Reem Alsalem
Reem Alsalem (arabisch ريم السالم, DMG Rīm as-Sālim; * 1976 in Kairo) ist eine jordanische Politologin und Spezialistin für Menschenrechte. Sie ist eine unabhängige Beraterin für Geschlechtergerechtigkeit, Migrationsrecht und transitionale Justiz. Seit 2021 ist sie UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen, deren Gründe und Konsequenzen. Verschiedentlich wird sie für ihre Haltung zur Transgeschlechtlichkeit kritisiert.
Ausbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alsalem erwarb 2001 einen Master in Internationalen Beziehungen an der American University in Cairo, 2003 schloss sie einen Masterstudiengang in Menschenrechte an der University of Oxford ab.[1]
Karriere
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von 1999 an arbeitete Alsalem für das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR). Im Dezember 2008 war sie als Gastforscherin am Feinstein International Center der Tufts University (Massachusetts), vom Januar bis März 2009 war sie Fachbesucherin bei der Ermittlungseinheit der Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.[1] 2016 machte sie sich selbständig und ist seither als unabhängigte Beraterin tätig.[2] Auftraggeber sind vor allem UN-Organisationen, -Agenturen und -Programme wie UN Women, das Büro des UNHCR, UNICEF und IOM, aber auch NGOs, Thinktanks und Akademien. Im Januar 2023 war sie allein für den UNHCR in 13 Ländern tätig. Bei ihren Einsätzen plant, implementiert und betreut sie vor allem Schutz- und Betreuungs-Programme für Personen, die Opfer genderbasierter Gewalt wurden, überwiegend Frauen und Mädchen.[1]
Tätigkeit als UN-Sonderberichterstatterin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Juli 2021 wurde Reem Alsalem als Nachfolgerin der Kroatin Dubravka Šimonović zur ehrenamtlichen UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Kinder für den UN-Menschenrechtsrat ernannt.[1][3]
Kurze Zeit nach der erneuten Machtübernahme der afghanischen Taliban im August 2021 äußerte sie sich zur dortigen Menschenrechtssituation. Sie betonte die Notwendigkeit, religiöse und traditionelle Führer einzubeziehen, beispielsweise im Gespräch über eine geschlechtersensible Auslegung der Scharia. Das Völkerrecht besage jedoch eindeutig, dass Staaten die Menschenrechte unabhängig von ihren internen Gesetzen und Systemen fördern und schützen müssen. Maßnahmen mit dem Ziel, die Frauen aus dem öffentlichen Leben auszuschließen, an den Rand zu drängen, unsichtbar zu machen und ihnen ihre Grundrechte zu verweigern, seien nicht zu tolerieren.[4]
Seit 2019 erreichten das Büro der Sonderberichterstatterin zahlreiche Berichte aus Spanien, die von Anzeigen gegen Männer wegen häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch und den Reaktionen von Behörden und Gerichten berichteten. Demnach wäre Vätern eher Glauben geschenkt worden als anzeigenden Müttern und ein vermeintlich ungestörtes Vater-Kind-Verhältnis sei oftmals höher bewertet worden als die Aufklärung des Sachverhaltes. Alsalem forderte 2021 die spanische Regierung dazu auf, mehr zu tun, um Kinder vor häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch zu schützen. Die Regierung solle sicherstellen, dass spanische Gerichte sich Frauen gegenüber unvoreingenommen verhalten und einen kinderzentrierten sowie geschlechtersensiblen Ansatz anwenden.[5][6][7]
In der Diskussion über sogenannte Selbstbestimmungsgesetze schrieb Alsalem 2022 einen Brief an die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon. Hierin erklärte sie, dass sie die Gefahr sehe, dass gewalttätige Männer, die sich auch als Männer identifizieren, ihr Recht auf eine offizielle Personenstandsänderung ausnutzen könnten, um in für Frauen bestimmte Schutzräume einzudringen. Sie äußerte die Befürchtung, dass dies zur Retraumatisierung, Gefährdung und Exklusion von Frauen beitragen könnte.[8] Mit einem 17-seitigen Schreiben an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sie zudem am 13. Juni 2024 das deutsche Selbstbestimmungsgesetz kritisiert. Im Antwortschreiben des Büros für Ständige Vertretung des Auswärtigen Amtes für die UN heißt es: „Die Bundesrepublik Deutschland weist den Vorwurf zurück, sie werde (...) einer Reihe menschenrechtlicher Verpflichtungen nicht gerecht“. Hauptmotiv sei der „Schutz der Geschlechtsidentität einer Person im Einklang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht“, heißt es weiter.[9] Das Nachrichtenportal queer.de verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Frauenrechtsorganisation Association for Women’s Rights in Development in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen Alsalem erhob. Sie missbrauche ihre Position und Macht, „um für diskriminierende Politik gegen trans Menschen zu werben und etablierte Menschenrechtsprinzipien zu missachten“.[10]
