St.-Norberti-Kirche und St.-Elisabeth-Stift (Calbe)
Die St.-Norberti-Kirche stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist seit 1872 wieder das erste und einzige katholische Gotteshaus in Calbe (Saale). Gleich nebenan steht das ebenfalls in dieser Zeit erbaute St.-Elisabeth-Stift.
Vorgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit den 1840er Jahren begann die katholische Kirche in Deutschland, besonders in Preußen, als Gegenbewegung zum erstarkenden politischen Protestantismus unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. soziale Vereine und Stiftungen sowie neue Gemeinden zu gründen. Das Widerspiel fand in Preußen seinen Höhepunkt im so genannten Kulturkampf zwischen Staat und katholischem Klerus.
Calbe war seit 1542 eine protestantische Hochburg, und Johann Heinrich Hävecker hatte hier den Pietismus, eine zeitgemäße Weiterentwicklung der lutherischen Lehren, mitbegründet.
Wiedereinzug katholischer Gemeinschaften und Pfarreigeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1859 ließ sich ein Kaplan aus Egeln als Missionsvikar in Calbe nieder.[1] 1863 wurden eine katholische „Missionsgemeinde“ Calbe, deren Ausdehnung im Wesentlichen mit den Umrissen des Kreises Calbe übereinstimmte, und 1867 eine katholische Privatschule in Calbe ins Leben gerufen, die für ihre erzieherischen und gottesdienstlichen Tätigkeiten zunächst noch in verschiedenen gemieteten Räumen unterkommen mussten.
In dem im Herbst 1867 fertiggestellten neuen Krankenhaus in der heutigen Hospitalstraße nahmen evangelische Diakonissen-Schwestern aus Bethanien (Berlin) ihre Tätigkeit auf, für die 1905 am Südende der Magdeburger Straße ein Schwestern-Heim (heute Wilhelm-Loewe-Apotheke) erbaut wurde. Im Gegenzug kamen 1868 „Graue Schwestern“ von der Breslauer Kongregation „St. Elisabeth“ hierher, um in der ambulanten Krankenpflege konfessionsübergreifend und bei der Betreuung verwaister und hilfsbedürftiger Kinder zu wirken. Die Schutzpatronin des Ordens, die heilige Elisabeth von Thüringen, war ein Vorbild für die deutsche Beginenbewegung und selbst auch mit dieser verbunden gewesen. In Calbe hatten die Beginen im Heilig-Geist-Hospital gewirkt. In dieser Tradition waren die „Grauen Schwestern“ auch in der Pfarrei Calbe aktiv. Das Anwachsen der Bevölkerung, u. a. durch Zuwanderung, und die immer größere Zahl der polnischen und schlesischen Saisonarbeiter, die auf der Domäne Calbe arbeiteten, machten den Bau eines katholischen Gotteshauses erforderlich.
1867 wurde auch das Dekanat Egeln eingerichtet, dem die Missionsvikarie Calbe zugeordnet wurde. 1896 folgte die Errichtung der Pfarrei St. Norbert Calbe. 1940 wurde die katholische Schule durch die nationalsozialistischen Machthaber geschlossen.
Zum 1. Juli 1953 wurde das Dekanat Bernburg errichtet, dem die Pfarrei Calbe von da an angehörte. Da sich infolge der Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950 auch im Gebiet um Calbe weitere Katholiken niedergelassen hatten, waren inzwischen in Barby und Groß Rosenburg zwei zur Pfarrei Calbe gehörende Kuratien errichtet worden. In Barby wurde ein Pfarrhaus eingerichtet, in dem 1956 eine Kapelle geweiht wurde. In der 1950 gegründeten Kuratie Groß Rosenburg war bereits am 19. April 1953 eine Kirche geweiht worden.
Aufgrund der wieder abgesunkenen Katholikenzahl wurde am 1. September 1996 seitens des Bistums Magdeburg das Dekanat Bernburg wieder aufgelöst und die Pfarrei Calbe wieder dem Dekanat Egeln angeschlossen, in dem die St.-Norberti-Kirche heute die östlichste Kirche ist. Vom 1. Mai 2006 an bildete die Pfarrei Calbe mit der Kirchengemeinde St. Marien in Schönebeck (Elbe) einen Gemeindeverbund, die Kuratie Groß Rosenburg war in diesem Zusammenhang am 30. April 2006 aufgelöst worden.[2] Zu diesem Zeitpunkt gehörten zur Kirchengemeinde Calbe rund 470 Katholiken. Schließlich erfolgte am 28. November 2010 daraus die Gründung der heutigen Pfarrei St. Marien und St. Norbert mit Sitz in Schönebeck. Auch das Pfarrhaus in Barby wurde wieder aufgelöst. Am 30. März 2019 fand der letzte Gottesdienst in der Kapelle in Barby statt, per Dekret vom 26. Februar 2019 wurde die Kapelle profaniert.
