Titan in der organischen Chemie
In verschiedenen Anwendungsbereichen wird Titan in der organischen Chemie verwendet. Viel verwendete Reagenzien sind insbesondere Titan(IV)-chlorid, Tetraisopropylorthotitanat und Titanocendichlorid sowie verschiedene davon abgeleitete Verbindungen. Von enormer industrieller Bedeutung sind Ziegler-Natta-Polymerisationen. Daneben werden Titan-Reagenzien auch oft für Olefinierungen verwendet, beispielsweise das Tebbe-Reagenz, als Lewis-Säuren, sowie in der Sharpless-Epoxidierung.
Organo-Titan-Verbindungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verschiedene Alkyltitan-Verbindungen sind bekannt, jedoch sind diese allgemein sehr instabil. Tetramethyltitan beispielsweise zersetzt sich auch in Lösung schon bei Raumtemperatur.[1] Tetrabenzyltitan ist demgegenüber vergleichsweise stabil und konnte als Kristall isoliert werden.[2]
Ziegler-Natta-Katalyse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ziegler-Natta-Katalysatoren spielen eine enorme Rolle in der Herstellung von Polyolefinen, die weltweit im Maßstab von mehreren zehn Millionen Tonnen pro Jahr hergestellt werden. Diese Katalysatoren basieren auf Titan (beispielsweise Titan(IV)-chlorid) und Aluminiumalkylen (beispielsweise Triethylaluminium), einer Katalysator-Unterlage (beispielsweise Magnesiumchlorid) sowie einem Elektronendonor (beispielsweise Ethylbenzoat).[3] Die Polymerisation von Ethylen war früher nur unter hohem Druck möglich, bis die Arbeitsgruppe von Karl Ziegler die Polymerisation von Ethylen bei Raumtemperatur und Normaldruck entdeckte, wobei Titan(IV)-chlorid und Diethylaluminiumchlorid verwendet wurden. Ziegler und der Italiener Giulio Natta, der die Methode im industriellen Maßstab anwendete, erhielten 1963 für ihre Arbeit den Nobelpreis für Chemie.[4]
Olefinierungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verschiedene Titan-Reagenzien werden verwendet, um Alkene aus Carbonyl- und Carboxyl-Verbindungen herzustellen. Dazu gehören verschiedene Reaktionen zur Olefinierung und insbesondere der Methylenierung, sowie die McMurry-Reaktion, bei der zwei Carbonylverbindungen zu einem Alken gekuppelt werden.
Tebbe-Reagenz und verwandte Reagenzien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein wichtiges Beispiel ist das Tebbe-Reagenz, das aus Titanocendichlorid und Trimethylaluminium hergestellt wird. Durch Reaktion mit einer Lewis-Base wie Pyridin oder Tetrahydrofuran entsteht ein Schrock-Carben, das Carbonyl- und Carboxylgruppen schnell und in guter Ausbeute methylenieren kann, was als Tebbe-Methylenierung bezeichnet wird. Das verwandte Petasis-Reagenz (Dimethyltitanocen) wird aus Titanocendichlorid und Methyllithium hergestellt. Analog zum Tebbe-Reagenz bildet es ein Carben, das Carbonyl- und Carboxylgruppen methylenieren kann. Allerdings wird es durch Erhitzen aktiviert und ist deutlich stabiler als das Tebbe-Reagenz. Das Takeda-Reagenz wird durch Reduktion von Titanocendichlorid mit Magnesium in Gegenwart von Triethylphosphit hergestellt. Dieses kann im Gegensatz zum Tebbe- und Petasis-Reagenz nicht nur Methyliden-Gruppen übertragen, stattdessen werden durch Reaktion mit Thioacetalen Carbene unterschiedlicher Konstitution gebildet, durch die entsprechende Reste übertragen werden können.[5]
