Siegmund von Herberstein

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Darstellung Siegmund von Herbersteins in moskowitischer Tracht (1517)
Siegmund von Herberstein ebenfalls in russischer Kleidung (1517)
Auerochs
… und Wisent von Herberstein, 1556

Siegmund Freiherr von Herberstein oder Sigismund von Herberstein (* 24. August 1486 in Wippach; † 28. März 1566 in Wien) war ein österreichischer Kaiserlicher Rat und Gesandter am Russischen Hof. Seine Reisebeschreibungen in seiner berühmten Moscovia machen ihn neben seinem Stichwortgeber Johann Fabri zum Begründer der deutschsprachigen Russland-Kunde.[1] Er gilt als der schreibfreudigste Autobiographen Österreichs im 16. Jahrhundert.

Siegmund entstammte dem Krainer Zweig der steirischen Adelsfamilie Herberstein. Nach dem Studium in Wien wurde Herberstein in der Finanzverwaltung sowie insbesondere im diplomatischen Dienst der Habsburger tätig, für den ihn seine weitreichende Bildung und seine umfangreichen Sprachkenntnisse prädestinierten.

Aus der Reihe seiner zwischen 1515 und 1553 unternommenen 69 Auslandsreisen ragen neben den 1541 erfolgreich verlaufenen Verhandlungen über eine Waffenruhe mit dem osmanischen Sultan Süleyman I. zwei Reisen nach Russland heraus.

Bereits mit seiner ersten Russlandreise 1516/17 avancierte Herberstein zum „Osteuropaexperten“ in habsburgischen Diensten. 1525/26 führte ihn eine weitere Reise an den Hof des Moskauer Großfürsten. Seine dabei gesammelten Eindrücke publizierte Herberstein 1549 in lateinischer Erstausgabe unter dem Titel Rerum Moscoviticarum Commentarii in Wien, die 1551 in Basel in geringfügig veränderter und 1556 in einer vom Autor erweiterten Ausgabe neu aufgelegt und in der Folgezeit dann häufig nachgedruckt wurde. Eine italienische Bearbeitung von F. Corvinus[2] unter dem Titel Commentari della Moscovia et parimente della Russia et delle altre cose belle et notabile erschien 1550 in Venedig. Herberstein selber veranstaltete auf der Grundlage der lateinischen Ausgabe von 1556 eine neuerlich erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache, die 1557 unter dem Titel Moscovia der Hauptstat in Reissen in Wien erschien. Unabhängig von dieser verfasste Heinrich Pantaleon (1522–1595), Doktor der Artes und der Medizin zu Basel, noch eine zweite deutsche Übersetzung, die unter dem Titel Moskoviter wunderbare Historien 1563 in Basel erschien und in der Folgezeit mehrfach, gelegentlich auch unter dem Titel Die Moskovitische Chronica, nachgedruckt wurde, so unter anderem auch in einer von Katharina der Großen initiierten Petersburger Ausgabe von 1795.

Herbersteins Beschreibung ist auch heute noch historisch und kulturhistorisch von Wert, weil der Autor sich neugierig und sprachkundig bei seinen Gesprächspartnern informiert, auch Abschriften aus Quellen und Dokumenten anführt und seine Informationen und eigenen Beobachtungen kritisch auszuwerten versteht. Sein Werk war der erste bedeutende Bericht aus der Feder eines Westeuropäers über das im Abendland seit Generationen nur am Rande zur Kenntnis genommene Russland. Denn die von 1238/40 bis 1480 dauernde Mongolenherrschaft hatte den russischen Raum eine andere Entwicklung nehmen lassen und ihn aus dem Blickfeld der meisten Mitteleuropäer gerückt. Der Bericht enthält neben den detaillierten Schilderungen der Verhältnisse am russischen Hof auch Anmerkungen zu Kulturkontakten zwischen Russland und dem Westen, die zu seiner Zeit besonders mit Italien bestanden und unter anderem durch das Wirken italienischer Renaissance-Baumeister den russischen Kirchenbau geprägt hatten.

Herberstein starb 1566 in Wien und ist begraben in der dortigen Kirche St. Michael.

