Sugambrer

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Das römische Gallien und rechtsrheinische Germanien um das Jahr 70 n. Chr.

Die Sugambrer (auch: Sigambrer, Sygambrer, lateinisch Sigambri, Sicambri, altgriechisch Σύγαμβροι) waren ein westgermanischer Stamm, der somit nach Caesars Definition rechts des Rheins in der Germania magna lebte.

Siedlungsgebiet

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Auch wenn neuere Befunde zunehmend konkretere Eingrenzungen der keltischen und germanischen Lebensräume und Lebensweisen zulassen: Ihr exaktes ursprüngliches Siedlungsgebiet ist nur ungefähr zu verorten. Der genaue Ursprung der Sugambrer ist nicht bekannt, es wird jedoch vermutet, dass sie ursprünglich vom Niederrhein oder dem Gebiet zwischen Rhein und Lippe stammten. Anhand historischer Beschreibungen, zwischenzeitlicher archäologischer Bodenbefunde und geographischer Marken wie Flüsse lässt sich das Gebiet der Sugambrer heute ungefähr eingrenzen.

Tacitus bezeichnete die Sugambrer zunächst als den Istvaeonen zugehörig. Er nahm dabei Bezug auf die Sage vom germanischen Gott Tuisto. Dessen Sohn sei Mannus, Ursprung und Gründer des Geschlechtes der Germanen. Dem Mannus wurden drei Söhne zugeschrieben, nach deren Namen die dem Meer am nächsten gelegenen Ingaevonen, die mittleren (d. h. im Landesinnern lebenden) Herminonen und die am Rhein lebenden Istaevonen genannt wurden. Das Gebiet der Sugambrer grenzte somit (auch) an den Rhein an oder lag jedenfalls nahe am Rhein. Durch Caesars Schilderungen ist belegt, dass ihr Gebiet an das der Ubier angrenzte. Caesar teilte mit, dass er „durch das Gebiet der Ubier“ zog, als er die Sugambrer angriff und sich danach zu den Ubiern zurückzog (se in fines Ubiorum recepit).[1] Das Gebiet der Ubier grenzte dabei direkt an den Rhein, denn Caesar sprach vom „Ubischen Ufer“ (quae ripas Ubiorum).[2] Die Sugambrer siedelten nach Cäsar „in der Nähe des Rheins“. Da die Sugambrer somit erstens nach Tacitus ebenfalls Rheinanlieger waren und sich zweitens nach Caesar zu den im heutigen Mittel- und Ostdeutschland lebenden Sueben flüchteten, lag das Gebiet der Sugambrer östlich und nördlich der Ubier.

Das Gebiet der südlich lebenden Ubier kann anhand von Münzfunden recht konkret eingegrenzt werden. So finden sich ubische Münzen (ubische EL/AR-Rbs dlT 9441/F 399 (Mardorf-Typ))[3] bei Beckinghausen (kleine Funde) und Bochum (kleine Funde)[3], wobei letztere auch später in das dortige Gebiet gelangt sein können. Den Fundplätzen nach wäre die südliche Grenze des Sugambrerlandes demnach die Ruhr. Die Ruhr als Grenzfluss zum Gebiet der Sugambrer wird auch vertreten.[4]