Takai-Olefinierung und Lombardo-Reagenz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Takai-Olefinierung zur Umwandlung von Estern in Enolether kommt ohne Titanocendichlorid aus. Carbene werden stattdessen aus einem Dibromalkan durch Reaktion mit Zink und Titan(IV)-chlorid in Gegenwart von TMEDA hergestellt.[5] Ein Reagenz, das aus Dibrommethan, Titan(IV)-chlorid und Zink hergestellt wird und Carbonyl- und Carboxyl-Verbindungen methylenieren kann, wird als Lombardo-Reagenz bezeichnet.[6]
McMurry-Reaktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die McMurry-Reaktion dient der Kupplung von Aldehyden und Ketonen zu Alkenen durch niedervalentes Titan. Dabei wird zunächst Titan(III)-chlorid oder Titan(IV)-chlorid reduziert, beispielsweise mit Lithium, Natrium, Kalium, KC8, Magnesium, Magnesiumamalgam, Zink oder Lithiumaluminiumhydrid. Im zweiten Schritt wird dann die Carbonylverbindung zugegeben, die gekuppelt werden soll. Als Zwischenprodukte treten dabei Carbene oder Pinacolate auf.[7]
Cyclopropanierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kulinkovich-Reaktion dient der Umsetzung von Carbonsäureestern zu Cyclopropanolen. Als Reagenz dient ein Titanacyclopropan, das in situ einem Grignard-Reagenz und beispielsweise Tetraisopropylorthotitanat hergestellt wird.[8] Analog können in Gegenwart von Tetraisopropylorthotitanat Nitrile mit Grignard-Reagenzien in Cyclopropylamine überführt werden, beispielsweise mit Ethylmagnesiumbromid.[9]
Radikalische Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis(cyclopentadieny)titan(III)-chlorid, auch Nugent-Reagenz, kann durch Reduktion von Titanocendichlorid mit Zink in Tetrahydrofuran hergestellt werden. Alternativ können auch Aluminium oder Mangan als Reduktionsmittel verwendet werden.[10][11] Das Reagenz kann für die radikalische Cyclisierung von Epoxy-Alkenen zu Cyclopentanen verwendet werden, wobei das Titan-Reagenz durch Ein-Elektronen-Reduktion des Epoxids zunächst ein Radikal erzeugt.[12] Analog können auch andere Verbindungen mit ungesättigten Strukturen cyclisiert werden, beispielsweise Alkine, Aldehyde, Nitrile, Ketone, Ester und Amide. Neben der Cyclisierung können diese Radikale auch in anderen Reaktionen eingesetzt werden, beispielsweise durch Abstraktion eines Wasserstoff-Atoms aus 1,4-Cyclohexadien oder Tributylzinnhydrid, unter geeigneten Bedingungen auch Wasser, wobei das Epoxid zu einem Alkohol reduziert wird. Durch β-Eliminierung können Allylalkohole hergestellt werden. Es ermöglicht außerdem die radikalische Öffnung von Ozonid-Ringen, wodurch Ozonide unter anderem zu Alkanen reduziert werden können. Andere Reaktionen, die die Verbindung ermöglicht sind Pinacol-Kupplungen und Reformatzki-artige Reaktionen.[11]
Sharpless-Epoxidierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine wichtige Reaktion, die auf Titan-Komplexen basiert, ist die Sharpless-Epoxidierung zur enantioselektiven Epoxidierung von Allylalkoholen. Dabei wird aus einer Titan(IV)-verbindung, Tetraisopropylorthotitanat, und einem chiralen Liganden wie Diethyltartrat (DET) ein zweikerniger Komplex gebildet. Der Allylalkohol als Edukt und das Oxidationsmittel, meist tert-Butylhydroperoxid, binden ebenfalls an das Titan. Je nach eingesetzem Isomer von DET bildet sich ein anderer Komplex, der zu einer anderen Stereoselektivität führt.