Trittsteinkonzept

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Schematische Darstellung: Trittsteine und Grünkorridore zwischen Biotopen

Das Trittsteinkonzept ist ein Konzept des angewandten Naturschutzes. „Trittsteine“ sind dabei ein Element zur Förderung des Biotopverbunds. Angewandt wird es bspw. in der Forstwirtschaft, um parallel zur Bewirtschaftung von Wäldern einen höheren naturschutzfachlichen Wert auf gleicher Fläche zu erreichen.

Die gängigste Definition geht auf den Naturschutzbiologen Eckhard Jedicke zurück: „Trittsteine zwischen den Inseln der großflächigen Schutzgebiete benötigen nicht die Flächengröße, um vollständigen Populationen das dauerhafte Überleben zu sichern. Sie sollen jedoch eine zeitweise Besiedlung und auch die Reproduktion erlauben, um einen Ausgangspunkt und eine Zwischenstation für den Individuenaustausch der großen Inseln bilden zu können“.[1] Trittsteinbiotope sind dabei nur ein Baustein des Konzepts. Außerdem soll der Biotopverbund durch Wanderungskorridore gefördert werden[2]. Wichtig ist aber auch die Existenz großflächiger Schutzgebiete als Refugien und Ausbreitungsquellen sowie die Durchlässigkeit der umgebenden Landschaft. Trittsteinbiotope sind also (wenn auch nicht optimale) zumindest zeitweilige Biotope für die zu vernetzenden Populationen und Arten. Es handelt sich nicht nur um Rastplätze oder kurzfristige Refugien. Als Bestandteile von Trittsteinkonzepten in Wäldern definiert der Forstwirt Ulrich Mergner folgende vier Elemente: Biotopbäume, Totholz, Waldtrittsteinflächen und Naturwaldreservate.[3]

Das Trittsteinkonzept wird dadurch erforderlich, dass die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft heute aufgrund der intensivierten Nutzung für die meisten Arten mehr oder weniger lebensfeindlich ist und Migrationsbarrieren darstellt. Dies gilt auch für heute noch relativ häufige und verbreitete Arten[4]. Die Problematik dabei ist, dass aufgrund der intensiven Landwirtschaft häufig nur mehr kleine Restlebensräume für Arten zur Verfügung stehen. Große Schläge und infolge der Flurbereinigung ausgeräumte Landschaften führen zu einer Habitatfragmentierung. Eine Migration von Arten kann dadurch, je nach Mobilitätsgrad, eingeschränkt oder unmöglich sein. Deshalb sollen in regelmäßigen Abständen Bereiche mit Biotopfunktion geschaffen oder erhalten werden, die bedrohten Arten zum einen eine Ausbreitung und zum anderen Subpopulationen einen genetischen Austausch ermöglichen, also insgesamt der Arterhaltung dienen. Diese Trittsteine erleichtern Wanderungen zwischen den für die Arterhaltung geeigneten Arealen, die sonst nicht erreicht werden können, da die Arten die Distanz (anthropogene Zwischenlandschaft) zwischen dem alten und dem neuen Habitat nicht bewältigen können. Hierbei kommt Trittsteinbiotopen eine besondere Funktion für kälteadaptierte Arten zu, die infolge der steigenden Temperaturen durch den Klimawandel in höhere Lagen oder nach Norden migrieren.

Je nach zu schützender Art müssen die Trittsteine eine Mindestgröße haben, unterschiedlichen Anforderungen genügen und in artspezifischen Abständen angeboten werden.

In Wäldern schaffen Trittsteinkonzepte Lebensräum für Waldarten auf der Landschaftsebene. Vormals artenarme Waldökosysteme können so wieder hergestellt werden. Die Artenvielfalt unterscheidet dabei nicht zwischen Habitatstrukturen in bewirtschafteten oder nutzungsfreien Wäldern. Die Schnelligkeit der Wiederbesiedlung neuer Habitatstrukturen hängt von der Ausbreitungsdynamik einzelner Arten ab. Insbesondere Waldvögel, Fledermausarten, Pilze oder flugfähige Insektenarten reagieren umgehend auf neu entstehende Lebensräume. Neben der Verbreitung von Arten entsteht auch die Möglichkeit des innerartlichen genetischen Austausches. Nach Lenore Fahrig ist bei gleicher Gesamtfläche die Wirkung auf die Artenvielfalt bei vielen kleinen ökologischer Flächen (patches) größer als bei wenigen großen Flächen (several small > single large).[5]

Steinhaufen als Trittsteinbiotop

Trittsteinbiotope werden, ihrer Rolle entsprechend, in der Regel im Rahmen von großräumigen Biotopverbundplanungen geplant. Dabei existieren vor allem auf Einzelarten oder Artengruppen fokussierte Planungen, z. B. Säugetiere[6], Amphibien[7][8][9], Reptilien[10] und Schmetterlinge, aber auch Blütenpflanzen. Es existieren auch umfassendere Ansätze, die neben dem Artenschutz zahlreiche andere Ziele parallel anstreben.

