Neulateinische Philologie

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Die Neulateinische Philologie, auch: Lateinische Philologie der Neuzeit oder Neolatinistik, lateinisch philologia humanistica, ist die Wissenschaft, welche das humanistische Latein und die neulateinische Literatur zum Gegenstand hat.

Neulateinische Philologen oder Neolatinisten werden auch als Neulateiner bezeichnet. Diese Bezeichnung wird jedoch auch auf Personen angewandt, die in nachmittelalterlicher Zeit, d. h. seit der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Lateinisch schreiben und sprechen (siehe dazu: Latinitas viva).

Ihre Aufgabe ist es, auf der sprachwissenschaftlichen Seite, das Neulatein in seiner Rückwendung zum klassischen Latein wie in seiner Hinwendung zu seinen zeitgenössischen Funktionen zu erfassen, auf der literaturwissenschaftlichen Seite, die neulateinische Literatur vom Beginn der Neuzeit bis in die Gegenwart zu erfassen, zu erschließen, historisch und literaturhistorisch einzuordnen und zu interpretieren. Dabei steht die neulateinische Sprache und Literatur zunehmend in Konkurrenz, aber auch in Ergänzung und in Interaktion zu den verschiedenen Nationalsprachen. Es ist das Kommunikations- und Ausdrucksmittel der res publica litterarum, mithin eine lingua franca, andererseits bilden sich jedoch auch lokal und regional und auf der Zeitlinie verschiedene Epizentren neulateinischer Literatur aus, die miteinander in Kommunikation stehen.

Damit überschneidet sich die Neolatinistik mit der Renaissance-, Humanismus- und Frühneuzeitforschung, in der darüber hinaus die nationalsprachlichen Philologien, die Geschichtswissenschaft, die christlichen Theologien, die Judaistik, die Philosophie, die Medizingeschichte und so weiter sowie verschiedene Hilfswissenschaften zusammenkommen.

Die Geschichte der neulateinischen Philologie reicht bis in die Zeit ihrer Anfänge gegen Ende des 15. Jahrhunderts zurück. Als „founding father of modern neo-Latin studies“ ist jedoch Jozef IJsewijn anzusehen.[1] Er begründete 1966 das Seminarium Philologiae Humanisticae an der Universität Leuven, war einer der Ausrichter des ersten internationalen neulateinischen Kongresses im Jahr 1971 und legte mit seinem Companion maßgebliche Studien zur Erschließung der neulateinischen Literatur vor. Der zweite neulateinische Kongress fand 1973 in Amsterdam statt.

Institutionalisiert wurde die Neolatinistik in Deutschland erst in den 1960er-Jahren aus der Klassischen Philologie heraus. Dabei wurde die Neolatinistik in praktisch allen Fällen den bereits bestehenden Mittellateinischen Seminaren zugeschlagen. Die erste neulateinische Dissertation im deutschsprachigen Raum wurde im Juli 1962 von Paul Gerhard Schmidt in Göttingen unter dem Titel Supplemente lateinischer Prosa in der Neuzeit. Ein Überblick über Rekonstruktionsversuche zu lateinischen Autoren von der Renaissance bis zur Aufklärung eingereicht, die zweite von Hermann Wiegand 1984 in Heidelberg unter dem Titel Hodoeporica. Studien zur neulateinischen Reisedichtung des deutschen Kulturraumes im 16. Jahrhundert. Als Nestoren der neulateinischen Philologie gelten Walther Ludwig und Karl August Neuhausen, auch wenn ihre Dissertationen noch altphilologisch ausgerichtet waren.

Neulateinische Philologie wird aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge weiterhin häufig auch von klassischen Philologen und Vertretern der mittellateinischen Philologie betrieben, aufgrund von Überschneidungen mit verschiedenen Nationalliteraturen nicht selten auch von Germanisten oder entsprechenden nationalsprachlichen Philologien in Italien, den Niederlanden, Großbritannien (hier gilt Ian D. McFarlane als Begründer der Neo-latin studies), Frankreich, Belgien, Polen, Ungarn und anderen Ländern des neulateinischen Einflussbereichs.

Programmatische Literatur

  • Hans-Gert Roloff: Die Erschließung der neulateinischen Literatur und Europa. In: Trans–Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 3. Nr., März 1998, inst.at.
  • Walther Ludwig, Reinhold F. Glei, Jürgen Leonhardt: Klassische und neulateinische Philologie. Probleme und Perspektiven. In: Rheinisches Museum 146, 2003, 395–424, rhm.uni-koeln.de (PDF). Darin:
    • Walther Ludwig: Die neulateinische Revolution. In: Rheinisches Museum. 146, 2003, S. 395–407.
    • Reinhold F. Glei: „Under Construction“. Zur Implementierung neulateinischer Projektarbeit in die universitäre Lehre. In: Rheinisches Museum. 146, 2003, S. 407–415.
    • Jürgen Leonhardt: Was kommt nach der Revolution? Pragmatische Überlegungen zu den Aufgaben der Neulateinischen Philologie. In: Rheinisches Museum. 146, 2003, S. 415–424.
  • Walther Ludwig: Die neuzeitliche lateinische Literatur seit der Renaissance. In: Fritz Graf (Hrsg.), Einleitung in die lateinische Philologie. B.G. Teubner, Stuttgart und Leipzig 1997, S. 323–356.

Geschichte

  • Jozef IJsewijn: Neo-Latin: An Historical Survey, in: Helios 14.2, special issue: Latinitas: The Tradition and Teaching of Latin, 1987, 93—108; Nachdruck in: Humanisme i literatura neollatina. Edicio a carrec de Josep Lluís Barona. Universitat de València, 1996, 43–62, (online).

Enzyklopädie

Bibliographien

  • Jozef IJsewijn, Dirk Sacré: Companion to Neo-Latin Studies. Part II: Literary, linguistic, philological and editorial questions. Second entirely rewritten edition. Leuven-Louvain, Leuven UP 1998.
  • Jozef IJsewijn: Companion to Neo-Latin Studies. Part I: History and Diffusion of Neo-Latin Literature. Second entirely rewritten edition. Leuven-Louvain, Leuven UP/ Peeters Press Louvain 1990.
  • Jozef IJsewijn: Companion to Neo-Latin Studies. Amsterdam, New York, Oxford, North Holland Publishing Company 1977.
  • Dana F. Sutton: An Analytic Bibliography of On-Line Neo-Latin Texts (seit 1999), (online)
  • Marc van der Poel: Bibliographical Aid to the Study of Renaissance Latin Texts (online)

Zeitschriften

Publikationsreihen

  • Bibliotheca Neolatina, Peter Lang
  • Die neulateinische Bibliothek. Artes Renascentes – Series Germanica, Holzhausen, Wien
  • Excerpta Classica, Diederichs
  • Humanistische Bibliothek, Wilhelm Fink
  • I Tatti Renaissance Library, Harvard University Press
  • NeoLatina, Gunter Narr, Tübingen
  • Noctes Neolatinae, Bonn
  • Travaux d’Humanisme et Renaissance, Droz, Genève

Gesellschaften, Institute, Forschungszentren

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Sonstige

Einzelnachweise

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  1. Erika Rummel, Milton Kooistra: Reformation Sources: The Letters of Wolfgang Capito and His Fellow Reformers in Alsace and Switzerland. Centre for Reformation and Renaissance Studies, Toronto 2007, S. 96 (books.google.com).