Quintessenz (Philosophie)

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Quintessenz (lateinisch quinta essentia, deutsch „fünftes Wesen“, wörtlich „fünftes Seiendes“) war ursprünglich der lateinische Ausdruck für das fünfte Element, das Aristoteles angenommen und Äther (griechisch αἰθήρ; wie im idealistischen Weltbild Platons[1]) genannt hatte. Heute bedeutet Quintessenz „das Wesentliche“, „das Wichtigste“ (zum Beispiel der Hauptgedanke in einer Argumentation).[2]

Im Weltbild des Aristoteles gab es den Äther als masselose, unveränderliche, ewige Substanz jenseits der Mondsphäre. Dieses „fünfte Element“ hatte damit völlig andere Eigenschaften als die irdischen vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. In der Alchemie, die vor allem ein Destillationsprodukt darunter verstand, und der Philosophie des Mittelalters wandelte sich die Bedeutung des Begriffs. In der Alchemia medica (insbesondere mit der Ars destillatoria medica, deren Grundgedanke war, Naturstoffe durch alchemische Methoden zu „reinigen“ und damit die therapeutische Wirksamkeit zu erhöhen[3]) wurde unter der Quinta essentia vor allem ein elixierartiges, Gesundheit und langes Leben bewirkendes, Mittel verstanden.

Wortgeschichte und Philosophie

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Quintessenz steht heute für „Wesen, Kern, Auszug“. Das Wort wurde im 16. Jahrhundert aus spätlateinisch quinta essentia entlehnt, „das fünfte Seiende“, das dem griechischen pémptē ūsίa (πέμπτη οὐσία) entspricht.[4]

Die Lehre von den Elementen geht auf Philosophen der ionischen Philosophie zurück. Als Grundstoff (Arché) betrachtete Thales in Anlehnung an altägyptische Anschauungen das Wasser, Anaximenes die Luft, Anaximander das Apeiron („das Unbegrenzte“) und Heraklit das Feuer. Empedokles vereinte diese Ansichten in seiner Vier-Elemente-Lehre, nach der Feuer, Wasser, Erde und Luft die Bausteine aller Dinge sein sollten. Er erklärte als einziges Unvergängliches die Elemente. Er vertritt damit einen Physikalismus.

Aristoteles ordnete den vier Elementen je zwei Grundeigenschaften zu (trocken oder feucht, warm oder kalt) und stellte ihnen ein neues, weiteres Element gegenüber. Die vier irdischen Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft sind nach Aristoteles veränderlich und können sich auch ineinander umwandeln. Dagegen war das fünfte Element – der himmlische „Äther“ jenseits des Mondes – unwandelbar und zeitlos.

Alchemie und Medizin

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In der Alchemie und der Naturlehre des Mittelalters verstand man unter Quintessenz oder dem „Fünften Wesen“[5] „die fünfmal ausgezogene Kraft eines Stoffes“, im 15. und 16. Jahrhundert dann auch ein durch „Destillation“ oder „Sublimation“ gewonnenes, auch „Himmel“ (bzw. coelum/caelum)[6][7][8] genanntes, „reines“[9] Universalheilmittel[10][11] „ätherischer Natur“[12] und vom 16. Jahrhundert an einen Auszug im Sinne von „feinste Kraft“, „Grund- oder Kernstoff“. Die Herstellung von (flüssigen) Quintessenzen erfolgte meist durch Destillation bzw. Lösung von Stoffen in Säuren oder Laugen.[13]

Johannes de Rupescissa, der als elixierartiges Wundermittel vor allem die Quintessenz des Weines ansah, aber demzufolge auch alle anderen Naturstoffe heilkräftige Quintessenzen enthalten, hob in seiner Consideratio (einem alchemistisch-medizinischen und pharmazeutisch-chemischen, weniger metallurgisch-alchemischen, um 1356 niedergeschrieben Werk) besonders auch die Quinta essentia Antimonii („Antimonquintessenz“, genannt auch plumbum philosophorum „Blei der Philosophen“ als Deckname) hervor.[14]

Unter anderem der ab den 1520er Jahren, wohl dem Gedankengut Rupescissas folgend,[15] die quinta essentia (bzw. das fünft wesen) in seinem Werk behandelnde Paracelsus[16] verstand bestimmte chemisch hergestellte, aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ausgangssubstanzen durch Separation gewonnene chymische bzw. spagyrische Präparate (die als „Konzentrat“ eine virtus essentialis bzw. quinta virtus als wirksames Prinzip enthalten)[17] als Quinta essentia; beispielsweise die aus Antimonsulfid und Kaliumpyroantimonat bestehende quinta essentia antimonii, eine Art Antimonbutter.[18] Paracelsus definiert im dritten Buch der Archidoxen die Quinta essentia „als ein materien, die da corporalischen wird ausgezogen aus allen gewechsen und aus allem in dem das leben ist, gescheiden von aller unreinikeit und tötlikeit, gesubtilt auf das aller reinigeste, gesondert von allen elementen. nun ist zu verstehen, das quinta essentia ist alein die natur, kraft, tugent und arznei, die dan in dem ding verfasset ist.“

Eine zur Herstellung von Gold aus Silber benutzte essentia quinta gewann man (gemäß einem Meister Konrad) im 15. Jahrhundert beispielsweise aus Silber und Weinstein. Wenn diese „Quintessenz“ von öliger Konsistenz dann mit Zinnober verbunden wurde, sollte angeblich „Gold“ entstehen.[19]

