Manuskript

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Musikhandschrift)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Der Heiligen Leben Winterteil, Seite aus einer Handschrift aus dem Benediktinerstift Weihenstephan, vermutlich um 1475

Unter Manuskript oder Handschrift versteht man in der Bibliothekswissenschaft oder Editionsphilologie handgeschriebene Bücher, Briefe oder andere Publikationsformen (von lateinisch manu scriptum ‚von Hand Geschriebenes‘; Abkürzung: Ms., Mehrzahl Mss.).

Im engeren Sinne versteht man darunter durch manuelles Schreiben mit Tinte oder anderen Farbmitteln auf Papyrus, Palmblättern, Birkenrinde[1][2], Pergament, Holzbrettchen oder Papier gebrachte Werke.

Eher umgangssprachlich werden heute auch maschinenschriftliche Druckvorlagen (eigentlich: Typoskripte bzw. Maschinenmanuskripte[3]) als Manuskript bezeichnet.

Wenn Fernseh- und Radiobeiträge in gedruckter Form zur Verfügung gestellt oder zum Herunterladen im Internet angeboten werden, spricht man von einem Sendemanuskript.

Die europäische Produktion von Manuskripten stieg im Hoch- und Spätmittelalter steil an (geschätzte Zahlen).[4]

Die Literatur der Antike und des Mittelalters ist fast ausschließlich handschriftlich auf Papyrus, Pergament und Papier überliefert.

Texte des Mittelalters sind oft in Sammelhandschriften zusammengefasst. Die Vorstellung vom Einzelbuch als typische Existenzform eines „Werkes“ als Monographie existierte in der heutigen Form noch nicht. Der Kodex war eine materielle Aufbewahrungs- und Schmuckform von diversem Geschriebenem. Zuweilen war es wohl auch das Bestreben der Besitzer solcher Codices, das Material oder „Wissen“ zu einem bestimmten Gegenstand oder Thema (z. B. höfische Ritterliteratur) möglichst vollständig zu versammeln. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Ambraser Heldenbuch vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Ein Beispiel aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist die Sammelhandschrift mit der Signatur Ms. germ. quart. 284 der Staatsbibliothek zu Berlin, die unter anderem zwei Texte des Tristan-Stoffes überliefert: Den Tristan des Dichters Gottfried von Straßburg und Ulrichs von Türheim Tristanfortsetzung.[5] Die Buchwissenschaft und die Kodikologie erforschen die verschiedenen konzeptionellen oder zufälligen Anlageprinzipien von Mischhandschriften und Sammelhandschriften.

Bis zur Erfindung des Buchdrucks waren Handschriften die einzige Form schriftlicher Publikation, das heißt, die Texte mussten abgeschrieben werden, um sie zu verbreiten. Dies galt vom Auftauchen der Schrift bis zur Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg um 1450, also für mehr als drei Jahrtausende. Bedenkt man die Zufälle des Geschichtsverlaufes, des materiellen und des geistigen, und die Gefährdung alles Geschriebenen durch die Jahrhunderte, so ist es gemäß Martin Bodmer erstaunlich, dass nicht mehr verloren gegangen ist.[6] Trotz Bedrohung durch Naturgewalten und Menschenwerk konnten die größten geistigen Schätze bewahrt bleiben, wenn auch auf Umwegen: Anders wäre die Rettung antiken Schrifttums durch so heterogene Mittelsleute wie es die arabischen Gelehrten und die christlichen Mönche sind, nicht zu erklären. Ihre Abschriften haben uns allerdings von den Originaltexten immer weiter entfernt, und es bedarf der textkritischen Forschung, um aus allen erfassbaren Fragmenten den ursprünglichen Wortlaut wieder herzustellen oder zu sichern. Auch dann noch ist die älteste Abschrift oft Jahrhunderte vom Autor entfernt und manchmal auch nur als Übersetzung aus der ursprünglichen Sprache erhalten. Die Erforschung der Verbreitungswege eines Textes ist die Aufgabe der Textüberlieferung.[7]

