Nuklearia
Nuklearia | |
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Rechtsform | Eingetragener Verein |
Gründung | 30. Oktober 2013 |
Sitz | Dortmund[1] |
Vorläufer | AG Nuklearia |
Zweck | Positive Sichtweise über die zivile Nutzung der Kernenergie im öffentlichen Diskurs etablieren.[2] |
Vorsitz | Rainer Klute |
Mitglieder | 622 (2024)[3] |
Website | nuklearia.de |
Nuklearia e. V. ist ein 2013 gegründeter, gemeinnütziger eingetragener Verein, der für die zivile Nutzung der Kernenergie wirbt. Sein Sitz ist in Dortmund.
Geschichte und Aktivitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vorläufer des Vereins war die Arbeitsgemeinschaft Nuklearia der Piratenpartei Deutschland.
Der Flyer der Arbeitsgemeinschaft Nuklearia mit dem Titel Wohin mit dem Atommüll?[4] zog eine Abmahnung der Bundespressestelle der Piratenpartei nach sich. Der Bundespressesprecher war der Ansicht, dass der Flyer bewusst den Eindruck erwecke, eine offizielle Position der Partei wiederzugeben, obwohl dieser direkt der Beschlusslage widersprach.[5][6] Die unter Strafandrohung geforderte Unterlassungserklärung wurde später von der Piratenpartei wieder zurückgezogen.[7][8]
Im Oktober 2013 beschlossen elf Gründungsmitglieder in Dortmund die Gründung eines parteiunabhängigen Vereins.[9] Die Arbeitsgruppe innerhalb der Piratenpartei blieb weiter bestehen, angestrebt wurden Nuklearia-Gruppen in anderen Parteien.[10]
Im Herbst 2018 wurde zusammen mit der europäischen Initiative Nuclear Pride Coalition die Veranstaltung Nuclear Pride Fest auf dem Münchner Marienplatz veranstaltet, bei der hunderte Menschen teilnahmen.[11]
Ende 2019 rief der Verein zu einer Demonstration anlässlich der Stilllegung des Kernkraftwerks Philippsburg 2 auf.[12] Die Demonstranten äußerten die Befürchtung, dass der von Philippsburg produzierte Strom zum Teil auch durch Kohlestrom ersetzt werde und dass dies dem Klimaschutz zuwider laufe.[13] Von September bis Oktober 2020 rief der Verein zu Demonstrationen an den Standorten der Kernkraftwerke Brokdorf, Emsland, Grohnde, Isar, Gundremmingen und Neckarwestheim auf.[14]
Im April 2022 reichten Vereinsmitglieder Verfassungsbeschwerde gegen das Atomgesetz ein. Die Beschwerdeführer bezeichneten den Atomausstieg unter anderem aufgrund verschärfter Anforderungen zum Klimaschutz als nicht mehr verfassungsgemäß.[15][16] Das Verfassungsgericht nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an.[17]
Anlässlich der Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke am 15. April 2023 veranstaltete der Verein eine Protestaktion am Brandenburger Tor. Die Zahl der Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern lag deutlich über einhundert und damit über der der benachbarten Gegenveranstaltung von Greenpeace mit dem ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin.[18][19]
Nuklearia ist steuerlich als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich nach eigenen Angaben ausschließlich über Mitgliedsbeiträge.[1]
Standpunkte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verein vertritt den Standpunkt von Kernenergie als sicherer, ressourcenschonender und CO2-armer Energiequelle. Er wirbt dementsprechend für den Weiterbetrieb und den Bau konventioneller Kernkraftwerke und möchte eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes erreichen, damit Bau und Betrieb von Kernkraftwerken in Deutschland wieder möglich werden.[10] Nuklearia argumentiert, es brauche „sowohl Kernenergie als auch erneuerbare Energien, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu ermöglichen“.[20]
