Malireich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Reich von Mali)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Mutmaßliche Ausdehnung des Malireiches im 13. Jahrhundert

Das mittelalterliche Reich Mali (auf Mandinka: Manden Kurufa) war das größte westafrikanische Reich der Geschichte.

Staatsvolk waren die Malinke („Leute Malis“) und wichtigste Einkommensquelle war der Goldhandel. In seinen Grenzen entsprach es ungefähr dem heutigen Mali, das Handelszentrum war Timbuktu. In seiner größten Ausdehnung reichte das Malireich aber weit darüber hinaus vom Atlantischen Ozean bis zum Gebirge des Aïr im Zentrum des Niger.

Da es in fast allen afrikanischen Reichen – so auch im heutigen Mali – lange Zeit keine Tradition der Geschichtsschreibung im abendländischen Sinne gab, erfolgte die Überlieferung durch mündliche Erzählungen. Weitere Quellen liegen mit den Angaben arabischer Geographen und Historiker vor, die sich auf die Berichte berberischer und arabischer Händler und malischer Mekka-Pilger stützen. Während der Kolonialzeit wurde die Geschichte des mittelalterlichen Malireiches erstmals aufgrund von Quellenstudien systematisch bearbeitet.

Der Reisebericht des berberischen Rechtsgelehrten und Autors Ibn Battūta (14. Jahrhundert) machten das Malireich berühmt, gelten heute aber nicht als authentisch.[1]

Gründung des Malireiches

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Ausführungen des andalusischen Geographen al-Bakrī wurde um 1050 ein König von Malal Muslim. Der muslimische Historiker und Geograph des 12. Jahrhunderts, al-Idrisi, ergänzte, dass Malal häufig das Ziel von Sklavenjägern gewesen sei. Nach 1200 beherrschte Sumanguru Kanté, mächtiger König der Sosso, die Mandinka.[2] Sumanguru nahm das durch die Almoraviden in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts eingenommene und islamisierte große Reich von Ghana ein, das seither verfiel. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es zur Expansion des muslimischen Malal-Reiches, das bis zum Niger-Seengebiet (südwestlich von Timbuktu) nach Südwesten reichte.[3] 1235 jedoch erhob sich der anschließende Löwen-König Sundiata Keïta gegen Sumanguru. Unterstützt von Truppen des Kleinkönigs von Méma marschierte der Heerführer am Oberlauf des Niger gegen den Sosso-König.[2] Er besiegte ihn in der Schlacht von Kirina, übernahm seine Herrschaftsattribute und gründete das Mali-Nachfolgereich des muslimischen Malal. Anschließend eroberte er auch den nördlichen Teil des Reiches, vertrieb auch dort die Sosso und machte Mali damit zum erweiterten Nachfolgereich Ghanas.[4] 1255 starb Sundiata Keita. Von 1285 bis 1300 erklomm der Usurpator Sakura den Thron, entpuppte sich dort allerdings als einer der tatkräftigsten Herrscher des Reiches. Unter seiner Ägide wurde das Reich über Timbuktu hinaus bis nach Gao ausgedehnt. Als umsichtig und mächtig galt von 1342 bis 1360 Thronfolger, Mansa Suleyman.[2] Hierüber berichtete der Forschungsreisende Ibn Battūta. Es folgten verschwenderische und schwache Könige, die den Niedergang des Reiches ab 1388 einläuteten. Die überlieferte Königsliste des Historikers und Politikers Ibn Chaldūn bricht allerdings in dieser Zeit ab.[2]

Pilgerfahrten der Maliherrscher nach Mekka

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Herrscher Mansa Musa von Mali (Katalanischer Weltatlas, 1375)

