Nicotinamid

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Strukturformel
Strukturformel von Nicotinamid
Allgemeines
Trivialname Nicotinamid
Andere Namen
  • Nicotinsäureamid
  • Niacinamid
  • Pyridin-3-carbonsäureamid
  • Pyridin-3-carboxamid (IUPAC)
  • Vitamin PP (von Pellagra-Preventing)
Summenformel C6H6N2O
CAS-Nummer 98-92-0
PubChem 936
ATC-Code

A11HA01

DrugBank DB02701
Kurzbeschreibung weißes Pulver[2]
Vorkommen Leber, Muskeln von Säugetieren, Hefe, Milch, Getreidekeimlinge
Physiologie
Funktion Menschliches Antipellagra-Vitamin, Baustein der Coenzyme NADH und NADPH
Täglicher Bedarf 2–17 mg[3]
Folgen bei Mangel Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Rückgang körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Verstimmung, Verwirrungszustände, Gedächtnisstörungen, Zungenbrennen, Durchfall, Pellagra
Überdosis Bei Patienten, die täglich 3 g Nicotinamid über 3 bis 36 Monate einnahmen, wurden Übelkeit, Kopfschmerzen, Urtikaria, Müdigkeit, Gesichtsstarre und Adaptationsstörungen (Anpassungsstörungen) der Augen registriert. Nach sehr hohen Dosen (bis 9 g täglich) wurden Leberschädigungen (Hepatotoxizität, Ikterus und cholestatische Hepatitis) beobachtet.[4]
Eigenschaften
Molare Masse 122,12 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Dichte 1,4 g·cm−3 (20 °C)[2]
Schmelzpunkt
  • 126–128 °C (Polymorph I)[5]
  • 112–117 °C (Polymorph II)[5]
  • 107–111 °C (Polymorph III)[5]
  • 101–103 °C (Polymorph IV)[5]
Löslichkeit leicht in Wasser (691 g·l−1 bei 20 °C)[6]
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[6]

Achtung

H- und P-Sätze H: 319
P: 305+351+338[6]
Toxikologische Daten

3500 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Nicotinamid (auch Niacinamid und Nikotinsäureamid) ist das Amid der Nicotinsäure (Niacin, Vitamin B3). Es besitzt große biochemische Bedeutung als ein wichtiger Bestandteil der Koenzyme NAD+ und NADP+, welche zu einer reversiblen Wasserstoff-Bindung befähigt sind. Dabei wird der Pyridinring reduziert, wobei der Stickstoff seine positive Ladung verliert:

Nicotinamid ist ein Vitamer Niacins.[7]

Nicotinamid wird auf Basis von Acrolein und Ammoniak hergestellt. Diese reagieren zu β-Picolin, welches zu 3-Cyanpyridin (Nicotinsäurenitril) ammonoxidiert wird. Die Hydrolyse davon führt zu Nicotinamid.

Bei Menschen, die sich hauptsächlich von Hirse oder Mais ernähren, tritt häufig die Hautkrankheit Pellagra auf. Diese Krankheit ist auf unzureichende Zufuhr von Nicotinsäure, Nicotinamid oder deren biochemische Vorstufe L-Tryptophan zurückzuführen.[8] Deshalb wird Nicotinamid als Arzneistoff (Nicobion) eingesetzt.[9]

Nicotinamid wird klinisch zur Prävention oder Therapie in der Onkologie, insbesondere bei nicht-melanotischen Hautkrebsformen, erprobt.[10]

Es bestehen Hinweise auf eine Wirksamkeit gegen multiresistente Keime wie MRSA und Pseudomonas.[11][12]

Tierversuche an transgenen Mäusen zeigten, dass Nicotinamid den Verlust des Erinnerungsvermögens der Tiere verhindern konnte. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass es auch eine Rolle bei der Behandlung von Alzheimerpatienten spielen kann.[13] Am Fadenwurm Caenorhabditis elegans konnte durch Nahrungszugabe von Nicotinamid eine 10 % höhere Lebenserwartung beobachtet werden, die die beteiligten Forscher auf erhöhte Bindung freier Radikale und den zugehörigen verringerten oxidativen Stress zurückführten.[14]

