Interleukin-2

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Interleukin-2
Interleukin-2
Bändermodell nach PDB 1m47

Vorhandene Strukturdaten: 1m47

Masse/Länge Primärstruktur 133 Aminosäuren
Präkursor 153 Aminosäuren (mit Signalpeptid)
Bezeichner
Gen-Name(n)
Externe IDs
Arzneistoffangaben
ATC-Code L03AC01
DrugBank
Wirkstoffklasse Immunstimulans
Enzymklassifikation
Substrat IL-2-Rezeptor
Vorkommen
Homologie-Familie IL2
Übergeordnetes Taxon Eukaryota

Interleukin-2 (IL-2), ursprünglich auch als T-Zell-Wachstumsfaktor (engl. T-cell growth factor, TCGF) bezeichnet, ist ein Protein aus der Familie der Zytokine. Es wird insbesondere von aktivierten T-Zellen gebildet.

Rekombinant hergestelltes humanes Interleukin-2 (Freiname: Aldesleukin) wird als Arzneistoff zur Behandlung des Nierenzellkarzinoms eingesetzt.

Aufbau und Funktion

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Ein humaner Lymphozyt unter dem Rasterelektronenmikroskop. Die Proliferation von Lymphozyten wird durch Interleukin-2 angeregt.

Interleukin-2 hat eine molare Masse von 15,4 kDa und besteht aus 133 Aminosäuren. Es wird im Körper von aktivierten T-Zellen ausgeschüttet. Das Genprodukt besteht ursprünglich aus 153 Aminosäuren. Nach Abspaltung eines aus 20 Aminosäuren aufgebauten Signalpeptids bleiben so 133 Aminosäuren in der reifen Form übrig. Das Molekül enthält eine über zwei Cysteine aufgebaute Disulfidbrücke, die für die Funktion des Proteins essentiell ist. Eine einzelne nicht essentielle Zuckerkette ist O-glykosidisch an Threonin gebunden.

IL-2 wird hauptsächlich von aktivierten T-Zellen sezerniert, vor allem von aktivierten CD4+- und CD8+-Zellen.[1] In geringerem Maße wird Interleukin-2 auch von dendritischen Zellen (DC), natürlichen Killerzellen (NK), natürlichen Killer-T-Zellen (NKT) und Mastzellen gebildet.[2][3]

In naiven T-Lymphozyten werden das activator protein 1 (AP-1), NFkB und NFAT mit Hilfe von TCR und Co-stimulierenden Molekülen, z. B. CD28, aktiviert. Diese Transkriptionsfaktoren induzieren die Expression des IL2-Gens. Die Expression des IL2-Gens führt zur Bildung der IL-2-mRNA und zur Synthese des IL-2-Proteins. Das Ausmaß und die Dauer der IL-2-Produktion wird von transkriptionellen und post-transkriptionellen Mechanismen bestimmt.[4]

Das reife Protein bindet an den IL-2-Rezeptor, der sich aus drei Untereinheiten (α, β und γ) zusammensetzt und im Wesentlichen von T-Zellen exprimiert wird. Die β- und γ-Untereinheiten (CD122 beziehungsweise CD132) sind dabei stets auf der Zellmembran vorhanden. Die α-Untereinheit (CD25) wird erst dann exprimiert, wenn ein Antigen die entsprechende T-Zelle aktiviert. Erst wenn alle drei Untereinheiten vorhanden sind, ist die Affinität von IL-2 ausreichend hoch, um an den Rezeptor zu binden. Nach der Bindung an den Rezeptor wird eine komplexe Signalkaskade induziert, die unter anderem folgende Effekte im Rahmen der Immunantwort auslöst:

Das beim Menschen für Interleukin-2 codierende Gen IL2 liegt auf Chromosom 4 Genlocus q26-q27.[7][8] Defekte in diesem Gen führen zu einer speziellen Form der Severe Combined Immunodeficiency (dt. „schwerer kombinierter Immundefekt“), einer sehr ernsthaften angeborenen Störung des Immunsystems.[9]

Das Gen für den IL-2-Rezeptor befindet sich beim Menschen auf Chromosom 10.[10]

Aldesleukin (rIL-2)

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Aldesleukin (chemisch: Interleukin-2 [des-alanyl-1, serin-125]; CAS-Nummer [85898-30-2]) wird durch rekombinante DNA-Technologie mit Hilfe von Stämmen gentechnisch veränderter Escherichia coli biotechnologisch hergestellt.[11] Das verwendete menschliche Gen wurde dabei modifiziert, so dass sich synthetisches Aldesleukin vom humanen Interleukin-2 wie folgt unterscheidet:

Dadurch wird ein – im Vergleich zu IL-2 – homogeneres Produkt mit weitgehend gleichen Eigenschaften erhalten.[12]

Die Aminosäurensequenz im Einbuchstabencode ist:

PTSSSTKKTQ LQLEHLLLDL QMILNGINNY KNPKLTRMLT FKFYMPKKAT
ELKHLQCLEE ELKPLEEVLN LAQSKNFHLR PRDLISNINV IVLELKGSET
TFMCEYADET ATIVEFLNRW ITFAQSIIST LT

