Vermutung von Schanuel

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Die Vermutung von Schanuel ist eine bis heute unbewiesene mathematische Aussage über die Transzendenzgrade bestimmter Körpererweiterungen des Körpers der rationalen Zahlen. Diese Vermutung gehört also in den Bereich der Transzendenzuntersuchungen der Algebra und der algebraischen Zahlentheorie. Sie wurde in den 1960er Jahren von Stephen Schanuel formuliert, nach dem sie auch benannt ist.

Sei eine Menge von komplexen Zahlen, die über linear unabhängig sind.

Dann hat der Erweiterungskörper über mindestens den Transzendenzgrad .[1]

Die Vermutung ist bis heute (Januar 2024) unbewiesen.

Die Vermutung von Schanuel umfasst die meisten bekannten und bewiesenen Sätze und einige bekannte Vermutungen über die Transzendenz von Zahlen als Spezialfall.

  • Der Satz von Lindemann-Weierstraß entsteht in dem Spezialfall, dass die Menge nur aus algebraischen Zahlen besteht. Dann ist der Transzendenzgrad von genau .
  • Wählt man andererseits diese Zahlen so, dass eine Menge von algebraischen und -linear-unabhängigen Zahlen ist, dann ergibt sich eine (bisher unbewiesene) Verallgemeinerung eines Satzes von Alan Baker.[2]
  • Die Vermutung von Schanuel würde auch zeigen, dass Kombinationen wie transzendent sind und dass algebraisch unabhängig ist.
  • Aus der eulerschen Formel folgt, dass gilt. Sollte die Vermutung von Schanuel zutreffen, dann wäre dies in einem präzisierbaren Sinn im Wesentlichen die einzige Relation dieser Art zwischen den Zahlen über den ganzen Zahlen.[3]
    • Angus Macintyre zeigte bereits 1991, dass aus der Vermutung von Schanuel folgt, dass es keine solchen „unerwarteten“ exponentiell-algebraischen Relationen über den ganzen Zahlen gibt.[4]

Umkehrung der Vermutung

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Als Umkehrung der Vermutung von Schanuel wird die folgende Aussage bezeichnet:[5]

Sei ein abzählbarer Körper mit der Charakteristik 0, ein Gruppenhomomorphismus, dessen Kern eine zyklische Gruppe ist. Es gelte außerdem, dass für über linear unabhängige Elemente der Erweiterungskörper stets höchstens den Transzendenzgrad über hat. Dann gibt es einen Körperautomorphismus so, dass für alle gilt.

Die ebenfalls von Schanuel stammende Version der Vermutung für formale Potenzreihen wurde 1971 von James Ax bewiesen:[6] Gegeben seien formale Potenzreihen () in der komplexen Variablen , die linear unabhängig über sind, dann hat die Körpererweiterung mindestens den Transzendenzgrad .

Die Vermutung hat Auswirkungen in der Modelltheorie. Alfred Tarski zeigte, dass die Theorie reeller Zahlen ohne Exponentiation entscheidbar ist und fragte nach der Entscheidbarkeit der Theorie reeller Zahlen mit Exponentiation (Exponentialfunktionsproblem von Tarski). Alex Wilkie und Angus Mcintyre zeigten, dass die Theorie des reellen Zahlkörpers mit Exponentiation entscheidbar ist, falls die Vermutung von Schanuel wahr ist (wobei die über den reellen Zahlen formulierte Version der Vermutung ausreicht).[7] Eine weitere Anwendung in der Modelltheorie ist die Theorie der Pseudoexponentiation von Boris Zilber.[8][9]

  • Alan Baker: The theory of linear forms in logarithms. In: Alan Baker, David W. Masser (Hrsg.): Transcendence Theory. Advances and Applications. Proceedings of a Conference held in Cambridge in 1976. Academic Press, London 1977, ISBN 0-12-074350-7, S. 1–27.
  • Alan Baker: Transcendental number theory. Reissued as a Paperback with updated Material. 2. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1990, ISBN 0-521-39791-X.
  • Gregory Chudnovsky: On the Way to Schanuel’s Conjecture. In: Gregory Chudnovsky: Contributions to the Theory of transcendental Numbers (= Mathematical Surveys and Monographs. Band 19). American Mathematical Society, Providence RI 1984, ISBN 0-8218-1500-8, S. 145–176.
  • Serge Lang: Introduction to Transcendental Numbers. Addison-Wesley, Reading MA u. a. 1966.
  • Angus Macintyre: Schanuel’s Conjecture and Free Exponential Rings. In: Annals of Pure and Applied Logic. Band 51, Nr. 3, 1991, ISSN 0168-0072, S. 241–246, doi:10.1016/0168-0072(91)90017-G.
  • David Marker: Model Theory and Exponentiation. In: Notices of the American Mathematical Society. Band 43, 1996, ISSN 1088-9477, S. 753–759 (ams.org [PDF; 205 kB]).
  • Giuseppina Terzo: Some consequences of Schanuel’s conjecture in exponential rings. In: Communications in Algebra. Band 36, Nr. 3, 2008, ISSN 0092-7872, S. 1171–1189, doi:10.1080/00927870701410694.

Einzelnachweise

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  1. Lang (1966), S. 30f
  2. Baker (1977)
  3. Terzo (2008)
  4. Mcintyre (1991)
  5. Scott W. Williams: Million Bucks Problems (PDF; 17 kB)
  6. James Ax,On Schanuel's conjecture, Annals of Masthematics,Band 93, 1971, S. 252–265
  7. A. Macintyre, A. J. Wilkie, On the decidability of the real exponential field, in: Piergiorgio Odifreddi (Hrsg.), Kreiseliana: About and Around Georg Kreisel, A. K. Peters, 1996, S. 441–467.
  8. Boris Zilber, Exponential sums equations and the Schanuel conjecture, J. London Math. Soc., Band 65, 2002, S. 27–44.
  9. Boris Zilber,Pseudo-exponentiation on algebraically closed fields of characteristic zero, Annals of Pure and Applied Logic, Band 132, 2004, S. 67–95.