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Hütchenspiel

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Hütchenspieler in Stockholm
Hütchenspieler in Berlin, Unter den Linden
Hütchenspieler in New York

Das Hütchenspiel (auch Nussschalenspiel) ist eine von kriminellen Banden betriebene Form des Trickbetrugs, der zum Schein als einfaches Geschicklichkeitsspiel präsentiert wird. Der Hütchenspieler verwendet drei „Hütchen“ (kleine Becher, Nussschalen o. Ä.) und platziert zu Beginn des Spiels demonstrativ ein kleines Objekt unter einem der Hütchen, etwa ein Schaumstoffkügelchen. Dann verschiebt er die drei Hütchen in einer Geschwindigkeit, die einem Mitspieler scheinbar die Möglichkeit lässt, die Verschiebungen zu verfolgen. Das Ziel ist, Passanten dazu zu bringen, eine Geldwette darauf einzugehen, dass sie das Objekt am Ende orten können und dadurch ihren Wetteinsatz erhöht zurückerhalten. In den meisten Fällen verliert der Wettende seinen Geldeinsatz.

Das Spiel ist als äußerst einträgliches, illegales Betrugsspiel bekannt und berüchtigt. Es wird weltweit in größeren Städten und Tourismuszentren auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen praktiziert, zum Beispiel in Fußgängerzonen, in Bahnhofszonen oder auf Flohmärkten. Eine wichtige Rolle spielen Komplizen des Spielers, die etwa neutrale Passanten mimen, Geld einsetzen, das Objekt korrekt orten und dann zum Schein unter Applaus ihren Gewinn erhalten.

Das Hütchenspiel wurde vermutlich von einem schon in der Antike bekannten, erstmals von Seneca (1–65) beschriebenen Taschenspielertrick inspiriert, bei dem mehrere Bälle oder Nüsse unter Bechern hin- und herwandern.[1] Dieses als Becherspiel bekannte klassische Kunststück diente damals wie heute zur Unterhaltung und gehört auch im 21. Jahrhundert zum Repertoire der Zauberkünstler. Es wird stets mit mehreren Kugeln ausgeführt und weist im Trickprinzip wie im Ablauf keine Gemeinsamkeiten mit dem Hütchenspiel auf.

Im deutschen Sprachraum wird das eigentliche Hütchenspiel als Betrugsspiel erstmals Ende des 16. Jahrhunderts genannt: Johann Fischart erwähnt in seiner Affentheurlich Naupengeheurlichen Geschichtklitterung die „Hütlinspieler“ in Zusammenhang mit anderen Betrügern.[2] 200 Jahre später vermerkt Johann Georg Krünitz in seiner Öconomischen Encyclopädie: „in aeltern polizeyverordnungen, wird den huetchenspielern nebst den riemenstechern und andern betriegern das land verbothen“.[3]

Im englischen Sprachraum wurde das Hütchenspiel erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in London beobachtet und beschrieben.[4]

Ablauf des Spiels

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Der Hütchenspieler stellt direkt auf dem Asphalt oder auf einer mobilen Unterlage, die beim Erscheinen der Polizei in Sekunden abgebaut werden kann, beispielsweise einem Pappkarton, drei gleichartige „Hütchen“ auf, häufig Pappbecher, halbierte Walnussschalen, Schubfächer von Streichholzschachteln o. Ä. Da diese Gegenstände wertlos sind und sich kaum eignen, eine Spur zu ihrem Besitzer zurückzuverfolgen, kann der Hütchenspieler sie im Notfall bei einer Flucht auch bedenkenlos zurücklassen.

Mit einem der Hütchen bedeckt der Spieler einen kleinen Gegenstand, etwa eine Stanniolkugel oder eine Erbse, und vertauscht dann mehrfach und mit einer gewissen Geschwindigkeit die Plätze der Hütchen untereinander. Anschließend wird ein Zuschauer animiert, einen zuvor festgelegten Betrag darauf zu setzen, dass er nach der letzten Verschiebung noch weiß, unter welchem der Hütchen sich der Gegenstand befindet. Hat der Mitspieler richtig getippt, erhält er seinen Einsatz vom Spielemacher verdoppelt zurück, ansonsten verliert er ihn.

Verwandt und in der Spielanlage gleichartig ist das ebenfalls betrügerische Kartenspiel Kümmelblättchen.