Indikation und typische Dosierung

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Seit 1984 wird Aldesleukin in einer Vielzahl von klinischen Studien als Krebsimmuntherapeutikum getestet. Durch die Aktivierung von Abwehrzellen, die in der Lage sind, auch Tumorzellen auszuschalten, ist Aldesleukin vor allem bei solchen Tumoren potenziell wirksam, die von sich aus eine Immunantwort des Körpers auslösen. Dies sind vor allem das Nierenzellkarzinom und das maligne Melanom. Bei diesen beiden Krebserkrankungen wurden auch bisher die vielversprechendsten Resultate erhalten. In der EU ist Aldesleukin zur Behandlung des fortgeschrittenen metastasierten Nierenzellkarzinoms, wo es zusammen mit Interferonen und verschiedenen Zytostatika eingesetzt wird, zugelassen. In allen anderen Indikationsfeldern wird Aldesleukin ausschließlich im Rahmen von klinischen Studien getestet. Die Ziele dieser Studien sind die Weiterentwicklung der Therapieform, die Reduzierung der Nebenwirkungen, eine verbesserte Wirksamkeit in Kombination mit anderen Therapieformen und die Möglichkeit der langfristigen Gabe im Rahmen einer Erhaltungstherapie.[13]

Üblicherweise wird Aldesleukin über fünf Tage als 24-stündige Dauerinfusion verabreicht. Die Dosierung liegt dabei meist bei 1,1 mg Wirkstoff pro Tag und m² Körperoberfläche. Die gleiche Infusion wird nach einer zwei- bis sechstägigen Pause wiederholt. Anschließend erfolgt in den meisten Fällen eine dreiwöchige Behandlungspause, was den kompletten Induktionszyklus abschließt. Deutlich niedriger dosierte Erhaltungszyklen bekommen Patienten, die eine Remission oder einen Stillstand der Erkrankung erreicht haben.[14]

Pharmakokinetik

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Bei der einmaligen intravenösen Applikation zeigt Aldesleukin eine bi-exponentielle Clearance-Kurve. Die Plasmahalbwertszeit α beträgt ungefähr 13 Minuten und die Plasmahalbwertszeit β etwa 85 Minuten.[14]

Die Nebenwirkungen von Aldesleukin sind für Patienten – insbesondere bei hoher Dosierung – erheblich. Dies führt auch zu einer Reihe von Kontraindikationen, die die Anwendung von Aldesleukin bei einigen Patienten verbieten.[15] Etwa 3 % der behandelten Patienten starb an den Nebenwirkungen der Behandlung.[14]

Autoimmunerkrankungen können durch die systemische Gabe von Aldesleukin verstärkt werden.[14] All diese Nebenwirkungen sind – ausgenommen einiger Fälle von Schilddrüsenunterfunktion – mit dem Beenden der Aldesleukin-Therapie wieder reversibel.[13] Mit Röntgenkontrastmitteln können schwere allergische Reaktionen ausgelöst werden. Diese können auch verzögert (1h - 1 Woche) nacht der Kontrastmittelgabe auftreten.[14][16][17]

Interleukin-2 wurde auch kausal mit Pleuraerguss in Verbindung gebracht.[18]

Die Nebenwirkungen sind vor allem bei der Bolusinjektion – eine intravenöse Gabe innerhalb weniger Sekunden – stark ausgeprägt. Wird Aldesleukin subkutan verabreicht oder langsam infundiert, so sind die Nebenwirkungen bei ähnlicher Wirksamkeit deutlich reduziert. Die Bolusinjektion wird daher kaum noch angewendet.[13]

Interleukin-2 war das erste Interleukin, das entdeckt wurde.[19][20] 1976 beschrieben Doris Morgan, Frank Ruscetti und Robert Charles Gallo ein neues Glycoprotein, das in der Lage ist, T-Lymphozyten aus menschlichem Knochenmark in vitro wachsen zu lassen.[21][22] 1983 wurde Interleukin-2 erstmals kloniert und sequenziert.[23]

Aldesleukin wurde von der US-amerikanischen Cetus Corp. – nach Übernahme heute Chiron Corporation – entwickelt und 1992 von der FDA für die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen. 1998 wurde die Indikation um die Therapie des metastasierten malignen Melanoms erweitert.[24]

In Europa erfolgte 1989 die Zulassung für die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms in den Niederlanden,[25] dann in weiteren Ländern[26] (z. B. Deutschland: 1989[27], Österreich: 1998[28]).

Handelsnamen Aldesleukin

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Monopräparate: Proleukin (D, AT, CH, Novartis AG, Clinigen Healthcare[29]).

