State Building

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State Building (dt. Staatsbildung, Staatsaufbau) ist ein Begriff aus der Staatstheorie, womit der Aufbau eines funktionsfähigen Staates bezeichnet wird. Eine Diskussion dazu wird vor allem in der englischsprachigen Literatur geführt; ist aber auch für den deutschsprachigen Raum interessant. Dieser Terminus fand seine erste weitere Verbreitung im Zusammenhang mit der Bildung von westeuropäischen Staaten und thematisierte die Machtdurchsetzung des Staates gegenüber der Gesellschaft (siehe Tilly 1975).

Im Vordergrund der theoretischen Betrachtungen zum State Building steht generell die Durchsetzung von Staatsmacht unter Bedingungen des staatlichen Wandels. Darüber hinaus müssen sich Staaten in Umbruchsprozessen oder solche mit schwachen Staatsstrukturen den Herausforderungen stellen, welche der (Neu-)Aufbau von Staatsstrukturen und -aufgaben mit sich bringt. Beispiele sind die Nachfolgestaaten der Sowjetunion oder Jugoslawiens, aber auch Afrika südlich der Sahara. Ob es in den vergangenen Jahren tatsächlich zu einem Zerfall staatlicher Institutionen gekommen ist, der nun eine veränderte Politik nötig macht, ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten (vgl. Schlichte 2005).

Das State Building beinhaltet unter anderem den Aufbau von Institutionen und die Institutionalisierung von staatlichen Abläufen. State Building kann man zusätzlich mit der Herausbildung eines staatlichen Zentrums und der Integration der Peripherie in zentralstaatliche Strukturen gleichsetzen bzw. als den Wandel von Informalität zur Formalität verstehen.

Charles Tilly[1] beschreibt die Segnungen des State Building folgendermaßen:

„State building provided for the emergence of specialized personnel, control over consolidated territory, loyalty, and durability, permanent institutions with a centralized and autonomous state that held the monopoly of violence over a given population.“

Stand der Diskussion

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Die ältere Literatur zu State Building befasst sich im Allgemeinen mit dem Grad von Staatlichkeit, der nötig ist, um die Beziehungen zwischen dem Staat und der Gesellschaft zu regeln. Genannt seien hier die Autoren Charles Tilly, Theda Skopcol, Gabriel Almond, Joel Migdal und Stephen Krasner. Vordergründig werde die Beziehungen von Akteuren aus Staat und Gesellschaft betont, oftmals stehen aber institutionelle Aspekte dieser Interaktionen im Vordergrund.

In den letzten Jahren wird mit State Building das „Staaten bauen“ (Fukuyama 2004a) umrissen. Das bedeutet, die Unzulänglichkeiten von schwachen Staaten abzubauen und ihre staatlichen Fähigkeiten zu erhöhen. Fukuyama (2004a) formuliert es folgendermaßen: „State-building is the creation of new government institutions and the strengthening of existing ones.“ Das betrifft insbesondere Staaten, die einen Prozess der „Degeneration“ durchmachen, sei es durch den Zusammenbruch übergeordneter (Großmacht-)Strukturen oder durch kriegerische Auseinandersetzungen.

Das Thema state building hat seit den späten 1990er Jahren in der westlichen Politik und Wissenschaft Konjunktur, weil sich hier ein Konvergenzpunkt der institutionellen Interessen von sicherheitspolitischen und entwicklungspolitischen Akteuren ergeben hat. Für beide ergeben sich aus diesem Paradigma gute Legitimationen ihrer weiteren Finanzierung aus Steuergeldern.

Der Aufbau eines Staates kann nur mit der entsprechenden Staatsmacht geschehen. Institutioneller Wandel und der Aufbau eines funktionsfähigen Staates erfordern überdies Klarheit über die wesentlichen Komponenten von Staatlichkeit. Das State Building beinhaltet, dass Minimalanforderungen an einen funktionsfähigen Staat aufgestellt werden (World Bank 1997). Damit werden die Grundbausteine zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Staates gelegt. Behindernd wirkt sich die Tatsache aus, dass State Building häufig in einem unsicheren Umfeld erfolgt, in dem die alten Regeln ihre Gültigkeit verloren haben.

