Nacionālā apvienība „Visu Latvijai!“ – „Tēvzemei un Brīvībai/LNNK“

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Nacionālā apvienība)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Nacionālā apvienība
Nationale Vereinigung
Gaidis Bērziņš
Partei­vorsitzende Ilze Indriksone
Gründung 23. Juli 2011
Hauptsitz Torņa iela 4 – 1B, 2.stāvs
Riga, LV-1050
Ausrichtung Nationalkonservatismus
Rechtskonservatismus
Wirtschaftsliberalismus
Rechtspopulismus[1]
Rechtsextremismus[1][2]
Farbe(n) Dunkelrot, Gold
Jugendorganisation Nacionālās apvienības jauniešu organizācija
Zeitung Nacionālā Neatkarība
Sitze Saeima
13 / 100 (13 %)
(Wahl 2022)
Sitze EU-Parlament
2 / 9 (22,2 %)
Europapartei Partei Europäische Konservative und Reformer (EKR)
EP-Fraktion Europäische Konservative und Reformisten (EKR)
Website nacionalaapvieniba.lv

Nacionālā apvienība „Visu Latvijai!“ – „Tēvzemei un Brīvībai/LNNK“ (deutsch Nationale Vereinigung „Alles für Lettland“ – „Für Vaterland und Freiheit/Lettische Nationale Unabhängigkeitsbewegung“; kurz Nacionālā apvienība, NA oder VL-TB/LNNK) ist eine rechts-konservative,[3] teils als rechtspopulistisch[4][5] bis rechtsextrem[1][2] bewertete politische Partei in Lettland, die sich am 23. Juli 2011 aus zwei Vorgängerparteien bildete. Bereits 2010 waren die rechtsextreme[6] Partei Visu Latvijai! („Alles für Lettland!“) und die gemäßigtere, nationalkonservative Tēvzemei un Brīvībai/LNNK („Für Vaterland und Freiheit“) in einem Wahlbündnis zu den lettischen Parlamentswahlen angetreten.

Auf europäischer Ebene ist die NA Mitglied der Europäischen Konservativen und Reformisten und entsendet zwei Abgeordnete in das Europäische Parlament.

Visu Latvijai wurde im Jahr 2000 als nationalistische Jugendbewegung vom damaligen Studenten Raivis Dzintars gegründet und fiel vor allem durch Aufmärsche und Straßenaktionen auf. 2002 plante die Organisation kurzzeitig, sich mit anderen nationalistischen Jugendgruppierungen zu vereinigen und auf einer gemeinsamen Liste zur Parlamentswahl anzutreten. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch daran, dass die Vorsitzenden keine gemeinsame Linie finden konnten. Am 10. Dezember 2002 wurde Visu Latvijai! als allen Generationen offenstehender Verband neugegründet. Aus den folgenden Jahren stammen verschiedene Traditionen, denen die Partei heute noch folgt, unter anderem der alljährliche Aufmarsch vor dem Freiheitsdenkmal in Riga.[7] Am 14. Januar 2006 wurde die Organisation als politische Partei neugegründet.[8] Bei der Wahl zur 9. Saeima 2006 erhielt die Partei 1,48 % der Wählerstimmen.[9] Verhandlungen über einen Beitritt von Visu Latvijai! und Tēvzemei un Brīvībai/LNNK zum Wahlbündnis Vienotība kamen zu keinem Abschluss, sodass die Partei nur zusammen mit Tēvzemei un Brivibai zu der Parlamentswahl 2010 antrat. Bei einem Stimmenanteil von 7,67 % erhielt das Wahlbündnis mit ihrem Spitzenkandidaten Roberts Zīlis acht Sitze in der 10. Saeima.[10] Dabei wurden sechs der acht Sitze durch Vertreter von Visu Latvijai! belegt.

Nacionālā apvienība „Visu Latvijai!“ – „Tēvzemei un Brīvībai/LNNK“

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 23. Juli 2011, dem Tag eines Referendums über die frühzeitige Auflösung des Parlaments, wurde auf einem Parteitag die Vereinigung der Partei VL mit TB/LNNK beschlossen. Als Vorsitzende wurden Gaidis Bērziņš und Raivis Dzintars gewählt. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl 2011 trat die NA als nationalistische und wirtschaftsliberale Partei an und konnte ihr Stimmergebnis fast verdoppeln. Sie erhielt 13,88 % der Wählerstimmen. Unter Ministerpräsident Valdis Dombrovskis wurde die NA Teil einer Koalitionsregierung mit der liberalkonservativen Vienotība sowie der Reformpartei und stellte zwei Minister.