Um 1200 ereignete sich die erste Pilgerfahrt eines Mandinke-Fürsten nach Mekka. Der Nachfolger Sundiatas, Wali Keïta, konnte diese Wallfahrt unternehmen, ohne im Sahel das Territorium eines Nachbarstaates durchqueren zu müssen. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts brach auch Mansa Sakura, ein offensichtlich nicht zu den Keïta gehöriger „Klient der Könige von Mali“, nach Mekka auf. Zweifellos die bedeutendste Pilgerfahrt aller westafrikanischen Könige aber unternahm Mansa Musa im Jahre 1324. Diese verschaffte ihm ausweislich der Berichte al-Omaris in der islamischen Welt großes Ansehen.[2] Mehrere ägyptische Chronisten berichten übereinstimmend, dass durch die Einkäufe des Königs von Mali und seiner Begleiter soviel Gold auf den Markt von Kairo kam, dass der Goldpreis drastisch fiel. Der Preissturz muss nach modernen Berechnungen ungefähr 25 % betragen haben.[5] Auch soll Mansa Musa nach Absolvenz seines Haddsch nach Mekka den Bau der Djinger-ber-Moschee veranlasst haben, was der Ausbreitung des Islam förderlich war.[6]

Die wichtigste Einnahmequelle war der Goldhandel. Zwar gab es im Malireich gar keine Goldmine, doch wurde Gold aus anderen westafrikanischen Regionen (Guinea, Ghana etc.) bezogen, oft in Form von Tributzahlungen. Die genauen Minenorte wurden offenbar bewusst geheim gehalten. Lizenzierte Händler brachten das Gold von Timbuktu mit Kamelkarawanen in den Maghreb und weiter bis nach Europa, das ab dem 13. Jahrhundert einen hohen Goldbedarf zeigte. Von den Zwischengewinnen und Abgaben wurde das Reich wohlhabend.[7]

Lokale Sitten und Gebräuche – Islamisierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Ibn Battūta 1352 bis 1353 das Malireich bereiste, herrschte nicht mehr Mansa Musa, sondern dessen Bruder Mansa Sulayman. Der Reisende hatte den Eindruck, dass schon zu dieser Zeit die Einwohner des Landes tief vom Islam geprägt waren. Nach seinen Beobachtungen verrichteten die Bewohner der Hauptstadt Niani regelmäßig die fünf täglichen Gebete, sie beteiligten sich zahlreich an den islamischen Festen, Eltern legten großen Wert darauf, dass ihre Kinder den Koran auswendig lernten, Rechtsstreitigkeiten wurden teilweise von den Kadis geregelt und nicht von den politischen Autoritäten. Daneben gab es allerdings Bräuche, die einen gläubigen Muslim wie Ibn Battuta schockierten: Sklavinnen bedienten ihre Herrn völlig unbekleidet und erschienen auch so in der Öffentlichkeit; zur Begrüßung des Königs streuten sich die Leute Sand und Asche auf ihr Haupt, eine Ehrerbietung, die nach muslimischen Verständnis höchstens Allah angemessen ist, nicht aber einem Menschen; grotesk und unangemessen erschienen ihm ebenfalls die Preislieder zu Ehren des Königs, bei denen die Barden in einer eigenartigen Verkleidung auftraten. Diese Einzelerscheinungen ändern nichts an der Tatsache, dass der Islam im Malireich von der städtischen Bevölkerung bereits zur Mitte des 14. Jahrhunderts mit großer Anteilnahme und Hingabe praktiziert wurde. Wie Ibn Battuta außerdem lobend hervorhebt, herrschten im gesamten Machtbereich der Keïta friedliche und gesicherte Verhältnisse.[8] Nach dem Reisenden Ibn Battuta liefert der Historiker Ibn Chaldūn 1394 wertvolle Nachrichten über den Aufstieg, die Expansion und den beginnenden Zerfall des Malireiches. Seinen und al-Umaris Angaben ist zu entnehmen, dass sich das Malireich in der Zeit seiner größten Machtentfaltung im Osten bis in das Gebirge des Air erstreckte.[9]

