Nikolaikirche (Tallinn)

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Außenansicht der Nikolaikirche.

Die Nikolaikirche (estnisch Niguliste kirik) ist eines der Wahrzeichen der estnischen Hauptstadt Tallinn.

Sie liegt am Fuße des Tallinner Dombergs südlich der Nikolaistraße und östlich der Ritterstraße.

Im Inneren der Tallinner Nikolaikirche.

Die Kirche wurde zwischen 1230 und 1275 von westfälischen Kaufleuten gegründet, die von der Insel Gotland nach Tallinn gezogen waren. Da Tallinn zur damaligen Zeit noch nicht befestigt war, errichtete man zunächst eine Wehrkirche als Zentrum der Ansiedelung. Erst im 14. Jahrhundert, nach Fertigstellung der Stadtmauer, wurde die Nikolaikirche zu einer gewöhnlichen Gemeindekirche. Sie wurde dem Heiligen Nikolaus geweiht, dem Schutzpatron der Kaufleute, Seeleute und Fischer.

Zwischen 1405 und 1420 erhielt die Kirche ihr heutiges gotisches Aussehen, als die Hansestadt Reval zu einigem Reichtum gekommen war. Das Mittelschiff überragte die Seitenschiffe und die Kirche wurde zu einer vollwertigen Basilika ausgebaut. 1515 wurde der Turm erhöht und mit einem spätgotischen Helm verziert. Im 17. Jahrhundert wurde der Turm verstärkt und mit einem Barockhelm ergänzt, der in den folgenden Jahrzehnten auf seine jetzige Höhe von 105 m erweitert wurde.

Die Nikolaikirche war die einzige Tallinner Kirche, die während der protestantischen Reformation in der Stadt 1523/24 vom Bildersturm verschont blieb. Angeblich soll der Kirchenvorstand zwar wie gefordert die Kirchenschlüssel ausgehändigt haben. Die Kirchenoberen füllten aber geschmolzenes Blei in die Schlüssellöcher und verwehrten so den aufgeputschten Massen den Zugang zur Kirche.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Nikolaikirche fast vollständig zerstört. Dem verheerenden Luftangriff der Roten Armee auf Tallinn am 9. März 1944 und dem anschließenden Feuer fielen ein Großteil des Kircheninneren zum Opfer. Die meisten Kunstschätze konnten allerdings rechtzeitig evakuiert werden. Die Kirche wurde zwischen 1953 und 1984 wieder aufgebaut. Heute ist die Nikolaikirche Teil des estnischen Kunstmuseums. In ihr sind die wichtigsten sakralen Schätze Tallinns ausgestellt. Sie dient außerdem als Konzertsaal mit einer beeindruckenden Akustik. Konzertorganist der Nikolaikirche ist seit 1981 der estnische Musiker Andres Uibo.

Wichtigstes Kunstwerk der Nikolaikirche ist der Totentanz des Lübecker Künstlers Bernt Notke in der Antoniuskapelle. Nur etwa ein Viertel des ursprünglich 30 m langen Werks von 1508/09 ist erhalten geblieben. Der Totentanz in der Nikolaikirche ist wahrscheinlich die mittelalterliche Replik des Lübecker Totentanzes der Lübecker Marienkirche, der allerdings am 29. März 1942 beim Luftangriff auf Lübeck zerstört wurde.

Der Tallinner „Totentanz“ von Bernt Notke
Hochaltar der Nikolaikirche aus der Werkstatt Hermen Rodes.

Der Hochaltar der Nikolaikirche wurde 1478–1481 in der Werkstatt von Hermen Rode aus Lübeck hergestellt. Er ist eine Bestellung der Bruderschaft der Schwarzhäupter und kostete damals 1.250 Mark Lübisch. Die Gemälde des vierflügeligen Altars zeigen das Leben des Heiligen Nikolaus. Der Mittelteil und die Außenseite der Flügel zeigen über dreißig Figuren aus Holz, die sogenannte Heiligengalerie. Im Hintergrund auf dem rechten Außenflügel befindet sich die älteste gemalte Stadtansicht Lübecks. Weitere Kunstwerke sind der Marienaltar (um 1500) und der Altar der Heiligen Familie, der um 1490 in der Werkstatt von Jan Borman in Brüssel gefertigt wurde. Der Altar der Passion Christi (auch Antonius-Altar genannt) wurde auf Bestellung der Schwarzenhäupter-Bruderschaft ca. 1510/15 durch den Brügger Maler Adriaen Isenbrant hergestellt. Er wurde später vom Revaler Meister Michel Sittow ergänzt.