Historiker ziehen den Schluss, dass die erste Rheinüberquerung Caesars in das Gebiet der befreundeten Ubier nicht sehr weit von der Gebietsgrenze zu den Sugambrern erfolgte und belegen dies mit militärtaktischen Erwägungen und Caesars Schilderung. Caesar nahm demnach einen sicheren Übersetz- und Aufstellungsort im Gebiet der befreundeten Ubier und zog dann über deren Gebiet in das Gebiet des Feindes.[1] Insgesamt gab Caesar an, 18 Tage im rechtsrheinischen Gebiet gewesen zu sein (diebus omnino XVIII trans Rhenum consumptis)[5], in denen er in das Gebiet der Sugambrer gezogen, dieses verwüstet, die Felder abgeerntet hat und zu den Ubiern zurückgezogen ist. Dabei gab Caesar an, nur „wenige Tage“ im Gebiet der Sugambrer gewesen zu sein (Caesar paucos dies in eorum finibus moratus omnibus vicis aedificiisque incensis frumentisque succisis …).[1] Daher ist es auszuschließen, dass Caesar einen gefahrvollen mühevollen und weiten Weg über das Bergische Land nach Osten und dann nach Norden und die dort in Ermangelung vom Ackerbau schlechte Verpflegungslage riskierte. Es werden daher zwei Varianten angenommen: Entweder zog Caesar die Sieg entlang und dann ins Sauerland oder nach Norden entlang des Rheines zur Ruhr. Die Sieg entlang wäre der Marsch beschwerlicher gewesen und weiter als rechtsrheinisch den Rhein nach Norden hoch, wo zudem bereits der „Mauspfad“ als Handels- und Heeresweg vorhanden war. Die Südgrenze des Siedlungsgebietes der Sugambrer lag daher wohl einige Marschtage nördlich der Stelle der ersten Rheinüberquerung Caesars. Die Überquerung des Rheins wird heute zwischen Andernach und Köln verortet, wobei die Siegmündung oder Andernach als wahrscheinlich genannt werden. 75 km nördlich der Siegmündung (drei Tagesmärsche einer römischen Legion[6]) mündet die Ruhr in den Rhein, 75 km nördlich von Andernach mündet die Wupper in den Rhein. Insofern ist die unter Historikern vertretene Annahme, dass der Bereich zwischen Ruhr und Wupper die Südgrenze des Gebietes der Sugambrer markiert, plausibel.

Diese Annahme wird auch gestützt durch den von Caesar geschilderten Angriff der Sugambrer auf das zwischen Rhein und Maas im Gebiet der Eburonen gelegene Aduatuca. Denn für den Angriff musste der Rhein nach Westen überquert aber gleichzeitig das Gebiet der römerfreundlichen Ubier gemieden werden. Es bleibt damit nur eine Rheinüberquerung nördlich oder am Rand des Ubiergebietes, denn südlich der Ubier lag linksrheinisch das Gebiet der Treverer. Die Überquerung durch die Sugambrer muss somit nördlich des ubischen Gebietes, aber noch so nah an Aduatuca stattgefunden haben, das der Angriff sich anbot. Die genaue Lage von Aduatuca ist unklar, sicher ist aber die Lage zwischen der (deutschen) Voreifel und Lüttich an der Maas. Damit bleibt nur eine Rheinüberquerung der Sugambrer im Raum nördlich von Köln, denn südlicher lag das (Kern-)Gebiet der Ubier sehr weiter nördlich wäre Aduatuca außerhalb ihrer Reichweite gewesen. Diese Schilderung Cäsars stützt somit die Annahme zur Südgrenze des Gebiete zwischen Wupper und Ruhr.

Cassius Dio spricht bei der Schilderung des Drusus-Feldzuges 11 v. Chr. davon, dass „eine Brücke über die Lippe“ geschlagen wurde und man darüber „in das Land der Sugambrer vorrückte“. Sodann schildert er, dass auf dem Rückweg in die Winterlager „zwischen Lippe und Ruhr im Gebiet der Sugambrer“ ein Militärlager errichtet wurde.[7] Das Kernland der Sugambrer befand sich damit südlich der Lippe.

Das Gebiet der Sugambrer umfasste damit das Gebiet zwischen Lippe (Nordgrenze) und Ruhr sowie entlang des „Ruhrbogens“ vom Rhein bis ins Sauerland und Siegerland. Das Gebiet „umfasste“ somit das der Ubier in einem Bogen von Duisburg über Brilon bis Siegen herunter, vermutlich auch Teile des Oberbergische Land[8]. Die Südgrenze war möglicherweise die Ruhr, jedenfalls spätestens an der Wupper erreicht. Möglicherweise grenzten ubisches und sugambrisches Gebiet auch zwischen Ruhr und Wupper.