Zerfall des Malireiches

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts zeigten sich erste Verfallserscheinungen im Malireich. Hauptgrund dafür waren die dynastischen Konflikte, von denen Ibn Chaldun ein beredtes Zeugnis ablegt: Innerhalb von 30 Jahren herrschten sechs Könige – ein Sohn des Sulayman, drei Nachkommen Musas, ein Usurpator und letztlich ein Nachkomme Sundiatas aus der Linie seines Sohnes Wali. Dazu kam die De-facto-Herrschaft eines mächtigen Amtsträgers, der für einige Zeit den rechtmäßigen König in Gewahrsam nahm und an seiner Stelle die Macht ausübte. Um 1400 lösten sich Jarra und Gao vom Reich. Es ist kaum anzunehmen, dass diese Entwicklung in der Folgezeit rückgängig gemacht werden konnte, denn 1433 mussten die Keïta Timbuktu aufgeben. Im selben Jahr gewannen Tuareg die Kontrolle über Timbuktu und Walata.[2] Die Provinz Méma im Seengebiet des Niger und die Handelsstadt Djenné konnten sie unter dem Druck des expandierenden Songhaireiches zur Mitte des 15. Jahrhunderts nicht mehr halten.[10] Die nördlichen Reichsteile gingen verloren. Auch Massina fiel 1450 ab, nachdem die Mossi dorthin vorgedrungen waren. 1480 plünderten sie zudem Walata. Noch vor 1500 stellte sich die Situation des Reiches so dar, dass Tekrur selbständig geworden war und das Malireich nur noch aus dem Kerngebiet und die Provinzen um die Flüsse Gambia und Casamance bestand.[2]

Der Niedergang des großen Malireiches wird indirekt durch die Portugiesen bestätigt. Nach ihren Erkundungen in Senegambien herrschte ein großer Malikönig irgendwo im Inneren des Landes. Diesem waren zwar die Mandinka-Könige des Gambia untertan, aber er residierte zurückgezogen am Oberlauf des Niger. Schon lange hatte er die Kontrolle über den transsaharanischen Goldhandel verloren.[11] Um 1600 lösten sich die südwestlichen Gebiete von Mali.[2]

  • Ralf A. Austen (Hrsg.): In Search of Sunjata. Bloomington 1999.
  • François-Xavier Fauvelle: Das goldene Rhinozeros. Afrika im Mittelalter. C.H. Beck, München 2017.
  • Dierk Lange: Ancient Kingdoms of West Afrika. Dettelbach 2004.
  • Nehemia Levtzion: Ancient Ghana and Mali. London 1973.
  • Nehemia Levtzion, John Hopkins: Corpus of Early Arabic Sources for West African History. Cambridge 1981.
  • Madina Ly Tall: L’empire du Mali. Dakar 1977.
  • Rudolf Fischer: Gold, Salz und Sklaven. Die Geschichte der großen Sudanreiche Gana, Mali und Son Ghau. Edition Erdmann, Stuttgart 1986, ISBN 3-522-65010-7.
Commons: Malireich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Lewis Gropp: Zeitzeuge oder Fälscher? In: Deutschlandfunk. 17. August 2010, abgerufen am 25. Januar 2018.
  2. a b c d e f g h Rudolf Fischer: Gold, Salz und Sklaven. 1986, S. 255. (Zusammenfassung)
  3. Al-Bakri in: N. Levtzion, J. Hopkins: Corpus. 1981, S. 82–83; N. Levtzion: Ancient Ghana. 1973, S. 53–54; D. Lange: Ancient Kingdoms of West Afrika. 2004, S. 518–519.
  4. N. Levtzion: Ancient Ghana. 1973, S. 53–61.
  5. N. Levtzion: Ancient Ghana. 1973, S. 66, 209–213.
  6. Rudolf Fischer: Gold, Salz und Sklaven. 1986, S. 203 f.
  7. E. W. Bovill: The golden trade of the Moors : West African kingdoms in the fourteenth century. [2nd ed., rev.]. M. Weiner Publishers, Princeton 1995, ISBN 1-55876-091-1.
  8. N. Levtzion, J. Hopkins: Corpus. 1981, S. 289–301; Ly Tall, Empire. 129–180.
  9. N. Levtzion, J. Hopkins: Corpus. 1981, S. 262, 336, 338–339; D. Lange: Ancient Kingdoms of West Afrika. 2004, S. 520–522.
  10. N. Levtzion: Ancient Ghana. 1973, S. 81–82.
  11. N. Levtzion: Ancient Ghana. 1973, S. 66, 209–213.