Nachbargruppenbeteiligung

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Nachbargruppenbeteiligung, auch anchimere Unterstützung (von griechisch ἀγχί, benachbart; μέρος, Teil), ist in der organischen Chemie eine bei intramolekularen Reaktionen beobachtbarer Effekt. Dabei hat eine nachbarständige funktionelle Gruppe einen beschleunigenden Einfluss auf Substitutionsreaktionen.[1]

Bei nukleophilen Substitutionsreaktionen, insbesondere bei Solvolysen, ist zu beobachten, dass bestimmte β-ständige Gruppen die Reaktionsgeschwindigkeit – verglichen mit der unsubstituierten Verbindung – deutlich erhöhen.[2] In dem beispielhaft abgebildeten β-Chlordialkylsulfid ist die RS-Gruppe der die Substitution beschleunigende Substituent:

Nachbargruppenbeteiligung
Nachbargruppenbeteiligung

Die RS-Gruppe beschleunigt solche Reaktionen am stärksten. In der folgenden Reihe nimmt die Nachbargruppenbeteiligung der β-ständigen Gruppen ab: RS > R(O)CO > I > R2N > Br > C6H5 > RO > Cl.

α-ständige Carboxy-Gruppen und Carboxylat-Anionen üben ebenfalls einen Nachbargruppeneffekt aus, z. B. bei der Hydrolyse von α-Bromcarbonsäuren. Durch die Nachbargruppenbeteiligung verläuft die Hydrolyse von enantiomerenreinen α-Bromcarbonsäuren unter Konfigurationserhalt (Retention):

Nachbargruppenbeteiligung
Nachbargruppenbeteiligung

Andere stereoselektiv ablaufende Nachbargruppenbeteiligungen sind besonders gut untersucht in der Kohlenhydrat-Chemie.[3]

Einzelnachweise

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  1. Jonathan Clayden, Nick Greeves, Stuart Warren: Organische Chemie, Springer Spektrum, 2013, 2. Auflage, S. 1022. ISBN 978-3-642-34715-3.
  2. Siegfried Hauptmann: Organische Chemie, 2. durchgesehene Auflage, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1985, S. 185–186, ISBN 3-342-00280-8.
  3. Joachim Buddrus, Bernd Schmidt: Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, de Gruyter Verlag, Berlin, 2015, S. 768–769, ISBN 978-3-11-030559-3.