Nettokreditaufnahme

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Nettokreditaufnahme ist bei öffentlichen Haushalten die Differenz aus der Kreditaufnahme und den Tilgungen für Altkredite.

Beispiel Nettokreditaufnahme (adusted loans) privater Sektoren des Euro-Raumes im Zeitraum 2019–April 2024.
Kreditoren-Debitoren-Interdependenz hinsichtlich (Un-)Veränderungen der Geldmenge[1]

Die Bezeichnung Nettokreditaufnahme wird seltener im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aller Wirtschaftssubjekte (Privathaushalte, Unternehmen, Staatshaushalt Inland/Ausland) innerhalb einer (offenen) Volkswirtschaft[2] oder auch innerhalb nur eines einzelnen Sektors wie beispielsweise der privaten Betriebe einer Ökonomie verwendet.[3] Die Höhe der gesamtsektoralen Nettokreditaufnahme korreliert mit dem Geldangebot bzw. bedingt die Geldmenge (unter den Nichtbanken-Sektoren – siehe nebenstehende Tabelle).

Brutto- versus Nettokreditaufnahme

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Unter Bruttokreditaufnahme versteht man die Summe aller in einem Jahr aufgenommenen Kredite eines öffentlichen Haushalts. Die Nettokreditaufnahme ergibt sich aus der Bruttokreditaufnahme nach Abzug der in dem betreffenden Jahr geleisteten Tilgungen. Ökonomisch ist allein die Nettokreditaufnahme von Bedeutung und nur über sie wird in den Medien berichtet. Der Begriff Haushaltssaldo entspricht der Nettokreditaufnahme, hat jedoch das entgegengesetzte Vorzeichen. Synonym zu Nettokreditaufnahme wird der Begriff Nettoneuverschuldung verwendet.

Die Zentralbank ermittelt innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung die Einnahmen- wie Ausgabenüberschüsse (sektorale Finanzierungssalden) und die korrelierende Nettokreditaufnahme der Sektoren pro Kalenderjahr: Wenn für die Finanzierung eines Ausgabenüberschusses (Defizit) eines einzelnen Sektors nicht einzig Kreditaufnahmen, sondern zusätzlich monetäre Reserven (nicht verbrauchte Einnahmenüberschüsse aus Vorperioden des jeweiligen Sektors) genützt werden, ist die Nettokreditaufnahme geringer als das jeweilige Defizit (aus dem laufenden Geschäftsjahr) des jeweiligen Sektors („Innenfinanzierung“).[4] Scheinbar paradoxerweise erhöht jedoch die vermehrte Bildung monetärer Reserven des einen Sektors den Kreditbedarf der anderen.[5]

Finanzierungs- bzw. Kreditbedarf

Die Nettokreditaufnahme der Sektoren erhält im konjunkturellen Zusammenhang außerdem von der Kredit- wie Saldenmechanik besondere Beachtung. Aus der Nettokreditaufnahme (Nettoverbindlichkeiten) eines Sektors fließen anderen Sektoren Nettoforderungen zu.[6] Der Ausgabenverzicht der privaten Nichtunternehmer zum Zweck eigener Geldvermögenserhöhung hinterlässt eine Budgetlücke bei den Unternehmen,[7][8] weshalb Wolfgang Stützel auch darauf hinwies, dass, um eine Höherverschuldung des Unternehmenssektors mit dem Risiko verstärkter Konjunkturschwankungen zu vermeiden, mittels staatlicher Nettokreditaufnahme zu kompensieren[9] wesentlich sein kann.[10] Kann ein Exportüberschuss (Nettokreditaufnahme des Auslands) in geeigneter Höhe (Zahlungsbilanz) die gesamtwirtschaftliche Budgetlücke der inländischen Unternehmen ausgleichen oder entsparen die Privathaushalte (und verzichten zukünftig auf Einnahmeüberschüsse), entfällt selbstverständlich der Bedarf der Finanzierung aus der Nettokreditaufnahme des inländischen Staates.

Einzelnachweise

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  1. Frank Decker, Charles A.E. Goodhart (2021): Wilhelm Lautenbach’s credit mechanics – a precursor to the current money supply debate, S. 8.
  2. Dieter Brümmerhoff, Michael Grömling: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. 9. Auflage. München 2011, S. 26 (online auf: books.google.at)
  3. Klaus Rittenbruch, Makroökonomie, 11. Auflage. München 2000, S. 34 (online auf: books.google.at) (Memento des Originals vom 19. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/books.google.at
  4. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2013/14: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik. (PDF; 6,0 MB) S. 76:
    „Die deutlich gesunkene Nachfrage nach Unternehmenskrediten – insbesondere von großen Unternehmen – ist der Umfrage zufolge vor allem auf die Nutzung der Innenfinanzierung durch die Unternehmen zurückzuführen.“
  5. Heinz-Peter Spahn: Geldpolitik. Finanzmärkte, neue Makroökonomie und zinspolitische Strategien. 2. Auflage. München 2011, S. 73. (online auf: books.google.at)
  6. Wolfgang Stützel: Zum Einfluß der öffentlichen Verschuldung auf den Kapitalmarktzins. In: Staatsverschuldung Kontrovers. Köln 1981. S. 50–51:
    „Im Zuge jeder Erhöhung der staatlichen Nettokreditaufnahme, d. h. erhöhter staatlicher Ausgabenüberschüsse (verglichen mit dem vorangegangenen Zeitraum oder mit vorher bestehenden Plänen), erhöht sich also der Einnahmeüberschuß der Gesamtheit aller übrigen Wirtschaftssubjekte in genau dem gleichen Maße; bei einigen von ihnen spiegelt sich dies in Form höherer Einnahmeüberschüsse, bei anderen in Form niedrigerer Ausgabenüberschüsse wider.“
  7. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Tübingen 2011 (Nachdruck der 2. Auflage). S. 80:
    „Die Unternehmergewinne bleiben stets nur genau um jenen Betrag hinter dem Unternehmeraufwand für Konsum und Investition zurück, um den die Nichtunternehmer Einnahmeüberschüsse bilden.“
  8. Wilhelm Lautenbach (Hrsg. Wolfgang Stützel): Zins, Kredit und Produktion (PDF; 1,2 MB), Tübingen 1952, S. 48–49:
    „Geben die Nichtunternehmer das, was sie vereinnahmt haben, nicht ganz aus, sparen sie also, dann wächst das Kreditvolumen in dem Maße, in dem sie sparen von Termin zu Termin. Durch diese Ersparnisse beteiligen sich die Nichtunternehmer am Sozialvermögen. Der Kreditbedarf der Unternehmer entsteht hier also gerade dadurch, daß Nichtunternehmer sparen, einerlei, ob es Private sind oder ob es die öffentliche Hand ist, die Überschüsse hat.“
  9. Wilhelm Lautenbach: Kreditausweitung im Aufschwung. In: Wirtschaftskurve 1936. (PDF) S. 1:
    „Wenn der Staat in großem Stil Kredit nimmt, wird die ganze Kreditwirtschaft aufgelockert. Die Geld- und Kreditmärkte werden flüssig, die Unternehmer werden liquide, ihre Bankkredite nehmen ab, die Geschäftsdepositen steigen […].“
  10. Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. Ausgaben 27–52. Bonn 1981. S. 18. (online auf: books.google.at)