Blätterung
Die Blätterung (frz. feuilletage, eng. foliation) einer Mannigfaltigkeit ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Differentialtopologie. Die topologische Theorie der Blätterungen wurde im Wesentlichen von Georges Reeb begründet.
Eine -dimensionale Blätterung einer Mannigfaltigkeit ist eine Zerlegung von in disjunkte, wegzusammenhängende Mengen, die lokal um jeden Punkt so aussehen wie eine Schichtung paralleler -dimensionaler Untermannigfaltigkeiten. Die Elemente nennt man die Blätter von ; die Blätter sind nicht notwendigerweise abgeschlossen oder gar kompakt.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sei eine glatte Mannigfaltigkeit. Eine Partition von in disjunkte wegzusammenhängende Mengen heißt Blätterung von , wenn ein Atlas existiert (d. h. ist eine offene Überdeckung und die sind Diffeomorphismen), so dass das Bild jeder nichtleeren Zusammenhangskomponente von unter in eine -Ebene abgebildet wird. Die Elemente nennt man die Blätter von
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sei ein nichtverschwindendes Vektorfeld auf , dann bilden die Flusslinien von eine eindimensionale Blätterung.
- Im Allgemeinen bilden Blätter global keine Untermannigfaltigkeit. Auf dem -Torus betrachte man das konstante Vektorfeld . Jede Flusslinie windet sich dicht um den Torus. Somit stimmt die Topologie eines solchen Blattes nicht mit der Topologie von überein (Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass nicht jede Untergruppe einer Lie-Gruppe eine Liesche Untergruppe ist).
- Sei ein Faserbündel, dann ist eine Blätterung.
- Allgemeiner, sei eine Submersion, dann ist eine Blätterung. Ein Beispiel einer Submersion, die kein Faserbündel ist, ist . Dies liefert eine Blätterung von , invariant unter der Translation , die induzierte Blätterung auf ist die 2-dimensionale orientierbare Reeb-Blätterung. Weiterhin ist die Blätterung auch invariant unter , in diesem Fall ist die induzierte Blätterung auf dem Möbiusband die 2-dimensionale nicht-orientierbare Reeb-Blätterung.
- Sei ein Homöomorphismus einer Mannigfaltigkeit F, dann hat der Abbildungstorus von f eine Blätterung transversal zu den Fasern, die sogenannte Suspensions-Blätterung.
- Die Hopf-Faserung ist eine Blätterung der in Kreise. Aus dem Satz von Vogt folgt, dass auch der eine Blätterung in Kreise besitzt.
Integrabilität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In obigen Beispielen wurde nicht direkt eine Partition vorgegeben, sondern stattdessen wurde an jedem Punkt nur eine Richtung spezifiziert, und es stellte sich die Frage, ob es eine Blätterung gibt, so dass jedes Blatt an jedem Punkt tangential zur vorgegebenen Richtung ist. Häufig findet man in der Praxis ähnliche Situationen: Auf einer Mannigfaltigkeit ist eine -dimensionale Distribution gegeben. Dies ist ein -dimensionales Unterbündel des Tangentialraums. Ob es zu dieser Distribution eine Blätterung gibt, die tangential dazu liegt, lässt sich oft durch den Satz von Frobenius beantworten.
Die Lie-Klammer zweier Vektorfelder, die auf einer Mannigfaltigkeit definiert sind, ergibt wieder ein Vektorfeld auf dieser Mannigfaltigkeit. Da jedes Blatt einer Blätterung lokal die Gestalt einer Untermannigfaltigkeit besitzt, folgt dann, dass für zwei beliebige Vektorfelder , die tangential zu sind (und die nur auf diesem Blatt definiert sein müssen) auch wieder tangential zu ist. Der Satz von Frobenius impliziert hingegen auch die Rückrichtung.
Satz von Frobenius (nach Ferdinand Georg Frobenius): Zu einer -dimensionalen Distribution existiert genau dann eine dazu tangentiale -dimensionale Blätterung, wenn für beliebige Vektorfelder , die in liegen, deren Lie-Klammer auch wieder einen Schnitt in bildet.
Eine topologische Obstruktion gegen die Integrabilität von Distributionen liefert der Satz von Bott.[1]
Satz von Bott (nach Raoul Bott): Wenn eine -dimensionale Distribution eine tangentiale -dimensionale Blätterung besitzt, dann verschwindet der von den Pontrjagin-Klassen von erzeugte Ring in Dimensionen .
Existenzsatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Satz von Thurston (nach William Thurston): Eine geschlossene glatte n-dimensionale Mannigfaltigkeit hat genau dann eine glatte (n-1)-dimensionale Blätterung, wenn ihre Euler-Charakteristik Null ist. Wenn die Euler-Charakteristik Null ist, dann ist jedes (n-1)-dimensionale Hyperebenenfeld homotop zum Tangentialebenenfeld einer glatten Blätterung.[2]
Straffe Blätterungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine ausgearbeitete Strukturtheorie gibt es in Kodimension 1 vor allem für straffe Blätterungen. Diese enthalten keine Reeb-Blätterungen und es gibt eine Riemannsche Metrik, so dass alle Blätter Minimalflächen sind.
Blätterungen von Flächen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn F eine geblätterte geschlossene Fläche ist, dann ist F entweder ein Torus oder eine Kleinsche Flasche und die Blätterung ist entweder die Suspensions-Blätterung eines Homöomorphismus oder sie besteht aus mehreren (orientierbaren oder nicht-orientierbaren) Reeb-Blätterungen.[3]
Blätterungen von 3-Mannigfaltigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kodimension 1
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Satz von Novikov-Zieschang (nach Sergei Nowikow und Heiner Zieschang): Wenn es auf einer geschlossenen, orientierbaren 3-Mannigfaltigkeit eine 2-dimensionale Blätterung ohne Reeb-Komponenten gibt, dann ist und alle Blätter sind inkompressibel.[4]
Satz von Palmeira: Wenn es auf einer geschlossenen, orientierbaren 3-Mannigfaltigkeit eine 2-dimensionale Blätterung ohne Reeb-Komponenten gibt, dann ist die universelle Überlagerung diffeomorph zum und die hochgehobene Blätterung ist eine Blätterung des durch Blätter diffeomorph zum .[5]
Satz von Gabai (nach David Gabai): Sei M eine geschlossene, irreduzible 3-Mannigfaltigkeit mit , dann gibt es auf M eine 2-dimensionale Blätterung ohne Reeb-Komponenten.[6]
Kodimension 2
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Satz von Epstein (nach David Epstein): Jede Blätterung einer kompakten 3-Mannigfaltigkeit durch Kreise ist eine Seifert-Faserung.[7]
Satz von Vogt (nach Elmar Vogt): Wenn eine 3-Mannigfaltigkeit eine Blätterung durch Kreise besitzt, dann trägt auch jede durch Entfernen endlich vieler Punkte aus entstandene Mannigfaltigkeit eine (nicht notwendig differenzierbare) Blätterung durch Kreise.[8]
Invarianten von Blätterungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- R. Abraham, Jerrold E. Marsden, T. Ratiu: Manifolds, Tensor Analysis and Applications., Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 0-201-10168-8, Kap. 4.4
- A. Candel, L. Conlon, Foliations. I, II, American Mathematical Society, Providence, RI, 2000
- G. Hector, U. Hirsch, Introduction to the geometry of foliations. Part A, B, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig, 1981
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Foliations (Manifold Atlas)
- Thomas Vogel: Deformationen von Blätterungen (Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 2014)
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bott, Raoul: On a topological obstruction to integrability. 1970 Global Analysis (Proc. Sympos. Pure Math., Vol. XVI, Berkeley, Calif., 1968) pp. 127–131 Amer. Math. Soc., Providence, R.I.
- ↑ Thurston, W. P.: Existence of codimension-one foliations. Ann. of Math. (2) 104 (1976), no. 2, 249–268.
- ↑ Hector, Gilbert; Hirsch, Ulrich: Introduction to the geometry of foliations. Part A. Foliations on compact surfaces, fundamentals for arbitrary codimension, and holonomy. Second edition. Aspects of Mathematics, 1. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig, 1986. xii+234 pp. ISBN 3-528-18501-5
- ↑ Novikov, S. P.: Топология слоений. Тр. Моск. мат. о-ва. 14 1965. 248—278.
- ↑ Palmeira, Carlos Frederico Borges: Open manifolds foliated by planes. Ann. Math. (2) 107 (1978), no. 1, 109–131.
- ↑ Gabai, David: Foliations and the topology of 3-manifolds. J. Differential Geom. 18 (1983), no. 3, 445–503.
- ↑ David Epstein: Periodic flows on three-manifolds. Ann. of Math. (2) 95 1972 66–82.
- ↑ Elmar Vogt: A foliation of and other punctured 3-manifolds by circles. Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. No. 69 (1989), 215–232.