Ovariektomie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Ovariotomie)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zysten an entfernten Eierstöcken einer Hündin

Unter Ovarektomie oder Ovariektomie (Eierstockentfernung), auch Oophorektomie sowie Ovariotomie (eigentlich „Eierstockseinschnitt“) genannt, versteht man die operative Entfernung eines oder beider Eierstöcke (Ovarien) aufgrund von Erkrankungen wie Tumoren oder Ovarialzysten oder um die Hormonproduktion zu reduzieren (etwa bei Brustkrebs). Bei gutartigen Tumoren kommt eine Teilentfernung in Frage, ansonsten wird das/die Ovar/Ovarien komplett reseziert, unter Umständen auch mit Teilen des Eileiters (Salpingo-Oophorektomie). Wenn die Eierstöcke und die Gebärmutter (Uterus) entfernt werden, spricht man von Ovariohysterektomie.

Im Jahr 1724 hatte ein gewisser Houstoun mit Erfolg große Stücke eines Eierstocks entfernen können.[1] Die ersten bekanntgewordenen Ovarektomien erfolgten durch den amerikanischen Landarzt und Chirurgen Ephraim McDowell (1771–1830), der 1809 in Danville (Kentucky) einen etwa 10 Kilogramm schweren Eierstocktumor operativ entfernte und in Folge bis über mindestens drei weitere bis 1817 durchgeführte Ovarektomien bei Ovarialzysten oder Ovarialtumoren berichtete.[2][3] Er war somit der Erste, der erfolgreich eine Ovarektomie durchgeführt hatte.[4] Die Patientin Jane Todd Crawford hatte ihn zu dem Eingriff gedrängt und war dafür fast 100 km zu McDowell nach Danville geritten. Sie überlebte den Eingriff, der angeblich ohne Anästhetika erfolgte,[5] um 32 Jahre und starb 1842 mit 78 Jahren. Der Chirurg und Geburtshelfer Nathan Smith (1762–1829) führte 1821 eine Ovariotomie zur solitären Abtragung einer großen Ovarialzyste durch.[6] Die erste erfolgreiche Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken gelang 1863[7] dem Anatomen und Gynäkologen Eugène Koeberlé (1828–1915), der bis 1880 an der Clinique de la Toussaint in Straßburg tätig war.[8] Ab 1863 wurden auch in Ungarn (durch Ignaz Semmelweis und János Balassa)[9] und Spanien Ovariotomien durchgeführt; erstmals von Federico Rubio y Galí.[10] 1865 hatte auch der Chirurg Thomas Spencer Wells (1818–1897) schon 114 Ovariotomien[11] durchgeführt,[12] 1870 führte Sydney Jones im Sydney Infirmary, Australien, erfolgreich eine Ovariektomie Menschen durch.[13] und 1876 erfolgte durch Jakob Heinrich Hermann Schwartz erstmals unter aseptischen Kautelen eine Ovariotomie. Die erste Ovariektomie bei einer Patientin mit Brustkrebs wurde laut Martz am 15. Juni 1895 von George Thomas Beatson durchgeführt.[14]

Methoden der Ovariektomie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt verschiedene Operationsmethoden, mit denen die Eierstöcke gängigerweise entfernt werden.

Die Laparoskopie ist ein minimal-invasiver Eingriff, der durch einen kleinen Einschnitt innerhalb der Bauchdecke ausgeführt wird. Die operativen Risiken sind gegenüber anderen Operationsmethoden minimiert. In Studien mit Pferden[15] und Hunden hat sich herausgestellt, dass während des laparoskopischen Eingriffs die wenigsten Komplikationen während der Ovariektomie auftreten.[16]

Laparotomie bezeichnet die klassische Operationsmethode, bei welcher die Bauchdecke zur Entfernung der Eierstöcke geöffnet wird.

Bei der Kolpotomie erfolgt der Zugriff auf die Eierstöcke durch einen Einschnitt in der Scheide.

Folgen der Ovariektomie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beidseitige Entfernung der Eierstöcke stellt eine Kastration dar; die Fruchtbarkeit ist danach nicht mehr gegeben. Die Eierstöcke produzieren wichtige Sexualhormone, darunter Östrogen, Progesteron und Androgen. Diese Hormone wirken sich nicht nur auf die Fortpflanzungsfähigkeit aus, sondern steuern auch weitere physische und psychische Funktionen. Die beidseitige Entfernung der Eierstöcke und der daraus resultierende Hormonmangel kann zur Rückbildung der Scheidenwand und zu anderen körperlichen Beschwerden wie Schwindel, Migräne und Übelkeit führen. Zudem kann der Hormonmangel auch psychische Beschwerden wie veränderte Sinneswahrnehmungen und Empfindungen und eine Depression auslösen.