Die Sugambrer wurden vollständig oder nur zum Teil, unter Tiberius im Jahre 7 v. Chr. in linksrheinische Gebiete an die Maas in das Gebiet der Sunuker umgesiedelt. Strabon zählte die Sugambrer gemeinsam mit den Kimbern zu einer germanischen Stammesgruppe, die zwischen Rheinnähe und Nordsee ansässig war. Die Sugambrer sollen als erste der germanischen Stammesverbände Könige gehabt haben.[9]

Die Entstehung des Stammes ist nicht endgültig geklärt. Wahrscheinlich knüpfte die Stammesbildung an vorhandene keltische Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen im Sauerland und Siegerland an. Die Sugambrer waren vermutlich an der Gewinnung oder am Handel mit Blei aus der Gegend von Brilon beteiligt. Um 55 v. Chr. wurden sie bei den Römern erwähnt, weil sie den diesen unterlegenen Usipetern und Tenkterern Aufnahme gewährten und unter Berufung auf die Rheingrenze deren Auslieferung verwehrten. Im Jahre 53 v. Chr. griffen sie das römische Militärlager bei Atuatuca im linksrheinischen Gallien an, das unter der militärischen Führung von Quintus Tullius Cicero stand.[10]

Im Jahre 16 v. Chr. töteten Sugambrer, Usipeter und Tenkterer Römer im rechtsrheinischen Germanien, führten anschließend einen Plünderungszug nach Gallien durch und besiegten die sie verfolgenden römischen Truppen des Statthalters Marcus Lollius, darunter die V. Legion (clades Lolliana). Diese Niederlage war unzweifelhaft ein schwerer Schlag für das imperiale Prestige des Augustus. Die Germanen entzogen sich der Auseinandersetzung und gingen einen (Schein-)Frieden ein.

Das Legionslager Vetera kontrollierte gegenüber der Lippemündung die Siedlungsgebiete der rechtsrheinischen Stämme der Sugambrer, Brukterer, Tenkterer und Usipeter. Es waren genau diese Völkerschaften, auf deren Konto die Einfälle in Gallien gingen. Durch das Lippetal war eine Verbindung Veteras mit der Westfälischen Bucht gegeben.

Sugambrer unter ihrem König Maelo (oder Melo)[11] und mit ihnen verbündete Tenkterer und Usipeter brachen im Jahre 12 v. Chr. erneut in Gallien ein, als dort aufgrund des ersten Provinzialcensus schwere Unruhen herrschten. Drusus drängte mit einem Truppenaufgebot die Eindringlinge zurück und eröffnete auf der anderen Rheinseite unmittelbar nach dem 1. August 12 v. Chr. eine Strafexpedition, die den Beginn der Drusus-Feldzüge (12 bis 8 v. Chr.) markierte. Der Einmarsch in Germanien ging von niederrheinischem Gebiet zunächst in das Land der Usipeter (Südosten der heutigen Provinz Gelderland), dann gegen die zwischen Lippe und Ruhr siedelnden Sugambrer (die Strabon als Verursacher für den Kriegsausbruch bezeichnet). Die endgültige Unterwerfung der Sugambrer gelang aber erst Tiberius im Jahr 8 v. Chr.[12] der Stammesteile in linksrheinisches Gebiet in etwa ins Land der Sunuker umsiedelte. In der Gegend von Xanten gründeten sie eine Siedlung, aus der die Colonia Ulpia Traiana hervorging. Um diese Zeit wurde auch das Römerlager Oberaden aufgegeben, vermutlich weil es seine Funktion verloren hatte.

Im Jahr 1 n. Chr. beteiligten sich die Sugambrer wohl am immensum bellum (1–5 n. Chr.), einem Aufstand germanischer Stämme. Deudorix, Neffe des früheren Königs Maelo, wurde 17 n. Chr. im Triumphzug des Germanicus in Rom als Gefangener mitgeführt.[13] Der Name der Sugambrer erhielt sich in der späteren Stammestradition der Franken, so wurde Chlodwig I. bei seiner Taufe vom Bischof von Reims noch als „tapferer Sugambrer“ angesprochen.[12]

Identifikation der Sugambrer mit anderen Stämmen

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Der im Gebiet der späteren Colonia Ulpia Traiana ansässige Stamm der Cugerner (evtl. „die Kuhreichen oder Kuhgierigen“) oder Cuberner ging vermutlich aus den dort angesiedelten Sugambrern hervor.[12] Des Weiteren sind einige Forscher der Meinung, die Sugambrer seien mit den bei Tacitus erwähnten Gambriviern oder Gamabriviern identisch,[14] einem der Stämme, die gemeinsam mit Marsern, Sueben und Vandiliern behaupteten, vom Gott Mannus abzustammen.[15]

