Psychiatrische Klinik

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Eine psychiatrische Klinik, auch Nervenklinik, früher Heil- und Pflegeanstalt, Nervenheilanstalt oder Irrenanstalt, umgangssprachlich bzw. abwertend auch Klapsmühle, Klapse oder Irrenhaus, verkürzend auch „Psychiatrie“ genannt, ist ein spezialisiertes Krankenhaus zur Behandlung psychischer Störungen und psychosomatischer Erkrankungen. Dazu gehören Psychosen, schwere Depressionen mit Suizidalität, neurotische Störungen, Persönlichkeitsstörungen, affektive Störungsbilder, Störungen des Sozialverhaltens und Mischformen.

Der Begriff Heil- und Pflegeanstalt taucht nach der deutschen Reichsgründung in den 1870er Jahren auf. So z. B. in Dockenhuden, heute ein Teil von Hamburg-Blankenese. Dort wurde 1879 die Heil- und Pflegeanstalt am Baursberg durch Heinrich Rodehorst gebaut. Siehe dazu z. B. Quellen des Historikers Volker Detlef Heydorn und Adressbuch von Dockenhuden von 1889. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein wurden psychiatrische Kliniken als Nervenheilanstalt oder Irrenanstalt, vor allem umgangssprachlich auch als Irrenhaus,[1] bezeichnet. Johann Christian Reil empfahl 1803 für entsprechende Krankenhäuser die Namen „Pensionsanstalt für Nervenkranke“ oder „Hospital für psychische Curmethoden“.[2] Umgangssprachlich sind abwertende Begriffe wie Klapsmühle, Klapse, Irrenhaus, Irrenanstalt, geschlossene Abteilung oder nur Anstalt und Geschlossene gebräuchlich, in Österreich auch Narrenhaus oder Gugelhupf (nach dem Spitznamen des Wiener Narrenturms). Im übertragenen Sinne steht der Begriff auch heute noch als Synonym für Chaos und organisierte Unvernunft: „Das ist ja ein Irrenhaus“ oder „Hier geht es ja zu wie im Irrenhaus“.

Im – damals als vorbildlich geltenden – Hamburger Pesthof wurden die „Tobsüchtigen“ in wandschrankartigen „Tollkisten“ (hier im Hintergrund) eingesperrt und nur durch ein Guckloch mit Nahrung versorgt
Unter Verrückten (Buchillustration von 1710)
Francisco de Goya (1746–1828), Casa de Locos

Bevor es sachgemäß Heil- und Pflegeanstalten gab,[3] waren die „Narren“ und „Tollen“ jahrhundertelang unter menschenunwürdigen Bedingungen im Zuchthaus, Arbeitshaus oder Tollhaus untergebracht und verwahrt worden. In ganz Europa herrschte in der Zeit von 1650 bis 1800 eine Epoche der „Ausgrenzung der Unvernunft“, also all jener, die sich den Forderungen des Zeitalters der Vernunft entzogen: Bettler, Vagabunden, Arbeitslose, politisch Auffällige, Dirnen, mit „Lustseuchen“ Behaftete, Depressive sowie geisteskranke und behinderte Menschen. Sie alle wurden ohne Unterschied zusammen mit Sträflingen in einen gemeinsamen Raum gesperrt. Wer außerhalb der Grenzen der Vernunft, der Arbeit und des Anstandes stand, wurde aus der Gesellschaft verbannt.

Die Beaufsichtigung der „Irren“ geschah durch die „Irrenschließer“, die „Versorgung“ durch sogenannte „Zuchtmeister“ und durch Strafgefangene. Geisteskranke wurden früher häufig angekettet und mit Folterwerkzeugen gequält, weil man sie so „zur Vernunft bringen“ oder „von ihren Tollheiten heilen“ wollte. Von „Pflege“ konnte dabei gleichwohl keine Rede sein. Da Geisteskranke als unempfindlich gegenüber Hitze und Kälte, Hunger, Durst und Schmerzen galten, ließ man sie fast nackt, gab ihnen nur wenig Nahrung und Flüssigkeit. Häufig wurden die Geisteskranken gegen ein kleines Entgelt zur Schau gestellt, wie im Londoner Irrenhaus Bedlam (eine Verballhornung des Wortes „Bethlehem“).

Irrenhäuser und -anstalten

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Der Narrenturm im 9. Wiener Bezirk

Die Einrichtung von Irrenhäusern und Irrenanstalten war unter diesem Gesichtspunkt ein Fortschritt – aus den ausgegrenzten „Irren“ wurden Kranke bzw. Patienten mit einem Rechtsanspruch auf ärztliche Hilfe. Bereits seit 1559 bestand das Dolhuys in Haarlem. Als erstes Irrenhaus der Welt gilt der Narrenturm im Wiener AKH (1784). Maßstäbe setzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Pariser Arzt Philippe Pinel. Er nahm den Geisteskranken angeblich[4] die Ketten ab und führte sie an die frische Luft. Des Weiteren engagierte er sich für die Anerkennung der Psychiatrie als medizinisches Fachgebiet.