Im Jahr 2024 veröffentlichte Alsalem einen Bericht, der „Geschlechtsscreening“ im Sport forderte, um angeblich eine „rein weibliche Kategorie“ zu schützen und Personen auszuschließen, denen bei Geburt nicht das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde.[11][12] Außerdem stellte der Bericht fest, dass Frauen „ein Anrecht auf rein weibliche Räume“ hätten.[13] Das US-Außenministerium erklärte, der Bericht verwechsle Transpersonen mit intergeschlechtlichen oder anderen nicht cisgeschlechtlichen Personen und verwende in Bezug auf Transpersonen eine abwertende Sprache.[14]
Im Oktober 2024 sprach Alsalem auf einem Panel, das von der Alliance Defending Freedom, einer vom Southern Poverty Law Center als anti-LGBT-Hassgruppe eingestuften[15] Organisation, organisiert wurde.[16]
Der Rechtswissenschaftler Jens Theilen sagte, dass Alsalem „Frauenrechte als Werkzeug benutzt, um Transrechte zu untergraben“, und bezeichnete ihre Handlungen als „ein krasses Beispiel für individuelle Politik, die Unterdrückung fördert, anstatt sie zu bekämpfen“.[17] Im Mai 2024 wurde berichtet, dass der Besuch von Alsalem in Brasilien von der brasilianischen Frauenministerin Cida Gonçalves aufgrund ihrer „transfeindlichen“ Ansichten abgesagt wurde.[18]
Privates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alsalem lebt heute in Belgien. Sie spricht Arabisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch.[2]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurzporträt auf der Webpräsenz des UN-Menschenrechtsrats
- Video von APTGeneva: #MéndezPrinciples: Reem Alasalem, UN Special Rapporteur on violence against women, eingestellt am 2. März 2022
- Audio des UNHCR: Violence against indigenous women
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Reem Alsalem. Special Rapporteur on violence against women and girls, its causes and consequences. Office of the High Commissioner for Human Rights, abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ a b Reem Alsalem. In: brusselsbinder.org. Abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ Reem Alsalem. United Nations Special Rapporteur on violence against women and girls. European Institute for Gender Equality, abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ Vince Chadwick: A UN expert's take on religion and violence against women. In: devex.com. 6. Juni 2022, abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ La ONU advierte de que el sistema judicial español no protege a los niños "de los padres abusivos". In: Europa Press. 9. Dezember 2021, abgerufen am 20. November 2024 (spanisch).
- ↑ Sara Plaza Casares: Reem Alsalem: “En España los testimonios de padres presuntos abusadores tienen más credibilidad que los de las madres que denuncian los abusos”. In: El Salto. 19. Dezember 2021, abgerufen am 20. November 2024 (spanisch).
- ↑ Los tribunales españoles deben proteger a los niños y niñas de la violencia doméstica y los abusos sexuales, dicen los expertos de la ONU. Office of the High Commissioner for Human Rights, 9. Dezember 2021, abgerufen am 20. November 2024 (spanisch).
- ↑ Wortlaut des Briefs auf der Website des OHCHR, abgerufen am 20. November 2024.
- ↑ Anna Kröning: Brief an Baerbock – UN-Sonderberichterstatterin kritisiert Selbstbestimmungsgesetz. In: DIE WELT. 13. August 2024, abgerufen am 20. November 2024.
- ↑ UN-Sonderberichterstatterin kritisiert Deutschland wegen SBGG. In: queer.de. 13. August 2024, abgerufen am 20. November 2024.
- ↑ Rich Perelman: U.N. Special Rapporteur calls for re-introduction of “sex screening” to protect women’s category In: The Sports Examiner, 8. Oktober 2024. Abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ Rob Harris: Athletes not born female shouldn't be able to compete in women's sport, UN expert says In: msn.com. Abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ UN special rapporteur’s report declares women are ‘entitled to single-sex spaces’ In: skynews.com, 9. Oktober 2024. Abgerufen am 9. November 2024 (englisch).
- ↑ Remarks at a Third Committee Interactive Dialogue with the Special Rapporteur on Violence Against Women and Girls, Ms. Reem Alsalem. United States Department of State, 8. Oktober 2024, abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
- ↑ Why is Alliance Defending Freedom a Hate Group? Southern Poverty Law Center, 10. April 2020, abgerufen am 18. November 2024.
- ↑ The Race to Save Girls’ and Women’s Sports is Worth Running. Alliance Defending Freedom, 8. November 2024, abgerufen am 18. November 2024.
- ↑ Jens Theilen: Intersectionality’s Travels to International Human Rights Law. In: Michigan Journal of International Law. 45. Jahrgang, Nr. 2, 2024 (englisch, ssrn.com): “A stark example of individual politics furthering rather than contesting oppression is found in the work of the current Special Rapporteur on violence against women and girls, its causes and consequences, Reem Alsalem, who is using women’s rights as a tool to undermine trans rights [...].”
- ↑ Andreia Nobre: Leaked Audio Reveals Reem Alsalem 2023 Brazil Visit “Indefinitely Postponed” Due to Alleged “Transphobia”. 4W, 16. Mai 2024, abgerufen am 20. November 2024 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Alsalem, Reem |
KURZBESCHREIBUNG | jordanische Juristin und Menschenrechtsexpertin |
GEBURTSDATUM | 1976 |
GEBURTSORT | Kairo |