[13] Die Stereoselektivität kann gut vorhegesen werden, da mit einem bestimmten Enantiomer des DET immer von der gleichen Seite der prochiralen Verbindung angegriffen wird. Die Reaktion eignet sich für eine große Bandbreite an Allylalkohlen, ein klassisches Beispiel hierfür ist Geraniol. Neben der Herstellung von enantiomerenreinen Epoxyalkoholen an sich eignet sich die Reaktion außerdem für die kinetische Resolution sekundärer Allylalkohle, da bei solchen ein Enantiomer jeweils deutlich schneller epoxidiert wird als das andere.[14] Der Nobelpreis für Chemie 2001 ging zur Hälfte an Sharpless für seine Forschung zu asymmetrischen Oxidationsreaktionen, wozu neben der Sharpless-Epoxidierung auch die asymmetrische Dihydroxylierung gehört.[15]
Verwendung als Lewis-Säuren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Titan-Verbindungen werden in verschiedenen Reaktionen als Lewis-Säuren eingesetzt. So eignen sich Titanalkoholate und Titan(IV)-chlorid als Katalysatoren für die direkte Veresterung von Carbonsäuren mit Alkoholen.[16][17] Andere Titankomplexe, auch chirale, werden als Lewis-Säure-Katalysatoren für Diels-Alder-Reaktionen verwendet.[18][19] Mit Tetraethylorthotitanat modifizierte Zeolithe wurden als Katalysator für Mukaiyama-Aldolreaktionen verwendet.[20]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Yun-Dong Wu, Zhi-Hui Peng, Ziling Xue: Theoretical Studies on the Decomposition Mechanism of Tetraalkyl Titanium Complexes. In: Journal of the American Chemical Society. Band 118, Nr. 40, 1. Januar 1996, S. 9772–9777, doi:10.1021/ja9615132.
- ↑ I. W. Bassi, G. Allegra, R. Scordamaglia, G. Chioccola: Crystal structure of an organometallic complex with titanium-carbon .sigma. bonds. Tetrabenzyltitanium. In: Journal of the American Chemical Society. Band 93, Nr. 15, Juli 1971, S. 3787–3788, doi:10.1021/ja00744a049.
- ↑ Alessandro Piovano, Matteo Signorile, Luca Braglia, Piero Torelli, Andrea Martini, Toru Wada, Gentoku Takasao, Toshiaki Taniike, Elena Groppo: Electronic Properties of Ti Sites in Ziegler–Natta Catalysts. In: ACS Catalysis. Band 11, Nr. 15, 6. August 2021, S. 9949–9961, doi:10.1021/acscatal.1c01735.
- ↑ Jerome P. Claverie, Frank Schaper: Ziegler-Natta catalysis: 50 years after the Nobel Prize. In: MRS Bulletin. Band 38, Nr. 3, März 2013, S. 213–218, doi:10.1557/mrs.2013.52.
- ↑ a b Richard C. Hartley, Gordon J. McKiernan: Titanium reagents for the alkylidenation of carboxylic acid and carbonic acid derivatives. In: Journal of the Chemical Society, Perkin Transactions 1. Nr. 24, 19. Dezember 2002, S. 2763–2793, doi:10.1039/b009709h.
- ↑ Nicos A. Petasis, James P. Staszewski: Dibromomethane-Zinc-Titanium(IV) Chloride. In: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. John Wiley & Sons, Ltd, Chichester, UK 2001, ISBN 978-0-471-93623-7, doi:10.1002/047084289x.rd045m.
- ↑ Michel Ephritikhine: A new look at the McMurry reaction. In: Chemical Communications. Nr. 23, 1998, S. 2549–2554, doi:10.1039/a804394i.
- ↑ Yun-Dong Wu, Zhi-Xiang Yu: A Theoretical Study on the Mechanism and Diastereoselectivity of the Kulinkovich Hydroxycyclopropanation Reaction. In: Journal of the American Chemical Society. Band 123, Nr. 24, 1. Juni 2001, S. 5777–5786, doi:10.1021/ja010114q.
- ↑ Philippe Bertus, Jan Szymoniak: Titanium-Mediated Synthesis of Primary Cyclopropylamines from Nitriles and Grignard Reagents. In: Synlett. Band 2007, Nr. 9, Juni 2007, S. 1346–1356, doi:10.1055/s-2007-980342.