Die übertragene Bedeutung „geistiger Grundstoff“ setzte im 17. Jahrhundert ein. Schließlich wurde der Ausdruck im 18. Jahrhundert ein Modewort für „das Eigentliche, Wesenhafte“, „das Ergebnis“.[4] Eindeutschungsversuche wie etwa Fünftelsaft setzten sich nicht durch.[20]

  • F. Sherwood Taylor: The Idea of the Quintessence. In: E. Ashworth Underwood: Science, Medicine and History. Essays on the Evolution of Scientific Thought and Medical Practice written in honour of Charles Singer. Band 1. London / New York / Toronto 1953, S. 247–265.
  • Matthias Vollmer: Quintessenz. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 7 (1989), Sp. 1838–1841.
  • Raimundus Lullus (bzw. Pseudo-Lull): Allgemeine Ausuebung des grossen Werks von der Quint-Essenz. In: Neue Sammlung von einigen alten und sehr rar gewordenen Philosophisch und Alchymistischen Schriften. Erster Teil. Krauß, Frankfurt/Leipzig 1767, S. 187–192.

Einzelnachweise

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  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 9.
  2. Vgl. Quintessenz bei Duden online
  3. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit. Band 1). Steiner, Wiesbaden/Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05388-3 (Zugleich Philosophische Dissertation, Universität Heidelberg, 1988), S. 71–72 (Alchemia medica).
  4. a b Etymologisches Wörterbuch nach Pfeifer, Essenz und Quintessenz im DWDS, abgerufen am 27. Februar 2014
  5. Vgl. Basilius Valentinus: Tractatus chymicus de quinta essentia. Das ist: Chymisches Werck von dem Fuenfften Wesen […] ans Licht gestellet worden von Sincero Aletophilo. A. Crusius, Erfurt 1738.
  6. Arznei und Alchemie. Paracelsus-Studien. Barth, Leipzig 1931 (= Studien zur Geschichte der Medizin. Band 20), S. 8 (Coelum bei Paracelsus: ‚Destillationen, Sublimationen und die dabei verwandten Hilfsmittel und erzielten Substanzen‘, auch ‚Stein der Weisen‘).
  7. Martin Ruland: Lexicon alchemiae sive Dictionarium alchemisticum […]. Frankfurt 1612, Neudruck Hildesheim 1964, S. 159.
  8. Vgl. auch Edward R. Atkinson, Arthur H. Hughes: The “Coelum Philosophorum” of Philipp Ulstad. In: Journal of Chemical Education. Band 16, 1939, 103–107.
  9. Joachim Telle: Zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alchemia medica unter besondere Berücksichtigung von Joachim Tanck. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrsg.): Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 139–157, hier: S. 148.
  10. Johannes’ de Rupescissa ‚Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum‘, deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes. Steiner-Verlag, Wiesbaden und Stuttgart 1989 (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit: Band 1).
  11. Friedrich Dobler: Conrad Gessner als Pharmazeut. Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation, Zürich 1955, S. 9–15
  12. Andreas Libavius: „Die Quintessenz ist das zur Reinheit der ätherischen Natur und zu den vorzüglichen Kräften erhöhte Mysterium. Daher pflegt man sie als ‚Himmel‘ und ‚himmlische Substanz‘ zu bezeichnen“; zitiert aus: Brigitte Hoppe: Umbildungen der antiken Lehren vom stofflichen Aufbau der Organismen als Vorbereitung der neuzeitlichen Stoffwechselphysiologie. Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, München 1972, S. 228.
  13. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit. Band 1). Steiner, Wiesbaden/Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05388-3 (Zugleich Philosophische Dissertation, Universität Heidelberg, 1988), S. 16–17, 184 (Fünftes Wesen: Fünftes Element im Sinne der aristotelischen Kosmoloige, in der Alchemie Destillationsprodukt aus allen Naturstoffen, spezifisch alchemistisch Destillationsprodukt des Branntweins, hochprozentiger Alkohol), 185 (Himmel) und 196–199 (Schlussbemerkung).
  14. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes. 1989, S. 16, 180 und 196.
  15. Udo Benzenhöfer: Johannes’ de Rupescissa „Liber de consideratione quintae essentiae omnium rerum“ deutsch. Studien zur Alchemia medica des 15. bis 17. Jahrhunderts mit kritischer Edition des Textes. 1989, S. 72–79 (Paracelsus und Parcelsisten).
  16. Paracelsus: „Quinta essentia ist ein materien, die da corporalischen wird ausgezogen aus allen gewechsen und aus allem dem das leben ist, gescheiden von aller unreinikeit und tötlikeit, gesubtilt auf das aller reinigste, sondert von allen elementen. nun ist zuverstehen, das quinta essentia ist alein die natur, kraft, tugent und arznei, die dan in dem ding ist verfasset on ein herbrig und fremde incorporierung […] und ist ein spiritus gleich dem spiritus vitae […] dan die quinta essentia ist der spiritus vitae des ding.“ Zitiert gemäß Thomas Erastus, Disputationum de medicina nova Philippi Paracelsi partes IV. Basel 1572, Band 3, S. 118, aus: Rudolf Schmitz: Der Arzneimittelbegriff der Renaissance. 1984, S. 15.
  17. Rudolf Schmitz: Der Arzneimittelbegriff der Renaissance. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil: Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 1–21, hier: S. 15.
  18. Friedrich Dobler: Die chemische Fundierung der Heilkunde durch Theophrastus Paracelsus: Experimentelle Überprüfung seiner Antimonpräparate. In: Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, Neue Folge, 10, 1957, S. 76–86, hier: S. 83.
  19. Lotte Kurras: Magister Konradus Tonsor. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 5, Sp. 256.
  20. Fünftelsaft im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.