Autoren, welche mit dem Begriff des State Building operieren, stellen keinen standardisierten Katalog von Faktoren auf, welche den Aufbau von staatlicher Leistungsfähigkeit fördern oder behindern, sondern verweisen eher auf klassische Staatstheoretiker und funktionale Aspekte des Staatsaufbaus (z. B. Tilly 1975). Bestandteile des State Building variieren von Autor zu Autor. Kuzio et al. (1999) betonen den Einfluss von Eliten und Institutionen, Fukuyama (2004a und 2004b) Institutionen, Migdal (2001) Eliten und gesellschaftliche Aspekte. Zu den Wechselverhältnissen der einzelnen Komponenten existieren vereinzelte Studien (z. B. Gallina 2006).

Aussagen zum Zustand eines Staates

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Der State-Building-Ansatz eignet sich für die Analyse der Verfasstheit eines Staates. In einem ersten Schritt werden die Legitimität und Macht eines Staates allgemein identifiziert. In einem weiteren Schritt kann die Qualität des Staates in verschiedenen Bereichen untersucht werden.

Politischen Institutionen kommt eine wesentliche Funktion als Instrument der Machtdurchsetzung eines Staates zu. Ihre Entstehungs- und Wandlungsbedingungen sind ein zentrales Thema des State Building.

In der Regel sind für einen funktionsfähigen Staat folgende Komponenten unverzichtbar: die Staatsmacht wird mittels formeller Institutionen durchgesetzt, informelle Normen und Netzwerke sind in formelle Strukturen eingebettet, die Eliten des Staates identifizieren sich mit demselben und setzen die Staatsmacht zum Wohl der Gesellschaft ein und die Gesellschaft wird in Staatsentscheide einbezogen.

  • Gabriel Almond: The Return to the State in: American Political Science Review, Vol. 82, No. 3, S. 853–874, 1988.
  • Berit Bliesemann de Guevara, Florian P. Kühn: Illusion Statebuilding. Warum sich der westliche Staat so schwer exportieren lässt, Edition Körber-Stiftung, 2010.
  • Sabine Fischer, Beatrix Schmelzle (Hrsg.): Building Peace in the Absence of States: Challenging the Discourse on State Failure, Berghof Research Center, Berlin 2009.
  • Francis Fukuyama: State Building. Governance and World Order in the Twenty-First Century, Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 2004a, ISBN 0-8014-4292-3.
  • Francis Fukuyama: The Imperative of State-Building, in: Journal of Democracy, Vol. 15, No. 2, S. 17–31, 2004b.
  • Nicole Gallina: Staat, institutionelle Leistungsfähigkeit und staatlicher Wandel in der Ukraine, Bern: Peter Lang Verlag, 2006.
  • Anne M. Kjær/Ole H. Hansen/Jens Peter Frølund Thomsen: Conceptualizing State Capacity, Working Paper, March, Department of Political Science, University of Aarhus, 2002.
  • Stephen D. Krasner: Approaches to the State: Alternative Conceptions and Historical Dynamics, in: Comparative Politics, Vol. 16, No. 2, S. 223–246, 1984.
  • Taras Kuzio/Robert S. Kravchuk/Paul D’Anieri (Hrsg.): State and Institution Building in Ukraine, London: Routledge, 1998, ISBN 0-415-17195-4.
  • Joel S. Migdal: State in Society. Studying how States and Societies Transform and Constitute one another, Cambridge: Cambridge University Press, 2001.
  • Dominik Nagl: No Part of the Mother Country, but Distinct Dominions – Rechtstransfer, Staatsbildung und Governance in England, Massachusetts und South Carolina, 1630–1769. LIT, Berlin 2013. ISBN 978-3-643-11817-2. (Rezension; Volltext).
  • Theda Skopcol: Bringing the State Back In, in: Social Science Research Items, Vol. 36, June, S. 1–8, 1982.
  • Klaus Schlichte: Der Staat in der Weltgesellschaft. Politische Herrschaft in Afrika, Asien und Lateinamerika, Frankfurt am Main: Campus Verlag.
  • Charles Tilly: Coercion, Capital, and European States, AD 900–1990, Malden: Blackwell, 2000, ISBN 1-55786-067-X.
  • Charles Tilly (Hrsg.): Western-State Making and Theories of Political Transformation, in: The Formation of National States in Western Europe, Princeton: Princeton University Press, 1975.
  • Weltbank: Weltentwicklungsbericht 1997: Der Staat in einer sich ändernden Welt, Washington, DC: Weltbank, 1997, ISBN 0-8213-3772-6

Einzelnachweise

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  1. Tilly 1975, S. 70 f.