St.-Norberti-Kirche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 26. Mai 1870 (dem Fest Christi Himmelfahrt) fand am Nordende der ehemaligen „Alten Sorge“ an der Westseite der Magdeburg-Leipziger Chaussee die Grundsteinlegung für den Kirchenbau statt. Die Entwürfe stammten vom Architekten und Paderborner Diözesan- und Dombaumeister Arnold Güldenpfennig. Der Bau kostete 12.000 Taler. Der erste Gottesdienst in der neugotischen Kirche aus Backstein-Mauerwerk fand am Palmsonntag, dem 2. April 1871, statt. Die Konsekration nahm am 9. Juli 1872 der Bischof von Paderborn, Konrad Martin vor, der als konservativer Gegner der preußischen Regierung 1874 in Festungshaft kam und 1875 seines Amts enthoben wurde. Sie Kirche stand unter dem Patrozinium des heiligen Norbert von Xanten, des Begründers des Prämonstratenserordens, auf dessen nachdrückliche Initiative hin das Prämonstratenser-Stift „Gottes Gnade“ („Gratia Dei“) bei Calbe gegründet worden war.
Im Querbau der kreuzförmig erbauten St.-Norberti-Kirche wurde vorerst die katholische Schule untergebracht. In dieser Bauform, mit quer zum Kirchenschiff angebautem Pfarr- und Schulhaus anstelle eines Kirchturms, entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts – überwiegend im Gebiet südlich von Magdeburg – auch andere Kirchen, wie zum Beispiel die Herz-Jesu-Kirche in Atzendorf, die Herz-Jesu-Kirche in Gerbstedt, die Herz-Jesu-Kirche in Hecklingen, die Kirche St. Josef in Löderburg, die Heilig-Kreuz-Kirche in Sandersleben und die Kirche St. Franziskus Xaverius in Unseburg. Auch die Kirchen St. Elisabeth in Alsleben und die Herz-Jesu-Kirche in Osternienburg entstanden in ähnlicher Form.
Während des Ersten Weltkriegs wurden die Gottesdienste von französischen und belgischen Kriegsgefangenen rege besucht.
Das Relief des heiligen Mauritius und das Wappen des Kardinals Albrecht aus der 1951 abgerissenen Schlossruine Calbe wurden an der Südwand der Kirche aufgestellt.
St.-Elisabeth-Stift
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem der preußische Staat mit dem katholischen Klerus „Frieden geschlossen“ hatte, legte 1893 der politisch gemäßigte Bischof von Paderborn, Hubert Theophil Simar, den Grundstein zu einem katholischen Heim für verwaiste und hilfsbedürftige Kinder, das 1894 mit der heiligen Elisabeth als Schutzpatronin eröffnet wurde. Nun zog auch die katholische Privatschule dorthin, und die Grauen Schwestern bekamen ihre Wohnungen im Heimgebäude. Das St.-Elisabeth-Stift oder Elisabethstift kommt bis heute seinen caritativen Verpflichtungen als Kinderheim St. Elisabeth nach.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Max Dietrich: Unsere Heimat. Heimatkunde der Stadt Calbe. o. O. (Calbe) 1909.
- Gustav Hertel: Geschichte der Stadt Calbe an der Saale. Berlin / Leipzig 1904.
- Gotthelf Moritz Rocke: Geschichte und Beschreibung der Stadt Calbe an der Saale. 1874.
- Dieter H. Steinmetz: Auf historischer Spurensuche. Ein Stadtrundgang in Calbe an der Saale. (vergleiche Weblinks)
Koordinaten: 51° 54′ 29,3″ N, 11° 46′ 24,3″ O
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Kirche – gestern und heute. Zwischen Elbe und Saale, Börde und Bode. Ein Magdeburgbuch. hrsg. von Bischof Johannes Braun, St. Benno-Verlag, Leipzig 1984, ISBN 3-7462-0266-3 (2. Auflage 1989), S. 195.
- ↑ Amtsblatt des Bistums Magdeburg, Ausgabe 5/2006.