In Kosmetikartikeln wie Haar- oder Hautpflegeprodukten soll Nicotinamid eine glättende Wirkung besitzen und Unregelmäßigkeiten der Hautoberfläche neutralisieren.[15] Nicotinamid regt die Synthese von Proteinen, Keratin und Ceramiden in der Haut an. Dies führt zu einem positiven Effekt auf Hauterkrankungen wie Akne und Rosazea und verringert die Hautalterung („Anti-Aging-Effekt“).[16] Früher wurde die Nikotinsäureamid-Kombination Dyspnoced als „Asthma-Pulver“ oder Inhalation zur Vorbeugung und Behandlung von Asthmaanfällen von der Firma Dr. Böwing angeboten.[17]

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu NIACINAMIDE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 26. Februar 2020.
  2. a b Datenblatt Nicotinamid bei Alfa Aesar, abgerufen am 14. April 2010 (Seite nicht mehr abrufbar).
  3. DGE: Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. D-A-CH Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE: Niacin.
  4. NICOTINSAEUREAMID 200 mg Jenapharm Tabl. (Memento vom 18. Dezember 2012 im Webarchiv archive.today) – Beschreibung
  5. a b c d Hino, T.; Ford, J.L.; Powell, M.L.: Assessment of nicotine amide polymorphs by differential scanning calorimetry in Thermochim. Acta 374 (2001) 85–92.
  6. a b c d Eintrag zu Nicotinamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 27. April 2017. (JavaScript erforderlich)
  7. F. Aguilar et al.: Inositol hexanicotinate (inositol hexaniacinate) as a source of niacin (vitamin B3) added for nutritional purposes in food supplements. (PDF) Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, 13. Februar 2009, abgerufen am 23. Januar 2023 (englisch).
  8. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich, 2006, ISBN 3-906390-29-2, S. 491.
  9. Siegfried Ebel und Hermann J. Roth (Herausgeber): Lexikon der Pharmazie, Thieme Verlag, 1987, ISBN 3-13-672201-9, S. 463.
  10. Ilias P. Nikas et al.: The Role of Nicotinamide in Cancer Chemoprevention and Therapy. In: Biomolecules. Band 10, Nr. 3, 20. März 2020, S. 477, doi:10.3390/biom10030477, PMID 32245130, PMC 7175378 (freier Volltext) – (englisch).
  11. P. Kyme et al.: C/EBPε mediates nicotinamide-enhanced clearance of Staphylococcus aureus in mice. In: J Clin Invest. 122. Jahrgang, Nr. 9, September 2012, S. 3316–29, doi:10.1172/JCI62070, PMID 22922257 (englisch).
  12. Vitamin B3: Neue Waffe gegen MRSA? In: Ärzte Zeitung. 20. September 2012, abgerufen am 17. Mai 2013.
  13. Kim N. Green et al.: Nicotinamide restores cognition in Alzheimer's disease transgenic mice via a mechanism involving sirtuin inhibition and selective reduction of Thr231-phosphotau. In: The Journal of Neuroscience: The Official Journal of the Society for Neuroscience. Band 28, Nr. 45, 5. November 2008, S. 11500–11510, doi:10.1523/JNEUROSCI.3203-08.2008, PMID 18987186, PMC 2617713 (freier Volltext) – (englisch).
  14. Kathrin Schmeisser et al.: Role of sirtuins in lifespan regulation is linked to methylation of nicotinamide. In: Nature Chemical Biology. Band 9, Nr. 11, November 2013, S. 693–700, doi:10.1038/nchembio.1352, PMID 24077178, PMC 4076143 (freier Volltext) – (englisch).
  15. Eintrag von Nicotinamid auf haut.de, abgerufen am 7. Oktober 2016.
  16. W. Gehring: Nicotinic acid/niacinamide and the skin. In: Journal of Cosmetic Dermatology. Band 3, Nr. 2, April 2004, S. 88–93, doi:10.1111/j.1473-2130.2004.00115.x, PMID 17147561 (englisch).
  17. Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. CXIX (Anzeige von Dr. Böwing – chemisch-pharmazeutische Präparate, Berlin-Grunewald).