In Deutschland wurden wenig später ebenfalls Irrenhäuser und Irrenanstalten eingerichtet, zu einer Zeit, als der Begriff noch nicht seinen heutigen negativen Klang besaß und die deutschen Psychiater noch um die Anerkennung ihres Faches als eigenständige medizinische Disziplin kämpften. Heutzutage gilt der Begriff „Irrenhaus“ oder „Irrenanstalt“ als abwertend und diskriminierend, er wird nur noch umgangssprachlich anstelle von „psychiatrische Klinik“ verwendet.

Zur Rolle der psychiatrischen Kliniken in der Zeit des Nationalsozialismus[5] siehe Geschichte der Psychiatrie#Wissenschaftliche Psychiatrie bis 1945.

Formen, Trägerschaft, Organisation

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Im Bereich der Psychiatrie gibt es vollstationäre Einrichtungen der Bereiche Allgemeinpsychiatrie, Suchttherapie, Gerontopsychiatrie und forensische Psychiatrie mit jeweiligen offenen Therapiestationen, geschützten/geschlossenen Intensiv- oder Akutstationen (psychiatrische Notfallbehandlung bei Selbst- und Fremdgefährdung) und im forensischen Bereich mit Hochsicherheitsabteilungen (Maßregelvollzug psychisch kranker Straftäter), sowie Tageskliniken, psychiatrische Wohnheime und professionell betreute Wohngemeinschaften, psychiatrische Klinikambulanzen und vereinzelt auch den ambulanten psychiatrischen Pflegedienst. Von psychiatrischen Kliniken abzugrenzen sind psychosomatische Kliniken. Sie sind in der Regel internistische Krankenhäuser, die psychische Störungen als Mitverursacher körperlicher Krankheiten behandeln.

Die in Deutschland häufige organisatorische und räumliche Trennung von allgemeinen Krankenhäusern rührt neben den behandelten Krankheitsformen aus der historisch entstandenen unterschiedlichen Trägerschaft. Die psychiatrischen Kliniken werden von den Bundesländern finanziert, die allgemeinen Krankenhäuser jedoch von den Gemeinden. Mit der jeweiligen Trägerschaft hängen auch einige Begriffe zusammen, die zunächst nichts über die Therapiemöglichkeiten oder -formen aussagen: Landesklinik, Landeskrankenhaus, Bezirkskrankenhaus. Diese Begriffe zusammen mit der Ortsbezeichnung umreißen den Zuständigkeitsbereich/Einzugsbereich des jeweiligen Hauses, und umgekehrt wird damit die zuständige Gebietskörperschaft benannt, die dieses Haus unterhält. Die Begriffe wechseln geringfügig von Bundesland zu Bundesland.

  • Dirk Blasius: Der verwaltete Wahnsinn. Eine Sozialgeschichte des Irrenhauses, Fischer 1980, ISBN 3-596-26726-9.[6]
  • Michel Foucault: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1993. ISBN 3-518-27639-5.
  • Dieter Jetter: Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses. Darmstadt 1981.
  • Reinhard Belling: Management psychiatrischer Kliniken: leistungsorientierte Vergütung und strategische Klinikführung, Stuttgart: Kohlhammer 2013, ISBN 978-3-17-021998-4.
Wiktionary: Irrenanstalt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Irrenhaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Psychiatrie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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  1. Vgl. Dieter Jetter: Zur Typologie des Irrenhauses im Zeitraum von 1780 bis 1840. Medizinische Habilitationsschrift Heidelberg 1966; erschienen unter dem Titel Zur Typologie des Irrenhauses in Frankreich und Deutschland (1780–1840). In: Dieter Jetter: Geschichte des Hospitals. 6 Bände. Wiesbaden 1966–1987, Band 2 (1971).
  2. Johann Christian Reil: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Curtsche Buchhandlung, Halle 1803, S. 458.
  3. Vgl. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 34.
  4. Magdalena Frühinsfeld: Kurzer Abriß der Psychiatrie. In: Anton Müller. Erster Irrenarzt am Juliusspital zu Würzburg: Leben und Werk. Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie bis Anton Müller. Medizinische Dissertation Würzburg 1991, S. 9–80 (Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie) und 81–96 (Geschichte der Psychiatrie in Würzburg bis Anton Müller), S. 70.
  5. Vgl. etwa Achim Thom: Kriegsopfer der Psychiatrie. Das Beispiel der Heil- und Pflegeanstalten Sachsens. In: Norbert Frei (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit. R. Oldenbourg Verlag, München 1991 (= Schriften der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Sondernummer), ISBN 3-486-64534-X, S. 201–216.
  6. Wiederauflage 2015, ISBN 978-3-596-30425-7. Inhaltsverzeichnis, Leseprobe (Memento vom 21. Dezember 2018 im Internet Archive) (pdf)