Betrugsstrategie

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Durch geschickte Inszenierung wird dem Opfer suggeriert, man könne aus dem Spiel als Sieger hervorgehen: Scheinbar handele es sich hier um ein reines Geschicklichkeitsspiel, dessen Gewinnchance von der Aufmerksamkeit des Zuschauers abhänge. Selbst wenn ein Mitspieler den Bewegungen nicht folgen kann, könne er wie im Glücksspiel die Position der Kugel richtig erraten, wobei die Chance die richtige Kugel zu treffen 1:3 sei, da der Mitspieler zwischen drei Hütchen zu wählen hat, von denen nur eines das richtige sein könne. Durch gleichzeitige Manipulation hat das Opfer aber faktisch gar keine Chance.

Die Psychologie des Hütchenspiels besteht darin, den Mitspieler in den Glauben zu versetzen, er könne die Kugelbewegung mit den Augen und seinem Verstand verfolgen. Potenziellen Opfern wird diese vermeintliche Gewinnaussicht – neben der Manipulation als solcher – durch eine Inszenierung suggeriert: Bei den „Demo-Runden“ werden die Hütchen ziemlich langsam verschoben, und man kann genau erkennen, wo die Kugel ist. Komplizen des Spielemachers bilden um diesen eine Menschentraube, damit Passanten, dem Herdentrieb folgend, stehenbleiben und neugierig werden. Je größer eine Gruppe ist, desto mehr Aufmerksamkeit erzielt sie von Passanten und erleichtert es dem Opfer, in der Anonymität der Masse dem Geschehen zunächst distanziert zu folgen. Entsprechende Banden umfassen bis zu 20 Personen.

Einzelne Komplizen spielen als Lockvogel scheinbar gegen den Spielemacher, „tippen“ die richtige Position des Objektes und kassieren dann zum Schein den Gewinn. Oder aber der Lockvogel „tippt“ bewusst falsch, obwohl die richtige Position des Objekts klar sichtbar war, damit sich die Zuschauer im überlegenen Gefühl des Besserwissers wiegen können. In beiden Fällen wird dem unbeteiligten Zuschauer dadurch eine reale Gewinnmöglichkeit vorgegaukelt. Schließlich arrangieren die Hütchenspieler für ihre Opfer regelmäßig kleine Glückssträhnen, indem sie sie absichtlich gewinnen lassen, um sie hierdurch zu höheren Einsätzen zu verleiten. Ferner animiert die Gruppe zu Einsätzen, indem sie den Mitspieler bei seinen anfänglichen Gewinnen mit entsprechenden Reaktionen für seine vermeintliche Leistung psychologisch belohnt und eine entsprechende Spielstimmung aufbaut.

Der Zuschauer braucht nicht einmal aktiv in das Spiel einzusteigen, sondern wird mitunter vom Lockvogel im Vorbeigehen um harmlose Hilfe gebeten, etwa mit der Hand das richtige Hütchen vor den Fingern des Hütchenspielers zu schützen, während er in seine Geldbörse greift. Auf diese Art wird der Zuschauer in das Spiel verwickelt, auch wenn gar keine Spielabsicht bestanden hat. Mit einfachen psychologischen Tricks bei gleichzeitiger sicherer Gewinnaussicht bringt der Lockvogel den Zuschauer dann schnell dazu, selbst Geld zu „zeigen“ und zu verlieren.

Beim eigentlichen Spiel kann der Hütchenspieler durch recht einfache Taschenspielertricks problemlos und ohne verdächtige Bewegungen die Kugel in jeder Phase des Spiels kontrollieren und ihre Position ändern. Er hat folgende Möglichkeiten:

  • Der Spieler zieht das Hütchen mit der Kugel kurz nach hinten und lässt die Kugel unter seine Hand rollen, dann drückt er sie mit dem Ringfinger und dem kleinen Finger gegen die Handfläche. Sobald er ein anderes Hütchen mit den anderen Fingern greift, lässt er die Kugel wieder los und zieht das neue Hütchen nach hinten über die Kugel. Die Hand verdeckt jeweils den Vorgang.[5] Alternativ kann die Kugel unmittelbar nach dem Verlassen des Hütchens zwischen Daumen und Ringfinger eingeklemmt werden.[6]
  • Der Spieler kann beim Verschieben die Kugel direkt unter ein anderes Hütchen rollen lassen, das den Vorgang vor dem Blick des Mitspielers verdeckt.
  • Der Spieler kann diese Tricks mehrfach hintereinander anwenden. Selbst wenn der Mitspieler am Ende das richtige Hütchen wählen sollte, kann das Hütchen auf diese Weise leer gezeigt werden.
  • Die Kugel befindet sich am Ende des Spiels in der Hand des Spielers. Nachdem der Mitspieler auf eines der Hütchen gezeigt hat, schiebt der Spieler sie unter ein anderes Hütchen.
  • Vertauschen, während der Mitspieler sich selbst etwa durch Hantieren mit seiner Geldbörse ablenkt.

