Nadere Reformatie

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Als Nadere Reformatie (niederländisch für nähere (im Sinne von präzisere, weitergehende) Reformation) wird seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine Bewegung innerhalb der niederländisch-reformierten Kirche des 17. und 18. Jahrhunderts bezeichnet. Ihre genaue Abgrenzung ist umstritten, ebenso wie ihr Verhältnis zu den verwandten Bewegungen des Puritanismus in England und des Pietismus in Deutschland.

Begriff und Erforschung

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Als Programmbegriff begegnet Nadere Reformatie erstmals in einer Reformschrift des Utrechter Konsistoriums von 1665. Inhaltlich wurden dort Forderungen Willem Teellincks nach einer vorder reformatie (weitere Reformation, vermutlich in Anlehnung an die puritanische Forderung einer further reformation) aufgenommen. Als historiographische Bezeichnung für eine bestimmte Strömung begegnet der Begriff seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und hat sich seit etwa 1950 eingebürgert. Seit 1977 erstmals das Documentatieblad Nadere Reformatie erschien, hat sich die Forschung stark ausgeweitet. 1983 wurde die Stichting Studie der Nadere Reformatie (SSNR) gegründet, die seit 2006 die Website Sleutel tot de Nadere Reformatie betreibt. Im deutschen Sprachraum hat sich die Verdeutschung Nähere Reformation kaum durchgesetzt, während im Englischen häufig noch von Further Reformation die Rede ist.

Die Nadere Reformatie legte großen Wert auf die Auswirkungen der biblischen Botschaft auf alle Aspekte des täglichen Lebens. Die Reformation von Martin Luther und Johannes Calvin führte zu einem Bruch mit der Römisch-Katholischen Kirche und einzelnen Aspekten ihrer Theologie. Die Reformation war zuallererst eine Erneuerung auf dem Gebiet der Lehre.

Die Nadere Reformatie richtete sich neben der Lehre auch auf das Leben, den konkreten Lebenswandel. Die nähere Reformation beabsichtigte die Auswirkung der biblischen Prinzipien in Familie, Gesellschaft, Kirche, Politik und Staat. Die Prediger und Theologen der näheren Reformation riefen zu Buße und Reue auf.

Der christlich-reformierte Theologe Willem van ’t Spijker bezeichnete die Nadere Reformatie als „die niederländische Erscheinungsform des internationalen Pietismus des siebzehnten Jahrhunderts“.[1] Dagegen sah Johannes Wallmann sie als „selbst reformierte Orthodoxie nach ihrer praktische Ausrichtung“.[2]

Als Vorläufer oder Gründungsväter der Nadere Reformatie gelten neben Willem Tellinck auch Jean Taffin und William Ames. Bekannte Vertreter waren die Professoren Gisbert Voetius und Hermann Witsius sowie die Prediger Wilhelmus à Brakel und Jodocus van Lodenstein. Bei Jean de Labadie führten radikale Forderungen zu einer Separation von der reformierten Kirche.

  • T. Brienen u. a. (Hrsg.): De Nadere Reformatie en het Gereformeerd Piëtisme. Uitgeverij Boekcentrum B.V., ’s-Gravenhage 1989.
  • Johannes van den Berg: Die Frömmigkeitsbestrebungen in den Niederlanden. In: Martin Brecht (Hrsg.): Geschichte des Pietismus, Bd. 1: Der Pietismus vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3525553439, S. 57–112.
  • Fred van Lieburg: From Pure Church to Pious Culture. The Further Reformation in the Seventeenth-Century Dutch Republic. In: W. Fred Graham (Hrsg.): Later Calvinism. International Perspectives. Kirksville, 1994.
  • Johannes van den Berg: Die Frömmigkeitsbestrebungen in den Niederlanden. In: Martin Brecht (Hrsg.): Geschichte des Pietismus, Bd. 2: Der Pietismus im achtzehnten Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995, S. 542–587.
  • C. Graafland, W.J. op ’t Hof, F.A. van Lieburg: Nadere Reformatie: opnieuw een poging tot begripsbepaling. In: Documentatieblad Nadere Reformatie 19 (1995), S. 105–184 (PDF-Datei über http://www.ssnr.nl/orientatie, s. begripsbepaling).
  • Willem Jan Op’t Hof: Die Nähere Reformation und der niederländische reformierte Pietismus und ihr Verhältnis zum deutschen Pietismus. In: Nederlands Archief Voor Kerkgeschiedenis 78 (1998), S. 161–183.
  • Johannes Wallmann: Die Nadere Reformatie und der deutsche Pietismus. In: Ders.: Pietismus und Orthodoxie. Mohr Siebeck, Tübingen 2010, S. 406–426.
  • Fred van Lieburg: Wege der niederländischen Pietismusforschung. In: Pietismus und Neuzeit, Band 37 (2011), S. 211–253.
  • W.J. op’t Hof (Red.): Encyclopedie Nadere Reformatie. Uitgeverij De Groot Goudriaan Utrecht. Biographien, Bd. I, 2015; Bd. II, 2016; Themen, Bd. III, 2020; Bd. IV, 2021.

Einzelnachweise

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  1. Zitiert nach Andreas J. Beck: Gisbertus Voetius (1589–1676). Sein Theologieverständnis und seine Gotteslehre. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, S. 131
  2. Johannes Wallmann: Die Nadere Reformatie und der deutsche Pietismus. In: Ders.: Pietismus und Orthodoxie. Mohr Siebeck, Tübingen 2010, S. 406–426, hier S. 410.