Schriften (Auswahl)

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  • Mein Sigmunden Freyherrn zu Herberstain, Neyperg und Guttenhag, Raittung und Antzaigen meines Lebens und Wesens wie hernach volgt. Autobiographische Aufzeichnung bis zum Jahr 1545, herausgegeben von Martin Georg Kovachich, Sammlung kleiner noch ungedruckter Stücke, in welchen gleichzeitige Schriftsteller einzelne Abschnitte der ungarischen Geschichte aufgezeichnet haben, Bd. I, Ofen 1805 Volltext, Seiten 111–287
  • Rerum Moscoviticarum commentarii, Wien 1. März 1549. – Verbesserte Ausgabe Basel, bei Johannes Oporinus, 1551. – Vom Autor erweiterte und verbesserte Neuausgabe Basel, bei Johannes Oporinus, 1. Juli 1556. – Zahlreiche Nachdrucke, darunter der in Text, Abbildungen und Seitenzählung mit der Ausgabe von 1556 übereinstimmende Nachdruck in Basel, bei Johannes Oporinus, 1571 (Digitalisat der Göttinger Staatsbibliothek)
  • Moscouia der Hauptstat in Reissen, durch Herrn Sigmunden Freyherrn zu Herberstain, Neyperg vnd Guetenhag Obristen Erbcamrer, und obristen Erbtruckhsessen in Kärntn, Römischer zu Hungern und Beheim Khü. May. etc. Rat, vnd Presidenten der Niderösterreichischen Camer zusamen getragen, Wien, bei Michael Zimmermann, 1557 (Digitalisat der Göttinger Staatsbibliothek). Von Herberstein selber veranlasste und erweiterte deutsche Ausgabe auf der Grundlage der Basler Ausgabe von 1556.

Weitere Schriften Herbersteins sind verzeichnet bei:

