- Schreiben des Bezirksbürgermeisters von Steglitz-Zehlendorf
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erdmann Thiele (Hrsg.): Telefunken nach 100 Jahren: das Erbe einer deutschen Weltmarke. Nicolai Verlag, 2003, ISBN 978-3-87584-961-5.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f Senatsverwaltung für Kultur und Europa: McNair Barracks – Hauptquartier der Berlin Brigade — ( des vom 27. Dezember 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b Matthias Donath: Architektur in Berlin 1933–1945: ein Stadtführer, Lukas Verlag, 2004, ISBN 978-3-936872-26-2, S. 167 [1]
- ↑ Bis 2012 entsteht der Monroe-Park in Lichterfelde. In: Berliner Morgenpost, 29. April 2009 [2]
- ↑ a b Ralf Schönball: Steglitz Verspäteter Baustart für Monroe-Park. In: Der Tagesspiegel, 30. September 2010, [3]
- ↑ Thiele: Telefunken nach 100 Jahren, 2003, S. 31
- ↑ Günter Schlusche: Stadtentwicklung im doppelten Berlin: Zeitgenossenschaften und Erinnerungsorte, Ch. Links Verlag, 2014, ISBN 978-3-86153-810-3, S. 256 [4]
- ↑ Telefunken GmbH: Festschrift zum 50 jährigen Jubiläum der Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H., Gleichzeitig als 100. Ausgabe der Telefunken-Zeitung, in: Telefunken-Zeitung, 26. Jg., Nr. 100, Mai 1953, S. 211–212 (auf nvhrbiblio.nl online PDF; 13,9 MB)
- ↑ Thiele: Telefunken nach 100 Jahren, 2003, S. 40.
- ↑ Karla Rabe: Initiative plant Dokumentation zum KZ-Außenlager. Berliner Woche, 4. November 2013, abgerufen am 18. Mai 2024.
- ↑ Simon Duke, Stockholm International Peace Research Institute: United States Military Forces and Installations in Europe, Oxford University Press, 1989, ISBN 978-0-19-829132-9, S. 100, [5]
- ↑ [6]
- ↑ a b Claudia Fuchs: Aus der Kaserne der Amerikaner werden Wohnungen. In: Berliner Zeitung, 19. September 2007 [7]
- ↑ a b Senatsverwaltung für Kultur und Europa: Tag des offenen Denkmals 2009: Ehem. Telefunken-Werke [8]
- ↑ Christian Hunziker: Die Lücken füllen sich. In: Der Tagesspiegel, 21. April 2012 [9]
Koordinaten: 52° 25′ 12″ N, 13° 17′ 8″ O