Melphalan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Sarcolysin)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Melphalan
Andere Namen
  • (2S)-2-Amino-3-{4-[bis(2-chlorethyl)­amino]phenyl}propansäure (IUPAC)
  • (S)-3-{4-[Bis(2-chlorethyl)amino]­phenyl}alanin
  • L-PAM
  • L-Sarkolysin
Summenformel C13H18Cl2N2O2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 205-726-3
ECHA-InfoCard 100.005.207
PubChem 460612
ChemSpider 405297
DrugBank DB01042
Wikidata Q2298283
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L01AA03

Wirkstoffklasse

Zytostatikum

Wirkmechanismus

Alkylans

Eigenschaften
Molare Masse 305,2 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300​‐​317​‐​340​‐​350​‐​361
P: 201​‐​280​‐​301+310+330​‐​302+352[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Melphalan (Handelsname Alkeran; Hersteller Aspen Pharma) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Zytostatika. Die Substanz ist zur chemotherapeutischen Behandlung des multiplen Myeloms und des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms zugelassen, wird aber auch bei verschiedenen anderen Krebserkrankungen eingesetzt.

Chemisch handelt es sich bei Melphalan um ein Phenylalaninderivat des Mechlorethamins. Medizinisch verwendet wird das L- beziehungsweise (S)-Enantiomer verwendet. Das andere Enantiomer (Medphalan genannt) und das Racemat (Merphalan genannt) sind von untergeordneter Bedeutung.

Wirkmechanismus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Melphalan ist ein Alkylans aus der Gruppe der Stickstoff-Lost-Verbindungen (zu der unter anderem auch Cyclophosphamid oder Bendamustin gehören). Diese Verbindungen übertragen Alkylgruppen auf die DNA-Base Guanin und führen zu chemischen Bindungen zwischen den DNA-Strängen. So veränderte Nucleinsäuren werden durch zelleigene Mechanismen an der weiteren Teilung und Proteinbiosynthese gehindert. Diese zytotoxischen Vorgänge finden in allen Zellen statt, vermindern aber insbesondere die Vermehrung der sich schnell teilenden Tumorzellen.

Melphalan kann intravenös oder oral verabreicht werden. Die verwendete Dosis ist abhängig von der Indikation und der Nierenfunktion sowie dem Körpergewicht des Patienten. Ggf. muss die Dosis individuell angepasst werden.

Melphalan wird bei multiplem Myelom verwendet, wenn eine initiale Stammzelltransplantation nicht möglich ist. Dabei kommt üblicherweise eine Kombination mit anderen Zytostatika wie Thalidomid, Bortezomib oder Cyclophosphamid zum Einsatz.[2]

Außerdem ist die Anwendung bei malignem Melanom[3] und AL-Amyloidose[4] möglich.

Im Rahmen einer Perfusion isolierter Extremitäten bei lokal fortgeschrittenen Weichteilsarkomen wird Melphalan in Kombination mit Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-α) verwendet.

Da der Wirkstoff nur noch von einem Hersteller produziert wird, kam es zwischen 2014 und 2016 mehrfach zu Lieferengpässen.[5]

Im August 2023 ließ die Food and Drug Administration (FDA) unter dem Namen Hepzato KIT eine Melphalaninjektionslösung mit zugehörigem Verabreichungssystem zu für die Behandlung für erwachsene Patienten mit Aderhautmelanom mit inoperablen Lebermetastasen.[6] Das Chemotherapeutikum wird mit dem zugehörigen Applikator alle 6 bis 8 Wochen für insgesamt bis zu 6 Infusionen in die Leberarterie verabreicht.

Wie die meisten Zytostatika kommt es unter der Melphalan-Einnahme sehr häufig zu Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen und – in höherer Dosierung – Haarausfall.

Da der Wirkstoff das Knochenmark supprimiert, kann es während der Therapie zu einem Abfall der Leukozyten und Thrombozyten im Blut kommen. Mögliche Folge ist das vermehrte Auftreten von Infektionen bzw. Blutungen.