Im Rahmen der Parlamentswahl 2014 zur 12. Saeima konnte die NA ihr Wahlergebnis abermals verbessern und erhielt 16,61 % der Stimmen und 17 Sitze. Daraufhin wurde sie, zusammen mit dem grünen Wahlbündnis Zaļo un Zemnieku savienība von Raimonds Vējonis, Teil der neuen Koalitionsregierung der liberalkonservativen Vienotība von Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma. Mit Dace Melbārde stellte sie die Kulturministerin, mit Kaspars Gerhards den Minister für Umwelt und regionale Entwicklung sowie mit Dzintars Rasnačs den Justizminister. In Folge des Rücktritts von Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma kam es zu einer Kabinettsumbildung. Ministerpräsident war seitdem Māris Kučinskis aus dem Bündnis der Grünen und Bauern. An der Postenzuweisung für die NA änderte die Kabinettsumbildung nichts.[11]

Bei der Parlamentswahl im Oktober 2018 gewann die Partei 13 der 100 Parlamentssitze.[12] Seit Januar 2019 ist sie Teil der Koalitionsregierung unter Krišjānis Kariņš. In dessen Kabinett stellte die NA zunächst zwei Minister: Dace Melbārde (Kultur) und Kaspars Gerhards (Landwirtschaft). Nach der Europawahl in Lettland 2019, bei der sie die Spitzenkandidatin ihrer Partei war, wechselte Dace Melbārde als eine von zwei gewählten Abgeordneten der NA nach Brüssel. Neuer Kulturminister wurde Nauris Puntulis. Nach dem Übertritt von Wirtschaftsminister Jānis Vitenbergs zur NA kam es zu einer Regierungskrise, an deren Ende die KPV LV, seine bisherige Partei, aus der Regierung ausgeschlossen wurde. Seit der daraus resultierenden Kabinettsumbildung vertraten zunächst Vitenbergs und später Ilze Indriksone die NA als deren dritter Minister am Kabinettstisch.

Die Parlamentswahl in Lettland 2022 brachte der Partei minimale Verluste und erneut 13 Abgeordnetenmandate. An der neuen Drei-Parteien-Regierung (Kabinett Kariņš II) ist die NA mit vier Ministern beteiligt (Wirtschaft: Ilze Indriksone, Verteidigung: Ināra Mūrniece, Kultur: Nauris Puntulis und Transport: Jānis Vitenbergs).

Inhaltliches Profil

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In ihrem Programm spricht sich die Partei familienpolitisch für ein höheres Kindergeld aus, für höhere Betreuungsgelder, freie Mahlzeiten an Schulen und stärkere Anreize dafür, mindestens drei Kinder zu zeugen. Ungleichheit in der Bevölkerung möchte sie mit deutlich erhöhten Steuerfreibeträgen und Kinderprämien begegnen. Wirtschaftspolitisch fordert sie finanzielle Unterstützung für unterentwickelte Regionen. Außerdem möchte sie Energieunabhängigkeit erlangen und weniger auf Importe aus dem Ausland angewiesen sein. Ausländern sollte es aus Sicht der NA erschwert werden, in Lettland Land zu erwerben. Auch möchte sie die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte verringern. Im Zusammenhang mit der lettischen Mitgliedschaft in der NATO fordert das Wahlprogramm eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf die vertraglich verpflichtenden 2 % des Bruttoinlandsprodukts. Bildungspolitisch setzt sie sich für den Erhalt des ländlichen Schulnetzes ein und möchte den Unterricht der lettischen Sprache auch in Schulen der russischen Minderheit verpflichtend machen. Die Einführung von Russisch (Muttersprache von 27,6 Prozent der Bevölkerung) als zweite Amtssprache lehnt die Partei ab. Stattdessen setzt sie sich dafür ein, an allen Schulen in Lettgallen das Erlernen des Lettgallischen zu ermöglichen. Sie fordert eine stärkere Kulturförderung und einen bezahlbaren Zugang zu Gesundheitsdiensten auch für Geringerverdienende.[13] Die Partei erkennt – im Gegensatz zu vielen rechten und rechtspopulistischen europäischen Parteien – die Tatsache des menschenverursachten Klimawandels an.[14]

Die Partei äußerte sich wiederholt kritisch gegenüber der Russischen Föderation und verlangt die Rückgabe des bis 1940 zu Lettland gehörenden, dann durch die Sowjetunion der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) zugeschlagenen Gebietes um die Stadt Pytalowo (lettisch Abrene).[7]