Plinius der Ältere berichtete, dieser Stamm siedele direkt am Rhein,[16] während Strabon ihn gemeinsam mit Cheruskern und Chatten an der Weser lokalisierte. Daneben existiert die Auffassung, die Marser seien mit den Sugambrern zu identifizieren, die an der Umsiedlung auf die linke Rheinseite nicht teilgenommen hatten.[17]

Bedeutung des Namens

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Der Name der Sugambrer ist in verschiedenen Schreibweisen überliefert; so ist unter anderem von „Sugambri“, „Sygambri“, „Sigambri“, „Sugambroi“, „Sugumbri“, „Sucambri“ und „Sycambres“ die Rede. Dies erschwert eine genaue etymologische Deutung des Namens, zumeist aber werden die Sugambrer und Gambrivier zu einer germanischen Wurzel „*Gambra“ („kraftvoll, tatkräftig, Eifer“) gestellt. Daneben gibt es aber auch verschiedene Deutungen des Namens aus dem Keltischen,[18] z. B. aus einer Wurzel „*cam“. „Su-“ ist ein gebräuchliches keltisches Präfix mit der Bedeutung „gut“ oder „stark“. Die Verbindung des Stammesnamens der Sugambrer mit den Regionen Sauerland, Siegerland oder dem Fluss Sieg sind rein spekulativ und etymologisch wenig schlüssig.

Bekannte Angehörige der Sugambrer

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Einige Sugambrer wurden im Tatenbericht des Augustus und bei Strabon namentlich genannt: Maelo, König oder Fürst der Sugambrer, unter dessen Befehl sie um 12 v. Chr. in Gallien einfielen, dessen Bruder Baitorix sowie dessen Sohn Deudorix.

Einzelnachweise

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  1. a b c Caesar: De bello Gallico 4,19,1.
  2. Caesar: De bello Gallico 6,29,1.
  3. a b Johannes Heinrichs: Zur Verwicklung ubische Gruppen in den Ambiorix-Aufstand des Jahres 54 v. Chr. - Eburonische und ubische Münzen im Hortfund Fraire-2. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Nr. 127, 1999, S. 291, 293.
  4. [1] Wilhelm Blankertz, Die Germanen des Bergischen Landes und seiner Nachbargebiete zur Römerzeit, abgerufen am 7. Januar 2023
  5. Caesar: De bello Gallico 4,19,4.
  6. Klaus Hillingmeier: Kampfmaschine: Die römische Armee, auf g-geschichte.de (abgerufen am 5. Februar 2023).
  7. Cassius Dio: Bücher 51 - 60. In: Römische Geschichte. Band 4. Zürich/München 2007, ISBN 3-7608-3673-9, S. 54, 33, 1–5.
  8. Vergleiche Karte Germanien und Rätien zur Römerzeit. In: Hans-Georg Stier u. a. (Hrsg.): Westermann. Großer Atlas zur Weltgeschichte. Georg Westermann Verlag, Braunschweig 1981, S. 37.
  9. Res gestae divi Augusti 32,1 (reges); Strabon 7,1,4 (ἠγεμῴν).
  10. Caesar: De bello Gallico 6,35–41.
  11. Res gestae divi Augusti 32,1; Strabon 7,1,4.
  12. a b c Krüger: Die Germanen. Bd. 1, S. 408.
  13. Strabon 7,1,4.
  14. Krüger: Die Germanen. Bd. 1, S. 408; Heinz Cüppers: Gambrivii. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 2, Stuttgart 1967, Sp. 688 f, hier Sp. 689.
  15. Krüger: Die Germanen. Bd. 1, S. 523.
  16. Plinius: Naturalis historia 4,99.
  17. Reinhard Wenskus: Stammesbildung und Verfassung. 2., unveränderte Auflage. Böhlau, Köln 1977, S. 437 f.
  18. Alexander Sitzmann, Friedrich E. Grünzweig: Die altgermanischen Ethnonyme. Ein Handbuch zu ihrer Etymologie. S. 138.