Nach einer Ovariektomie setzt die Menopause abrupt ein. Die Betroffenen leiden häufig an den typischen Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen, trockenen Schleimhäuten, Stimmungsschwankungen und Schlaflosigkeit. Um den körperlichen und seelischen Beschwerden nach einer Ovariektomie entgegenzuwirken, kann eine Hormonersatztherapie angewandt werden. Üblich ist eine Behandlung mit künstlichen Östrogenen und Progesteron oder Gestagenen.[17]

Bei Verbleib von Eierstockrestgewebe kann sich ein Ovarian-Remnant-Syndrom entwickeln.

Prophylaktische Ovariektomie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine prophylaktische Ovariektomie bei erhöhtem Risiko für gynäkologische Tumoren, etwa bei Mutationen der BRCA-Gene, wird kontrovers diskutiert. Die Gabe von künstlichen Hormonen kann die nach der Eierstockentfernung auftretenden Beschwerden zwar lindern, birgt aber auch das Risiko, hormonabhängige Tumoren entstehen zu lassen.[18]

  • Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München 2003, ISBN 3-437-15150-9.
  • T. R. Rebbeck et al.: Prophylactic oophorectomy in carriers of BRCA1 or BRCA2 mutations. In: New England Journal of Medicine. Band 346, Nr. 21, 23. Mai 2002, S. 1616–1622. PMID 12023993.
  • Peter Schneck: Ovariotomie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1085.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Georg Fischer: Chirurgie vor 100 Jahren. Historische Studie. [Gewidmet der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie]. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1876; Neudruck mit dem Untertitel Historische Studie über das 18. Jahrhundert aus dem Jahre 1876 und mit einem Vorwort von Rolf Winau: Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 1978, ISBN 3-540-08751-6, S. 546.
  2. Barbara I. Tshisuaka: McDowell, Ephraim. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 899 f.
  3. Ephraim McDowell: Three cases of exstirpation of diseased ovaria. In: Eclect. Repert. Analyt. Rev. Band 7, 1817, S. 242–244.
  4. I. M. Rutkow: Ephraim McDowell an the world’s first successful ovariotomy. In: Arch. Surg. Band 134, 1999, S. 902.
  5. August Schachner: Ephraim McDowell, “Father of ovariotomy” and founder of abdominal surgery. Lippincott, Philadelphia 1921, Textarchiv – Internet Archive. Die Operation an Crawford 1809 ist auf S. 66 f. geschildert.
  6. Nathan Smith: Case of ovarian dropsy, successfully removed by a surgical operation. In: American Medical Recorder, Band 5, 1822, S. 124–126.
  7. Eugène Koeberlé: Exstirpation de l’uterus et des ovaires. In: Gaz. méd. Strasbourg. Band 23, 1863, S. 101.
  8. Barbara I. Tshisuaka: Koeberlé, Eugène. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte.2005, S. 770.
  9. József Antall: Semmelweis und die ungarische medizinische Schule unter dem Aspekt diagnostischer Leistungen. In: Christa Habrich, Frank Marguth, Jörn Henning Wolf (Hrsg.) unter Mitarbeit von Renate Wittern: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe. Band 7/8), ISBN 3-87239-046-5, S. 297–308, hier: S. 304.
  10. G. Kispert: Über die Ovariotomie in Spanien von 1863–1885. In: Centralblatt für Gynäkologie. Band 10, Nr. 12, 20. März 1886, S. 177–178.
  11. Thomas Spencer Wells: Diseases of the Ovaries: their diagnosis and treatment. London 1865; 2. Auflage ebenda 1872.
  12. Bettina A. Bryan: Wells, Sir Thomas Spencer. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1471.
  13. John Garrett: Jones, Sir Philip Sydney (1836–1918), Australian Dictionary of Biography, 1972
  14. G. Martz: Die hormonale Therapie maligner Tumoren (= Heidelberger Taschenbücher. Band 41). Springer-Verlag, Heidelberg 1968.
  15. vetline.de
  16. vetline.de
  17. hormontherapie-wechseljahre.de
  18. W. G. Rossmanith auf kup.at (PDF; 427 kB).