In der konkreten Umsetzung im deutschen Naturschutz beobachtet man eher mehr oder weniger pragmatisch-kleinteilige Konzepte, die nur selten auf den wissenschaftlichen Grundlagen zur Biologie der Zielarten aufbauen[11]. Der Grund wird in der Nutzungsdichte und zersplitterten Eigentumsstruktur gesehen, die großräumige Planungen in Deutschland stark erschweren.

Viele Landesforstverwaltungen in Deutschland haben für ihre Landeswälder Naturschutzkonzepte mit unterschiedlichen Elementen eines Trittsteinkonzepts entwickelt. Beispielsweise haben die Bayerischen Staatsforsten in allen Teilen des Staatswaldes Waldtrittsteinflächen mit der Bezeichnung „Naturwald“ zusätzlich zum Biotopbaumschutz, zu Totholzzielen und Naturwaldreservaten ausgewiesen. Auch in privaten und kommunalen Wäldern gibt es Elemente von Trittsteinkonzepten, was durch eine Reihe finanzieller staatlicher Fördermaßnahmen unterstützt wird.

  • Eckhard Jedicke: Biotopverbund: Grundlagen und Massnahmen einer neuen Naturschutzstrategie (= Ulmer-Fachbuch: Landespflege), Ulmer, Stuttgart 1990, ISBN 978-3-8001-3311-6 (Dissertation Universität Gießen 1990, 254 Seiten mit 104 Illustrationen und graphischen Darstellungen und Karten, 24 cm).
  • Ulrich Mergner: Das Trittsteinkonzept: Naturschutz-integrative Waldbewirtschaftung schützt die Vielfalt der Waldarten; Euerbergverlag, Rauhenebrach 2018; ISBN 978-3-00-059743-5.
  • Ulrich Mergner: Small is beautiful. in AFZ - Der Wald Nr. 3/2014, S. 7–9

Einzelnachweise

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  1. Eckhard Jedicke: Biotopverbund. Grundlagen und Maßnahmen einer neuen Naturschutzstrategie. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 1990. ISBN 3-8001-3311-3, p.71
  2. Seite Biotopverbund beim BfN (Memento vom 8. August 2013 im Internet Archive)
  3. Ulrich Mergner: Trittsteinkonzept - Was ist das? ulrich-mergner.de, abgerufen am 9. Juni 2023.
  4. z. B. Birgit Seifert, Markus Fischer (2008): Habitat networks for dispersal-limited plant species have to be connected at small scale. 6th European Conference on Ecological Restoration (Ghent, Belgium): 1–4.
  5. Lenore Fahrig: Why do several small patches hold more species than few large patches. In: Global Ecology and Biogeography. 2020, S. 1–14, doi:10.1111/geb.13059.
  6. Matthias Herrmann, Jutta Knapp (2007): Artenschutzprogramm Wildkatze im Saarland. Öko-Log Institut im Auftrag des Ministeriums für Umwelt.
  7. Sonia Angelone, Christoph Flory, Harald Cigler, Joggi Rieder-Schmid, Aline Wyss, Felix Kienast, Rolf Holderegger (2010): Erfolgreiche Habitatvernetzung für Laubfrösche. Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 155(3/4): 43–50.
  8. Sabine Greßler: Biotopverbund für Amphibien: Trittsteinbiotope, die neue Naturschutzstrategie. In: Stapfia. Band 51, S. 235–249, zobodat.at [PDF]
  9. Stephan Kneitz (1999): Besiedlungsdynamik und Entwicklung von Amphibienpopulationen in der Agrarlandschaft - Ergebnisse einer Langzeituntersuchung bei Bonn. Rana Sonderheft 3: 21–28.
  10. Sigrid Lenz, Almuth Schmidt (2011): Ergebnisse eines bundesweiten Projektes zur Förderung der Würfelnatter-Populationen und ihrer Lebensräume. Mertensiella 18: 30–38.
  11. Christina von Haaren, Michael Reich (2006): The German way to greenways and habitat networks. Landscape and Urban Planning 76: 7–22.