Der Verein sieht in neuartigen Kernkraftwerken, insbesondere den Brutreaktoren, besondere Chancen und macht etwa für das Ende des Schnellen Brüters in Kalkar eine "Atompanik nach Tschernobyl" verantwortlich.[10][21]
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Journalistin Susanne Götze sieht den Verein als Teil der „Renaissance der Atomlobby“ und hält das Argument, wegen der Klimakrise müssten weiter Kernkraftwerke eingesetzt werden, für vorgeschoben. Sie verweist darauf, dass der Vorsitzende Rainer Klute als Experte für die AfD bei Anhörungen im Bundestag aufgetreten ist, obwohl die AfD den anthropogenen Klimawandel leugnet.[22][23] Der Volkswirt Erik Gawel und der Klimaforscher Jan Minx, der wesentlich am fünften Weltklimabericht mitgearbeitet hat, widersprechen der Argumentation von Nuklearia, wonach der Weiterbetrieb und Neubau von Atomkraftwerken eine sichere und ökonomisch sinnvolle Maßnahme gegen den Klimawandel sei. Ähnlich äußerten sich auch Scientists for Future und Greenpeace.[22][2][24] Nuklearia hatte Greenpeace bei einer Protestaktion vor dessen deutschem Hauptquartier beschuldigt, durch die Opposition zur Kernenergie eine Abkehr von fossilen Brennstoffen zu behindern.[25]
Unterstützung erhält Nuklearia durch den prominenten Klimaforscher James E. Hansen, der den deutschen Atomausstieg auf einer Veranstaltung des Vereins am Brandenburger Tor als „unverzeihlichen Fehler“ bezeichnete. In seinem vom Verein veröffentlichten Videoaufruf zur Demonstration forderte Hansen die deutsche Klimabewegung dazu auf, ihre ablehnende Haltung gegenüber der Kernenergie im Kampf gegen das Aussterben aufzugeben.[26][27][28]
Die Organisation IPPNW, die der Kernenergie ablehnend gegenübersteht, hält Nuklearia für einen „Atomindustrie-Verein, getarnt als unabhängige Bürgerinitiative“. Die IPPNW wirft Nuklearia „verharmlosende“ und dem Stand der Wissenschaft widersprechende Behauptungen hinsichtlich der Gefahren von Radioaktivität vor. Die AfD, die ebenfalls für die Atomkraft wirbt, habe sich „gemeinsam mit Nuklearia an die Spitze der Pro-Atom-Bewegung“ gesetzt.[29] Der Tagesspiegel sieht den Verein mit seinem Einsatz für den Erhalt der deutschen Kernkraftwerke an der Seite von CSU und FDP, während die Grünen durch solche Forderungen alarmiert seien.[30]
In der Kontext: Wochenzeitung wurde Nuklearia als ein Lobbyverein gesehen, der in Fachkreisen „keine wissenschaftliche Reputation“ genieße, dafür aber „von konservativen Medien […] oft als Kronzeuge“ für die Kernenergie angeführt werde.[31]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website des Vereins
- Gespräch mit Fabian Herrmann zur Gründung der Nuklearia in ColoRadio am 31. Oktober 2013.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Jörg Spreemann: Kernkraftwerke: Ist Atomstrom die Rettung vor dem Klimawandel? In: Nordkurier.de. 21. Januar 2020, abgerufen am 7. November 2021.
- ↑ a b Miriam Meyer: Atomkraft als "nachhaltige" Energiequelle? Welche Argumente die Befürworter anführen – und was die Gegner antworten. In: watson.de. Abgerufen am 6. November 2021.
- ↑ Nuklearia e. V.: Kontakt. Abgerufen am 17. November 2024.
- ↑ AG Nuklearia/Flyer/Wohin mit dem Atommüll ( vom 22. Dezember 2014 im Internet Archive), auf wiki.piratenpartei.de
- ↑ Achim Sawall: Folgt auf Pro-Atom-Piraten-AG eine Pro-Gema-Piraten-AG? In: Golem. 27. August 2012, abgerufen am 20. Januar 2021.
- ↑ Peter Mühlbauer: Piratenpartei mahnt Nuklearia ab. In: Telepolis. 25. August 2012, abgerufen am 20. Januar 2021.
- ↑ Peter Mühlbauer: "Hochemotional besetztes Thema mit religiösen Zügen". In: Telepolis. Abgerufen am 21. Oktober 2020.