In der Silberkammer der Nikolaikirche sind die Silberschmuckstücke der Gilden und Zünfte sowie der Schwarzenhäupter-Bruderschaft ausgestellt.

Charles Eugène de Croÿ

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Die Mumie Charles Eugène de Croÿs. Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert.

In einer Seitenkapelle der Nikolaikirche war eine skurrile Kuriosität Estlands aufgebahrt: die Mumie des zaristischen Feldmarschalls Graf Charles Eugène de Croÿ. Er befehligte 1700 die russischen Truppen in der Schlacht bei Narva. Von der schwedischen Armee gefangen genommen starb er wenige Jahre danach in Tallinn. Da niemand für seine Beerdigung bezahlen wollte, blieb der mumifizierte Leichnam in der Nikolaikirche ausgestellt und wurde dort zu einer Sehenswürdigkeit der Stadt. Erst 1897 ließen ihn die russischen Behörden in der Clodtschen Grabkapelle beisetzen.

Die kuriose Lebens- und Todesgeschichte des Herzogs wurde von Werner Bergengruen literarisch beschreiben (1939).

An die Nordseite der Kirche wurden im 17. und 18. Jahrhundert eine Reihe von Grabkapellen angebaut, unter anderem für Bogislaus von Rosen (1651), Gustav Adolf Clodt von Jürgensburg (1673) und den Gouverneur Herzog Peter August (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck) (1773).

Südlich der Kirche befindet sich die Kelch-Linde, an der der Pastor und Chronist Christian Kelch beigesetzt sein soll.

Die Hauptorgel wurde 1981 von der Orgelbaufirma Rieger-Kloss erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 62 Register auf vier Manualwerken und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind elektrisch.[1]

I Hauptwerk C–a3
01. Principal 16′
02. Principal 08′
03. Rohrflöte 08′
04. Gemshorn 08′
05. Octave 04′
06. Hohlflöte 04′
07. Quinte 0223
08. Superoctave 02′
09. Mixtur Major V 02′
10. Scharf IV 01′
11. Trompete 16′
12. Trompete 08′
II Positiv C–a3
13. Principal 08′
14. Gedackt 08′
15. Quintatön 08′
16. Principal 04′
17. Rohrflöte 04′
18. Octave 02′
19. Spitzflöte 02′
20. Quinte 0113
21. Superoctave 01′
22. Sesquialtera II 0223
23. Mixtur IV 01′
24. Dulcianregal 16′
25. Krummhorn 08′
Tremulant
III Schwellwerk C–a3
26. Bordun 16′
27. Holzflöte 08′
28. Principal 04′
29. Querflöte 04′
30. Doublette 02′
31. Cornett V (ab ais0) 08′
32. Fourniture V
33. Basson 16′
34. Trompette Harmonique 08′
35. Clairon Harmonique 04′
Tremulant
IV Schwellwerk C–a3
36. Koppelflöte 8′
37. Gamba 8′
38. Schwebung (ab c0) 8′
39. Principal 4′
40. Blockflöte 4′
41. Nazard 223
42. Waldflöte 2′
43. Terz 135
44. Sifflöte 1′
45. Quintan II
46. Cimbel III
46. Hautbois 8′
47. Vox Humana 8′
48. Regal 4′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
49. Principal 16′
50. Subbass 16′
51. Bordun (= Nr. 26) 16′
52. Quinte 1023
53. Octave 08′
54. Bassflöte 08′
55. Choralbaß 04′
56. Holzflöte 04′
57. Nachthorn 02′
58. Rauschbaß III 0513
59. Mixtur V 0223
60. Bombarde 16′
61. Trompete 08′
62. Clairon 04′
  • Freytag, Hartmut: Der Totentanz der Marienkirche in Lübeck und der Nikolaikirche in Reval (Tallinn). Edition, Kommentar, Interpretation, Rezeption. Köln 2002 (ISBN 3-412-01793-0)
  • Werner Bergengruen: Der Tod von Reval. Kuriose Geschichten aus einer alten Stadt. dtv, 3. Auflage 2012, Kapitel: Die Stadt der Toten, ISBN 978-3-423-13446-0.
Commons: Nikolaikirche (Tallinn) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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Koordinaten: 59° 26′ 9″ N, 24° 44′ 33,4″ O