Einzelnachweise

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  1. Thomas R. Malek: The Biology of Interleukin-2. In: Annual Review of Immunology. Band 26, Nr. 1, 1. April 2008, ISSN 0732-0582, S. 453–479, doi:10.1146/annurev.immunol.26.021607.090357.
  2. Miro E. Raeber, Dilara Sahin, Onur Boyman: Interleukin-2–based therapies in cancer. In: Science Translational Medicine. Band 14, Nr. 670, 9. November 2022, ISSN 1946-6234, doi:10.1126/scitranslmed.abo5409.
  3. Onur Boyman, Jonathan Sprent: The role of interleukin-2 during homeostasis and activation of the immune system. In: Nature Reviews Immunology. Band 12, Nr. 3, 17. Februar 2012, ISSN 1474-1733, S. 180–190, doi:10.1038/nri3156.
  4. Jonathan G. Pol, Pamela Caudana, Juliette Paillet, Eliane Piaggio, Guido Kroemer: Effects of interleukin-2 in immunostimulation and immunosuppression. In: Journal of Experimental Medicine. Band 217, Nr. 1, 14. Oktober 2019, doi:10.1084/jem.20191247.
  5. T. Dingermann u. a.: Pharmazeutische Biologie. Verlag Springer, 2002, ISBN 3-540-42844-5, S. 211–214.
  6. Roche Lexikon Medizin. Ausgabe 5. Verlag Urban & Fischer, ISBN 3-437-15150-9, S. 935.
  7. T. Shows u. a.: Interleukin 2 (IL2) is assigned to human chromosome 4. In: Somat Cell Molec Genet. 10, 1984, S. 315–318. PMID 6609441
  8. T. Fujita u. a.: Structure of the human interleukin 2 gene. In: PNAS. 80, 1983, S. 7437–7441. PMID 6324170
  9. K. Weinberg, R. Parkman: Severe combined immunodeficiency due to a specific defect in the production of interleukin-2. In: NEJM. 322, 1990, S. 1718–1723. PMID 2342538
  10. W. J. Leonard u. a.: Localization of the gene encoding the human interleukin-2 receptor on chromosome 10. In: Science. 228, 1985, S. 1547–1549. PMID 3925551
  11. S. A. Rosenberg u. a.: Biological activity of recombinant human interleukin-2 produced in Escherichia coli. In: Science. 223, 1984, S. 1412–1415. PMID 6367046
  12. M. V. Doyle u. a.: Comparison of the biological activities of human recombinant interleukin-2125 and native interleukin-2. In: J Biol Response Mod. 4, 1985, S. 96–109. PMID 3920358
  13. a b c Immuntherapien bei Krebs – Zytokine in der Krebstherapie – Interleukine: Dem Immunsystem auf die Sprünge helfen. (Memento vom 5. September 2014 im Internet Archive) Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Heidelberg. 28. September 2010. Zuletzt abgerufen am 4. September 2014.
  14. a b c d e Fachinformation: Proleukin (Memento vom 18. Januar 2017 im Internet Archive) Januar 2012.
  15. open drug database: Fachinformation zu Proleukin®. (Memento vom 31. März 2016 im Internet Archive) abgerufen am 18. Juni 2009; (Seite nicht aufrufbar).
  16. @1@2Vorlage:Toter Link/www.ksa.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Januar 2017. Suche in Webarchiven) Wechselwirkungen zwischen Kontrastmitteln und anderen Medikamenten. (PDF) Kantonsspital Aarau; abgerufen am 18. Juni 2009.
  17. ESUR Leitlinien für Kontrastmittel, 2018
  18. Berthold Jany, Tobias Welte: Pleuraerguss des Erwachsenen – Ursachen, Diagnostik und Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 116, Nr. 21, (Mai) 2019, S. 377–385, hier: S. 380.
  19. J. Gordon, L. D. Maclean: A Lymphocyte-stimulating Factor produced in vitro. In: Nature. 208, 1965, S. 795–796. doi:10.1038/208795a0 PMID 4223737
  20. S. Kasakura, L. Lowenstein: A factor stimulating DNA synthesis derived from the medium of leukocyte cultures. In: Nature. 208, 1965, S. 794–795. doi:10.1038/208794a0 PMID 5868897
  21. J. Bubeník: Interleukin-2 therapy of cancer. (PDF; 195 kB) In: Folia Biol (Praha). 50, 2004, S. 120–130. PMID 15373345 (Review).
  22. D. A. Morgan u. a.: Selective in vitro growth of T lymphocytes from normal human bone marrows. In: Science. 193, 1976, S. 1007–1008. PMID 181845.
  23. T. Taniguchi u. a.: Structure and expression of a cloned cDNA for human interleukin-2. In: Nature. 302, 1983, S. 305–310. PMID 6403867
  24. Biotechnology in a Global Economy (PDF; 5,31 MB) abgerufen am 18. Juni 2009.
  25. Geneesmiddeleninformatiebank, abgerufen am 20. April 2019.
  26. List of nationally authorised medicinal products. Active substance: aldesleukin. EMA, 6. September 2018.
  27. Fachinformation PROLEUKIN S 18 x 106 IE Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung oder Infusionslösung, Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
  28. Fachinformation PROLEUKIN S 18 x 106 IE Pulver zur Herstellung einer Injektions- oder Infusionslösung, Novartis Pharma GmbH, Wien.
  29. Rote Liste® Service GmbH (Hrsg.): ROTE LISTE 2022. Band 62. Rote Liste® Service GmbH, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-946057-74-1, S. 1553.