Kritik und Bewertung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während sich die NA selbst als „nationalkonservativ“ bezeichnet, wird sie von Kritikern als „rechtspopulistisch bis rechtsradikal“ beschrieben.[15] Am 16. März nimmt die Partei traditionell an der jährlichen Demonstration zum Gedenken an die Lettische Legion der Waffen-SS teil, bei der Veteranen der Lettischen Legion und ihre Unterstützer durch Riga marschieren. Auf ihrer Internetseite argumentiert die Partei, die lettischen SS-Verbände hätten nicht für Adolf Hitler oder das Deutsche Reich 1933 bis 1945 gekämpft, sondern ausschließlich gegen die sowjetische Besatzung.[16] Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass die Demonstranten teilweise mit offen zur Schau gestellten Hakenkreuzen aufmarschieren. Außerdem sei der „Marsch der Legionäre“ regelmäßig ein Anlaufpunkt für Rechtsextremisten und Neonazis aus ganz Europa.[17] Die strikte Weigerung einiger nationalkonservativer Parteien und Parteiflügel, mit den Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten, führte dazu, dass die zeitweise stimmenmäßig stärkste Kraft Lettlands noch nie Teil einer Regierung war.[18]

Ergebnisse bei den Parlamentswahlen
Jahr Stimmen Anteil Mandate Platz
2010 74.029 7,7 %
8/100
4.
2011 127.208 13,9 %
14/100
4.
2014 151.567 16,6 %
17/100
4.
2018 92.963 11,1 %
13/100
5.
2022 84.939 9,3 %
13/100
4.
Ergebnisse bei den Europawahlen
Jahr Stimmen Anteil Mandate Platz
2014 63.229 14,3 %
1/8
2.
2019 77.591 16,4 %
2/8
3.
2024 114.729 22,0 %
2/8
2.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Daunis Auers, Andres Kasekamp: Comparing Radical-Right Populism in Estonia and Latvia. In: Right-Wing Populism in Europe. Politics and Discourse. Bloomsbury, London 2013, ISBN 978-1-78093-245-3, S. 235–248, S. 235–236.
  2. a b Richard Martyn-Hemphill: Latvia Government Falls as Prime Minister Quits In: The New York Times, 7. Dezember 2015. Abgerufen am 13. November 2021 (amerikanisches Englisch). 
  3. Richard Stöss: Trade unions and right-wing extremism in Europe. 2017, ISBN 978-3-95861-836-7 (fes.de [PDF]).
  4. Robert Pausch: Populismus oder Extremismus? – Radikale Parteien in Europa. Die Zeit, 4. Februar 2015, abgerufen am 28. April 2017.
  5. Ruth Wodak: Right-Wing Populism in Europe: Politics and Discourse. A&C Black, 2013, S. 246.
  6. Niels Dehmel, Axel Reetz: Extremismus in Lettland. In: Extremismus in den EU-Staaten. VS Verlag, Wiesbaden 2011, S. 217–218.
  7. a b History of All for Latvia! (Visu Latvijai!) auf der Internetpräsenz der Partei, abgerufen am 3. Februar 2018.
  8. Nacionālās lietas nav «atdzisušas». In: Tageszeitung Latvijas avīze. 18. Januar 2006.
  9. Zentrale Wahlkommission: Wahlergebnisse 9. Saeima (Memento des Originals vom 28. Juli 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cvk.lv
  10. Zentrale Wahlkommission: Wahlergebnisse 10. Saeima (Memento des Originals vom 26. Mai 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cvk.lv
  11. Vēsture auf der Internetpräsenz der Partei, abgerufen am 3. Februar 2018.
  12. offizielle Ergebnisse der zentralen Wahlkommission
  13. Nacionālās apvienības mērķi Latvijas simtgadei auf der Internetpräsenz der Partei, abgerufen am 3. Februar 2018.
  14. Joshua Beer: Wie Rechtspopulisten den Klimaschutz bekämpfen. www.faz.net, 26. Februar 2019
  15. Europa extrem, Die Zeit vom 4. Februar 2015; abgerufen am 3. Februar 2018.
  16. Latvian Legion in The Light of Truth auf der Internetpräsenz der Partei, abgerufen am 3. Februar 2018.
  17. Lettland: Jubel für SS und Bundeswehr in Das Erste vom 17. März 2017; abgerufen am 3. Februar 2018.
  18. Neonazis regieren in Riga mit in Frankfurter Rundschau vom 26. Oktober 2011; abgerufen am 3. Februar 2018.