- ↑ DPA: Gegen Arbeitsgruppe: Piratenpartei zieht Abmahnung zurück. In: Handelsblatt. Handelsblatt Media Group, 26. August 2012, abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Benjamin Reuter: Atomkraft, ja bitte: Warum einige Piraten für die Kernenergie kämpfen. In: Wirtschaftswoche. Handelsblatt Media Group, 19. September 2013, abgerufen am 25. Oktober 2020.
- ↑ a b c Nuklearia e. V.: Wir über uns. Abgerufen am 28. Februar 2021.
- ↑ Margit Hufnagel, Christina Heller, Detlef Drewes: Wie die Kernkraft zum Klimaretter werden soll. Abgerufen am 6. November 2021.
- ↑ DEWEZET: AKW-Befürworter planen Demo. Abgerufen am 25. Januar 2020.
- ↑ dpa/lsw: Demonstranten vor Ort: Atomkraftwerk Philippsburg wird abgeschaltet. In: Karlsruhe Insider. 30. Dezember 2019, abgerufen am 25. Oktober 2020 (deutsch).
- ↑ Atomkraft für Klimaschutz? Energiekonzerne sind von neuen Pro-AKW-Demos genervt. Abgerufen am 20. Januar 2021.
- ↑ Atomausstieg in Karlsruhe: Pro-Nuklear-Verein reicht Verfassungsbeschwerde ein. In: ka-news. 28. April 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022.
- ↑ Verein reicht Verfassungsbeschwerde gegen Atomausstieg ein. Abgerufen am 6. Januar 2023.
- ↑ Martin Reischke: Debatte über Atomstrom - Kernkraft als Klimaretter? In: Deutschlandfunk Kultur. 28. Juni 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022.
- ↑ Leon Holly: Atomausstieg: Vorbei, vorbei. In: Die Tageszeitung: taz. 16. April 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 30. April 2023]).
- ↑ Salvador Martínez Mas: ‘Diálogo de sordos’ en la Puerta de Brandeburgo mientras se apagan las centrales nucleares alemanas. In: NIUS. 15. April 2023, abgerufen am 30. April 2023 (spanisch).
- ↑ America Hernandez: Climate change worries fuel nuclear dreams. In: Politico. 2. September 2021, abgerufen am 7. November 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Rainer Klute: „Atomkraft, ja bitte! Wie bitte?“ In: ZEIT. 2. Oktober 2019, abgerufen am 14. Dezember 2023.
- ↑ a b Susanne Götze: Klimakrise: Die Renaissance der Atomlobby. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 20. Januar 2021.
- ↑ Anhörung
- ↑ Svenja Beller: „Ein riskantes und teures Experiment“. In: Greenpeace Magazin. 13. November 2019, abgerufen am 7. November 2021.
- ↑ Michael Shellenberger: As Renewables Falter, Environmentalists Stand Up For Nuclear. In: Forbes. 9. September 2020, abgerufen am 22. August 2024 (englisch).
- ↑ Jörg Römer: James Hansen ist der unbequeme Prophet der Erderhitzung. In: Der Spiegel. 8. November 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 19. August 2024]).
- ↑ Florian Reiter: Brauchen wir das Kern-Comeback? „Die Atomkraft hat sich in Deutschland erledigt“. In: Focus Online. 12. Oktober 2021, abgerufen am 19. August 2024.
- ↑ Rainer Klute: Klimaforscher James Hansen: Atomausstieg beschleunigt Artensterben. In: Nuklearia. 11. November 2021, abgerufen am 19. August 2024.
- ↑ Alex Rosen: Atomenergie ist keine Antwort auf den Klimawandel. In: INNPW. 12. Januar 2020, abgerufen am 6. November 2021 (weiterführend: Radioaktive „Niedrigstrahlung“: Ein Blick auf die Fakten).
- ↑ Christian Schaudwet: Nuklearer Rückbau bis in die 2040er. In: Tagesspiegel. 14. April 2023, abgerufen am 7. Dezember 2023.
- ↑ Jürgen Lessat: Medienversagen in der Klimakrise: Nicht auf der Höhe der Zeit. In: Kontext: Wochenzeitung. Abgerufen am 10. November 2021 (deutsch).