Manuskripte lassen vielfältige Rückschlüsse auf den Entstehungsprozess und die Authentizität eines Textes zu, wenn etwa Passagen gestrichen und neu formuliert oder nachträglich eingefügt wurden. Die moderne Texterstellung am Computer hinterlässt hingegen oft nur das fertige Schriftstück als „sprachloses Dokument“.[8]

Berühmte Handschriften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Codex Manesse

(chronologisch sortiert)

(chronologisch sortiert)

„Die Philosophie thront inmitten der Sieben Freien Künste“ – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg, 12. Jahrhundert

Wissenschaftlich

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Standard-Manuskripte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verlage und Zeitungen haben im 20. Jahrhundert regelmäßig Vorgaben für die Gestaltung von Typoskripten gemacht. Eine solche Standard-Manuskriptseite oder Normseite hatte zum Beispiel 30 Zeilen mit je 60 Anschlägen.

  • Handschrift. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 8, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 114.
  • Lonni Bahmer: Redemanuskript. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Darmstadt: WBG 1992ff., Bd. 10 (2011), Sp. 1029–1039 (behandelt auch das Typoskript).
  • Peter Jörg Becker, Eef Overgaauw (Hrsg.): Aderlass und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln. Mainz 2003
  • Martin Bodmer (Hrsg.): Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. Atlantis Verlag, Zürich 1961–1964, 2 Bände, davon Band 1: Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen, Überlieferungsgeschichte der antiken Literatur, von Herbert Hunger u. a.; Band 2: Überlieferungsgeschichte der mittelalterlichen Literatur, von Karl Langosch u. a.; 623+843 Seiten, ill.
  • Jörg Döring, Jürgen Wolf: Manuskript / Autograph / Typoskript. In: Natalie Binczek, Till Dembeck, Jörgen Schäfer (Hrsg.): Medien der Literatur. De Gruyter, Berlin / Boston 2014, ISBN 978-311-020493-3, S. 411–423.
  • Hella Frühmorgen-Voss, Norbert H. Ott: Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters. Band 1. München 1986–1987.
  • Joachim Kirchner: Germanistische Handschriftenpraxis: Ein Lehrbuch für die Studierenden der Deutschen Philologie. C. H. Beck, München 1950; 2. Auflage ebenda 1967.
  • Lotte Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften (= Kataloge des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Die Handschriften des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. 1). 2 Bände. Wiesbaden 1974–1980.
Commons: Manuskripte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Handschriftenverzeichnis – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Manuskript – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Rezension zu: Pia Brancaccio, Kurt Behrendt: Gandharan Buddhism: Archaeology, Art, and Texts. (PDF).
  2. The British Library Kharosthi Fragments; Richard Salomon; washington.edu
  3. Richard Sperl: Erkenntniswert und Erkenntnisgrenzen der Materialität der Textzeugen bei der Edition wissenschaftlicher Texte. Am Beispiel der Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: Martin Schubert (Hrsg.): Materialität in der Editionswissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2010, ISBN 978-3-11-023130-4, S. 193–208, hier: S. 193.
  4. Eltjo Buringh, Jan Luiten van Zanden: Charting the „Rise of the West“: Manuscripts and Printed Books in Europe. A Long-Term Perspective from the Sixth through Eighteenth Centuries. In: The Journal of Economic History, Bd. 69, Nr. 2 (2009), S. 409–445 (416, Tafel 1)
  5. Eine vollständige Übersicht aller in der Handschrift enthaltenen Texte bietet der Eintrag im Handschriftencensus; ausführlicher zu Provenienz und Textprogramm: Renate Schipke: Gottfried von Straßburg: Tristan u. a., in: Aderlaß und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln, hg. von Peter Jörg Becker und Eef Overgaauw (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge N.F. 48), Mainz 2003, S. 70–73 (Nr. 28).
  6. Martin Bodmer im Vorwort zu Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, hrsg. von Martin Bodmer; Atlantis Verlag, Zürich 1961–1964, Band 1, S. 17–24
  7. Martin Bodmer im Vorwort zu Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, hrsg. von Martin Bodmer; Atlantis Verlag, Zürich 1961–1964, Band 1, S. 17–24
  8. Walter Rösner-Kraus: Rückzug des Manuskripts. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013 (2014), S. 551.