Melphalan wirkt erbgutschädigend. Daher ist die Einnahme während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Bei Frauen kann eine Ovarialinsuffizienz mit Amenorrhoe die Folge sein, bei Männern ist eine irreversible Unfruchtbarkeit möglich. Auch bei der Behandlung von Kindern besteht ein Risiko für eine spätere Unfruchtbarkeit. Maßnahmen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit sollten daher rechtzeitig vor Beginn der Behandlung besprochen werden.[7]

Aufgrund der mutagenen Wirkung besteht überdies die Gefahr von Zweitmalignomen. In Kombination mit Thalidomid und Prednisolon wurde ein vermehrtes Auftreten von akuter lymphatischer Leukämie und myelodysplastischem Syndrom beobachtet.[8]

Melphalanflufenamid

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Chemische Struktur des Prodrugs Melphalan­flufenamid. Schwarz: die L-Phe-L-Phe-Dipeptidstruktur, türkis: Ester­komponente und Fluor­substituent, blau: das Alkylans Chlormethin.

Das Prodrug Melphalanflufenamid passiert Zellmembranen besser als Melphalan selbst. Seit Februar 2021 ist es als Pepaxto in den USA zugelassen zur Behandlung des rezidivierten oder refraktären multiplen Myeloms,[9] seit August 2022 als Pepaxti auch in der EU (Viertlinientherapie).[10] Es wird dazu mit Dexamethason kombiniert.

Über den Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act of 1986 besteht in Kalifornien seit 27. Februar 1987 eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Melphalan enthalten, welche am 1. Juli 1990 erweitert wurde.[11] Am 1. April 1988 wurde Merphalan ebenfalls in die Regelung aufgenommen.[12]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Datenblatt Melphalan bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 29. Juni 2021 (PDF).
  2. DGHO-Leitlinie zum multiplen Myelom. onkopedia.com; abgerufen am 2. August 2015.
  3. AWMF-Leitlinie zum malignen Melanom. (Memento vom 23. November 2015 im Internet Archive) awmf.org; abgerufen am 14. August 2015.
  4. Dennis L. Kasper, Eugene Braunwald, Anthony S. Fauci, Stephen L. Hauser, Dan L. Longo, J. Larry Jameson: Harrison’s Principles of Internal Medicine. 16. Auflage. McGraw-Hill, New York 2005, S. 2028.
  5. Wieder Lieferengpass für Krebsmedikament Melphalan. In: aerzteblatt.de. 4. Mai 2016, abgerufen am 26. Mai 2016.
  6. FDA approves melphalan as a liver-directed treatment for uveal melanom. In: fda.gov. 15. August 2023, abgerufen am 31. August 2023 (englisch).
  7. Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen. S2k-Leitlinie der AWMF, Version 1.0. (PDF) AWMF, September 2017, abgerufen am 2. Juni 2021.
  8. Roter Hand Brief von Celgene. 8. April 2013, abgerufen am 2. August 2015.
  9. FDA-Approved Drugs, NDA 214383, abgerufen am 6. April 2021.
  10. Eintrag EU/1/22/1669 im EU-Register für Humanarzneimittel. Europäische Kommission; abgerufen am 19. August 2022.
  11. Melphalan. OEHHA, 1. Juli 1990, abgerufen am 6. Juli 2024 (englisch).
  12. Merphalan. OEHHA, 1. April 1988, abgerufen am 6. Juli 2024 (englisch).
  1. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Merphalan: CAS-Nr.: 531-76-0, PubChem: 4053, ChemSpider: 3913, Wikidata: Q27155886. Anderer Name: D/L-Melphalan.
  2. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Medphalan: CAS-Nr.: 13045-94-8, EG-Nr.: 814-399-1, ECHA-InfoCard: 100.247.424, PubChem: 20189, ChemSpider: 19016, Wikidata: Q27271686. Andere Namen: D-Melphalan, D-Sarcolysin.