Pseudocholinesterase

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Tributyrinase)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Pseudocholinesterase
Pseudocholinesterase

Vorhandene Strukturdaten: 1EHO, 1EHQ, 1KCJ, 1P0I, 1P0M, 1P0P, 1P0Q, 1XLU, 1XLV, 1XLW, 2J4C, 2PM8, 2WID, 2WIF, 2WIG, 2WIJ, 2WIK, 2WIL, 2WSL, 2XMB, 2XMC, 2XMD, 2XMG, 2XQF, 2XQG, 2XQI, 2XQJ, 2XQK, 2Y1K, 3DJY, 3DKK, 3O9M, 4AQD, 4AXB, 4B0O, 4B0P, 4BBZ, 4BDS, 4TPK

Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 574 Aminosäuren
Sekundär- bis Quartärstruktur Homotetramer
Bezeichner
Gen-Namen
Externe IDs
Enzymklassifikation
EC, Kategorie
Reaktionsart Verseifung
Substrat Acylcholin + H2O
Produkte Cholin + Carboxylat
Vorkommen
Homologie-Familie Carboxylesterase
Übergeordnetes Taxon Chordatiere
Orthologe
Mensch Hausmaus
Entrez 590 12038
Ensembl ENSG00000114200 ENSMUSG00000027792
UniProt P06276 Q03311
Refseq (mRNA) NM_000055 NM_009738
Refseq (Protein) NP_000046 NP_033868
Genlocus Chr 3: 165.77 – 165.84 Mb Chr 3: 73.64 – 73.71 Mb
PubMed-Suche 590 12038

Die Pseudocholinesterase (auch Butyrylcholinesterase, BuChE) ist ein Enzym, das die hydrolytische Spaltung der Esterbindung in Cholinestern katalysiert. Sie ist damit im Stoffwechsel von Chordatieren neben der Acetylcholinesterase unverzichtbar zum Abbau dieser Stoffe. Mutationen am BCHE-Gen beim Menschen können zur seltenen Mangelkrankheit BCHE-Mangel führen.[1]

Die Pseudocholinesterase ist auch in der Lage, verschiedene Ester zu spalten, die eine andere Alkoholkomponente als Cholin enthalten, beispielsweise Aspirin, Cocain und Heroin. Sie wird gehemmt durch Glykoalkaloide (alpha-Solanin, alpha-Chaconin), die in den grünen Teilen der Kartoffelpflanze vorkommen.[2]

Das Enzym kommt in vielen Geweben, beispielsweise in der Leber, im Blutplasma, in der Darmschleimhaut oder im Pankreas, vor; man vermutet, dass es die Wirkung von Acetylcholin außerhalb des synaptischen Spaltes verhindern soll.

Neuere Studien haben gezeigt, dass das Detergens Triton X-100, das bei der Aufarbeitung von Geweben eingesetzt wird, die Pseudocholinesterase hemmt. Dadurch wurden die Mengen dieses Enzyms in vielen Geweben unterschätzt.[3]

Klinische Bedeutung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bedeutung hat die Pseudocholinesterase unter anderem in Zusammenhang mit der Verwendung von Muskelrelaxantien im Rahmen einer Allgemeinanästhesie. Die kurze Wirkdauer der beiden Relaxantien Mivacurium (nicht-depolarisierend) und Suxamethonium (depolarisierend) liegt in dem raschen Abbau der Arzneistoffe im Blutplasma begründet (Mivacurium in etwa 4 min., Suxamethonium in etwa 1 min. zur Hälfte abgebaut). Ein Mangel an Pseudocholinesterase (Verlust der Enzymaktivität > 75 %, z. B. durch schwere Leberfunktionsstörung, Malignome, Schwangerschaft) bzw. das Vorliegen einer atypischen Form des Enzyms (genetisch bedingt, s. u.) führt zu einem verzögerten Abbau dieser Stoffe. Aufgrund einer hieraus resultierenden verlängerten Atemlähmung muss der Patient bis zum Abklingen der muskelrelaxierenden Wirkung narkotisiert und künstlich beatmet werden (sogenannte Nachbeatmung).

Es sind mehrere genetische Varianten der Pseudocholinesterase bekannt, etwa in ganzen Bevölkerungsgruppen, bedingt durch häufige Endogamie wie etwa den Vaishya der indischen Kasten von Kaufleuten, Händlern, Geldverleihern und Großgrundbesitzern.[4] Homozygote Personen für eine atypische Variante des Enzyms (Häufigkeit ca. 1:2000) hydrolysieren die oben genannten Muskelrelaxantien nur langsam und es kann zu den beschriebenen Komplikationen kommen. Die Funktion des Enzyms wird durch die Bestimmung der sog. Dibucainzahl im Blutserum gemessen; bei dieser Untersuchung wird die Aktivität des Enzyms nach Zugabe des Lokalanästhetikums Dibucain bestimmt.

Anfang 2022 veröffentlichte ein Forschendenteam um Dr. Carmel Therese Harrington vom Kinderkrankenhaus Westmead in Sydney Ergebnisse einer Untersuchung[5], die auf einen Zusammenhang von BuChE-Mangel und dem Plötzlichen Kindstod nahelegen.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. UniProt P06276
  2. S. Darvesh u. a.: Neurobiology of butyrylcholinesterase. In: Nat Rev Neurosci. Band 4, Nr. 2, 2003, S. 131–138.
  3. B. Li u. a.: Abundant Tissue Butyrylcholinesterase and Its Possible Function in the Acetylcholinesterase Knockout Mouse. In: J Neurochem. Band 75, Nr. 3, Sep 2000, S. 1320–1331.
  4. I. Manoharan, S. Wieseler, P. G. Layer, O. Lockridge, R. Boopathy: Naturally occurring mutation Leu307Pro of human butyrylcholinesterase in the Vysya community of India. In: Pharmacogenetics and genomics. Band 16, Nr. 7, 2006, S. 461–468. doi:10.1097/01.fpc.0000197464.37211.77. PMID 16788378.
  5. Deutsche Welle (www.dw.com): Mögliche Ursache für Plötzlichen Kindstod gefunden | DW | 17.05.2022. Abgerufen am 17. Mai 2022 (deutsch).