Der Mitspieler hat also zu keinem Zeitpunkt eine Kontrolle über das Geschehen und ist deshalb meist ohne Chance. Die Möglichkeiten des Betrugs beschränken sich auch nicht auf die Tricks des Spielers. Im Fall eines richtig getippten Hütchens kann die ganze Bande die Flucht antreten – mit dem eingesetzten Geld. Mitunter ziehen Komplizen den Opfern die Geldbörse aus der Tasche oder reißen ihnen Geldscheine aus der Hand. Manchmal wird körperliche Gewalt eingesetzt, so dass es sich um Raub handelt.[7]

Organisation des Spiels

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Die Hütchenspieler sind häufig in mafiosen Banden organisiert, die dafür sorgen, dass keine fremden „Anbieter“ im jeweils beanspruchten Gebiet agieren können, und an die ein Großteil des Gewinns abzuführen ist. Neben dem eigentlichen Hütchenspieler und zum Schein mitspielenden oder anderweitig zum Mitspielen motivierenden Personen sind oft auch Personen beteiligt, die für das Warnen vor eventuell sich nähernden Polizei- oder Ordnungskräften oder für die Verwahrung des Geldes (da eine separate Person im Falle einer Kontrolle unauffälliger verschwinden kann als der Spieler) zuständig sind. Hütchenspielerbanden gelten als gewaltbereite Tätergruppen, die auf Protest und Aufklärungsversuche Dritter entsprechend reagieren. Manche Beteiligte halten Spieler auch – unter Umständen mit Gewalt – von der Einforderung zustehender Gewinne ab.

In Deutschland kann das Hütchenspiel als Betrug gewertet werden. Lange Zeit musste die Polizei die Trickhandlung im Einzelfall nachweisen können und hatte deshalb nur beschränkte Möglichkeiten zum Eingreifen. Aus Gründen der Praktikabilität wird daher oft nur ein Platzverweis ausgesprochen. Mittlerweile (2006) wird in der Rechtsprechung in Berlin bereits das Vortäuschen einer Gewinnchance beim Hütchenspiel als Betrug gewertet, der entsprechend kriminalistisch verfolgt werden kann.[8]

Seit 1. Oktober 2005 ist in Österreich das Hütchenspiel in der Bundeshauptstadt Wien als „verbotene Veranstaltung“ rechtswidrig.[9] In London dagegen wird es als Ordnungswidrigkeit eingestuft.

Der Fernsehsender RTL Plus erreichte Ende der 1980er Jahre mit der kurzen Hütchenspielshow Pronto Salvatore hohe Einschaltquoten.[10]

Commons: Hütchenspiel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hütchenspiel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. beschrieben bei Johann Beckmann: Beyträge zur Geschichte der Erfindungen. Band 4. Verlag Paul Gotthelf Kummer, Leipzig 1799, S. 75 f. (Online-Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DAqhaAAAAcAAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPA75~doppelseitig%3D~LT%3DOnline-Digitalisat~PUR%3D von Google Books; abgerufen am 27. April 2019.)
  2. schon in der Erstausgabe, noch unter etwas abweichendem Titel. Johann Fischart: Affenteurliche und Ungeheurliche Geschichtschrift [...], [Straßburg] 1575 [S. 17]. (Online-Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fdaten.digitale-sammlungen.de%2Fbsb00047235%2Fimage_19~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DOnline-Digitalisat~PUR%3D der Bayerischen Staatsbibliothek; abgerufen am 27. April 2019.)
  3. zitiert nach Deutsches Rechtswörterbuch (DRW), Eintrag Hütchenspieler bei Krünitz, 1783; abgerufen am 27. April 2019.
  4. Whaley, Bart. Encyclopedic Dictionary of Magic Jeff Busby Magic, Inc., 1989
  5. In diesem Video (1:50 Min.) demonstriert die Polizei Berlin diese Methode, siehe 1:12 bis 1:35.
  6. In diesem Video von Spiegel TV (5:32 Min.) demonstriert ein Zauberkünstler die Methode mit Daumen und Ringfinger, siehe 4:54 bis 5:04.
  7. Kriminalität in Berlin: Wie die Polizei Hütchenspieler in der City West jagt tagesspiegel.de, 26. September 2015.
  8. Hütchenspieler meiden, denn Gewinnchancen gibt es nicht Website der Stadt Berlin. Abgerufen am 17. August 2014.
  9. Zentrum für Glücksspielforschung bei der Universität Wien: Hütchenspieler müssen den Hut nehmen
  10. "Arrivederci Salvatore"! RTL trauert um Kult-Italiener aus den 80ern. In: stern.de. 26. November 2017, abgerufen am 17. Dezember 2021.