- ↑ J. M. Birmingham, A. K. Fischer, G. Wilkinson: The reduction of bis-cyclopentadienyl compounds. In: Die Naturwissenschaften. Band 42, Nr. 4, 1955, S. 96–96, doi:10.1007/BF00617242.
- ↑ a b Antonio Rosales, Ignacio Rodríguez‐García, Juan Muñoz‐Bascón, Esther Roldan‐Molina, Natalia M. Padial, Laura Pozo Morales, Marta García‐Ocaña, J. Enrique Oltra: The Nugent Reagent: A Formidable Tool in Contemporary Radical and Organometallic Chemistry. In: European Journal of Organic Chemistry. Band 2015, Nr. 21, Juli 2015, S. 4567–4591, doi:10.1002/ejoc.201500292.
- ↑ William A. Nugent, T. V. RajanBabu: Transition-metal-centered radicals in organic synthesis. Titanium(III)-induced cyclization of epoxy olefins. In: Journal of the American Chemical Society. Band 110, Nr. 25, Dezember 1988, S. 8561–8562, doi:10.1021/ja00233a051.
- ↑ Yun-Dong Wu, David K. W. Lai: A Density Functional Study on the Stereocontrol of the Sharpless Epoxidation. In: Journal of the American Chemical Society. Band 117, Nr. 45, November 1995, S. 11327–11336, doi:10.1021/ja00150a034.
- ↑ A. Pfenninger: Asymmetric Epoxidation of Allylic Alcohols: The Sharpless Epoxidation. In: Synthesis. Band 1986, Nr. 02, 1986, S. 89–116, doi:10.1055/s-1986-31489.
- ↑ Thomas J. Colacot: 2001 Nobel Prize in Chemistry: Timely Recognltion for Rhodium, Ruthenium and Osmium-Catalysed Chiral Reactions. In: Platinum Metals Review. Band 46, Nr. 2, 1. April 2002, S. 82–83, doi:10.1595/003214002X4628283.
- ↑ Palmira Alessia Cavallaro, Marzia De Santo, Marianna Greco, Rocco Marinaro, Emilia Lucia Belsito, Angelo Liguori, Antonella Leggio: Titanium Tetrachloride-Assisted Direct Esterification of Carboxylic Acids. In: Molecules. Band 29, Nr. 4, 8. Februar 2024, S. 777, doi:10.3390/molecules29040777, PMID 38398529, PMC 10892408 (freier Volltext).
- ↑ Lukas A. Wolzak, Jarl Ivar van der Vlugt, Keimpe J. van den Berg, Joost N. H. Reek, Moniek Tromp, Ties J. Korstanje: Titanium‐catalyzed esterification reactions: beyond Lewis acidity. In: ChemCatChem. Band 12, Nr. 20, 20. Oktober 2020, S. 5229–5235, doi:10.1002/cctc.202000931.
- ↑ Timothy J. Boyle, Nancy W. Eilerts, Joseph A. Heppert, Fusao Takusagawa: Structurally Well Characterized Binaphtholate Titanium Chloride Lewis Acids: Evidence for Active Dinuclear Catalysts in a Diels-Alder Process. In: Organometallics. Band 13, Nr. 6, Juni 1994, S. 2218–2229, doi:10.1021/om00018a015.
- ↑ Lukas A. Wolzak, Jarl Ivar van der Vlugt, Keimpe J. van den Berg, Joost N. H. Reek, Moniek Tromp, Ties J. Korstanje: Titanium‐catalyzed esterification reactions: beyond Lewis acidity. In: ChemCatChem. Band 12, Nr. 20, 20. Oktober 2020, S. 5229–5235, doi:10.1002/cctc.202000931.
- ↑ R Garro, M Navarro, J Primo, A Corma: Lewis acid-containing mesoporous molecular sieves as solid efficient catalysts for solvent-free Mukaiyama-type aldol condensation. In: Journal of Catalysis. Band 233, Nr. 2, 25. Juli 2005, S. 342–350, doi:10.1016/j.jcat.2005.04.035.