  • August Dimitz: Geschichte Krains von der ältsten Zeit bis auf das Jahr 1813, Zweiter Theil: Vom Regierungsantritte Maximilians I. (1493) bis zum Tode Kaiser Ferdinands I. (1564, Kapitel: 2. Der Krieg mit Venedig (1508–1516), S. 9 ff.);
  • Friedrich Adelung: Siegmund Freiherr von Herberstein. Mit besonderer Ruecksicht auf seine Reisen in Russland. N. Gretsch, Sankt Petersburg 1818 (Google-Books).
  • Ernst Heinrich Kneschke: Deutsche Grafenhäuser der Gegenwart, Bd. I (A–K), Leipzig 1852, 503 S.; S. 348–352 (Sigmund v. H., Kurzbiografie und Wappenbeschreibung, S. 351).
  • Constantin von Wurzbach: Herberstein, Sigismund. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 8. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1862, S. 342 f. (Digitalisat).
  • Ludwig GeigerHerberstein, Siegmund. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 12, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 35–39.
  • A. Nehring: Freiherr von Herberstein, 1897.
  • Joža Glonar[3]: Herberstein Sigismund -diplomat in zgodovinar (Historiker). In: Slovenski biografski leksikon (Slowenisches biographisches Lexikon) (SBL), Prva Knjiga (Erstes Buch) Abraham – Lužar, Ljubljana 1925–1932, Reprint Nendeln/Liechtenstein 1976, S. 313 f.
  • Bertold Picard: Das Gesandtschaftswesen Ostmitteleuropas in der frühen Neuzeit. In: Beiträge zur Geschichte der Diplomatie in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nach den Aufzeichnungen des Freiherrn Sigmund von Herberstein. Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas, Band VI. Hermann Bohlaus Nachf., Graz/Wien/Köln 1967.
  • Dorothea Bergstraesser: Herberstein, Sigmund Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 579 f. (Digitalisat).
  • Heinz Dopsch: Herberstein, Sigmund von. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. München 1976, S. 148–150.
  • Wolfgang Leitsch: S. von Herberstein. In: Gerhard Pferschy, Peter Krenn (Hrsg.): Die Steiermark. Brücke und Bollwerk. Katalog d. Landesausstellung Schloß Herberstein b. Stubenberg: 3. Mai bis 26. Oktober 1986, Schloss Herberstein 1986.
  • Sandi Sitar: Žiga Herberstein, diplomat, potopisec in kartograf (1486–1566) – Odkritje Rusije – (Sigmund Herberstein, Diplomat, Reisechronist und Kartograph (1486–1566) – Entdeckung Russlands). In: Sto slovenskih znastvenikov, zdravnikov in technikov (Einhundert slowenische Wissenschaftler, Ärzte und Techniker), Ljubljana 1987, Kapitel 13, S. 86–87.
  • Frank Kämpfer: Siegmund von Herbersteins „Rerum Moscoviticarum Commentarii“ als religionsgeschichtliche Quelle. In: Gerhard Pferschy (Hrsg.): Siegmund von Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und Begründer der Rußlandkunde und die europäische Diplomatie, Graz 1989, S. 147–163.
  • Gerhard Pferschy (Hrsg.): Siegmund von Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und Begründer der Russlandkunde und die europäische Diplomatie, Graz 1989 (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives 17).
  • Günther Stökl: Das moskovitische Gesandtschaftswesen bis in die Zeit Herbersteins. In: Gerhard Pferschy (Hrsg.): Siegmund von Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und Begründer der Rußlandkunde und die europäische Diplomatie, Graz 1989, S. 79–87.
  • Frank Kämpfer: Das Russlandbuch Sigismunds von Herberstein: Rerum Moscoviticarum Commentarii 1549–1999. Beiträge zu Ehren der internationalen Tagung im Oktober 1999 an der Universität Münster, Hamburg 1999.
  • Ludvig Modest Golia: Slowenische Ausgabe der „Rerum Moscoviticarum comentarii“ unter dem Titel: Sigismund Herberstein, Moskovski zapiski (Moskauer Kommentare), Slovenska Matica, Ljubljana 2001, ISBN 961-213-087-6.
  • 450 Jahre Sigismund von Herbersteins ‚Rerum Moscoviticarum Commentarii‘. 1549–1999, Hrsg. von Frank Kämpfer, München 2002.
  • Xenja von Ertzdorff: Sigmund von Herberstein. Der Botschafter der Rerum Moscoviticarum Commentarii (1549 ff.) und seiner deutschen ausgabe der Moscovia (Wien 1557), In: Xenja von Ertzdorff, Gerhard Giesemann (Hrsg.): Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und Länderberichte, Amsterdam 2003, S. 335–364.
  • Marija Wakounig: „… hab ich teutsch und windisch gelernnet …“ Zur Herkunft und zu den kulturellen Wurzeln von Sigismund von Herberstein. In: Christoph Augustynowicz u. a. (Hrsg.): Russland, Polen und Österreich in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Walter Leitsch zum 75. Geburtstag. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2003, S. 15–30.
  • Stefan Michael Newerkla: Russen auf der Durchreise. Tübingen 1525 als Wiege der deutschen Russlandkunde. In: Bernhard Brehmer – Anja Gattnar – Tatiana Perevozchikova (Hrsg.): Von A wie Aspekt bis Z wie zdvořilost. Ein Kaleidoskop der Slavistik für Tilman Berger zum 65. Geburtstag. Tübingen Library Publishing, Tübingen 2021, ISBN 978-3-946552-49-9, S. 377–383 (Digitalisat).
  • Stefan Karner, Barbara Stelzl-Marx (Hrsg.): Moscovia – Sigmund von Herberstein. Die Reisen nach Moskau. Bedeutung und Erbe. Leykam, Graz 2021 (Veröffentlichung des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung. Sonderband 23, Graz/Wien/Raabs), (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs. Band 44), (Europa-Russland. Band 1), ISBN 9783701104567.
Commons: Siegmund von Herberstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Stefan Michael Newerkla: Russen auf der Durchreise. Tübingen 1525 als Wiege der deutschen Russlandkunde. In: Bernhard Brehmer – Anja Gattnar – Tatiana Perevozchikova (Hrsg.): Von A wie Aspekt bis Z wie zdvořilost. Ein Kaleidoskop der Slavistik für Tilman Berger zum 65. Geburtstag. Tübingen: Tübingen Library Publishing, 2021, S. 377–383 (Digitalisat).
  2. Irmgard Bezzel: Die Bibliothek des Gurker Bischofs Johann Jakob von Lamberg (1561–1630). Eine Bibliothek romanischsprachiger Drucke des 16. Jahrhunderts. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Band 89, (5. November) 1968 (= Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band 62), S. 2919–2928, hier: S. 2926, Anm. 58.
  3. Bibliothekar in der Staatlichen Studienbibliothek in Ljubljana