Tufting

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Schlingenware (rohweiss)

Der Begriff Tufting (englisch to tuft ‚mit Büscheln verzieren‘) oder deutsch Tuften bezeichnet eine Technik zur Herstellung textiler Flächen mit einer Polschicht. Es kann als eine Mischtechnik zwischen Nähen und Sticken betrachtet werden. Es ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Herstellung von Teppichböden, hochwertigen automobilen Innen- und Kofferraum-Auskleidungen sowie Kunstrasen. Das Verfahren eignet sich sowohl zur Produktion von Schlingenware als auch von Veloursware.[1][2]

Die Anfänge der Handwerkstechnik des Tuftens gehen auf Bauern zurück, die sich im 18. Jahrhundert in Pennsylvania niedergelassen hatten. Sie nutzten sie für die Herstellung von Bettvorlegern und kleinen Teppichen.[2] Von dort breitete sich die Technik im 18. und 19. Jahrhundert immer weiter in Richtung Südstaaten aus, wo Siedler die bei den selbsthergestellten Kerzen angefallenen unteren Dochtenden abschnitten und mit diesen Garnbüscheln (tufts) die Bettdecken verzierten,[3] verlor aber zunehmend an Bedeutung und verschwand vor dem Bürgerkrieg nahezu vollständig.[4]

Neue Bedeutung erlangte das Tuften ab 1895. In Dalton (Georgia) experimentierte das damals noch junge Mädchen Catherine Evans, später verheiratete Catherine Evans Whitener[5] und arbeitete eine Tagesdecke nach dem Vorbild eines alten, im Familienbesitz befindlichen Erbstücks aus der Vorkriegszeit. Mit einer Schablone übertrug sie das Muster auf ein ungebleichtes Baumwolltuch und nähte im Bereich der Muster mit einer Nadel dicke Fäden in das Tuch. Die Fäden hatte sie zuvor am Spinnrad ihrer Eltern selbst hergestellt. Nach Abschluss der Näharbeiten durchschnitt sie die aus dem Gewebe herausstehenden Fadenbögen, so dass die durchtrennten Garnbüschel eine samtartige Oberfläche bildeten. Danach wusch sie die Baumwolldecke mehrfach in heißem Wasser, wobei die Fäden durch den Schrumpf der Baumwolle eingeklemmt und fixiert wurden. Schließlich hängte sie das Tuch zum Bleichen und Trocknen auf die Wäscheleine. Dieses von ihr entwickelte Verfahren war der ursprünglichen, vor dem Krieg eingesetzten Technik des Tuftens überlegen.[4]

Die zweite getuftete Bettdecke schenkte Cathrine ihrem Bruder zur Hochzeit. Es dauerte nicht lange, bis sie Aufträge zur Produktion weiterer Decken entgegennahm. Das Herstellen einer Decke war jedoch weiterhin mühsam und langwierig. Cathrine verbesserte zwar den Prozess, konnte jedoch der steigenden Nachfrage allein nicht nachkommen. So begann sie immer mehr Frauen in ihrer Umgebung in die Geheimnisse des Stempelns und der Tuftkunst einzuweihen, die dann für sie arbeiteten. Diese Art der Heimarbeit ermöglichte vielen verarmten Landarbeiterinnen das Überleben. Die Nachfrage erhöhte sich immer weiter und die Tagesdecken wurden mit Lastwagen zu immer entfernteren Absatzmärkten transportiert.[4]

Um 1920 stieg der Bedarf nach Tagesdecken drastisch an, der mit dem Handtuften nicht mehr gedeckt werden konnte. Es gab erste Ideen, diesen Prozess des Tuftens zu mechanisieren. Es war eine Vision, die leistungsfähige Nähmaschine Singer 3115 so anzupassen, dass sie mehrere Nadeln, Haken und Messer aufnehmen konnte. Damit sollte es möglich werden, das Einbringen des Fadens – später auch den Prozess des Zerschneidens der Schlingen – zu automatisieren und mehrere Velours-Reihen gleichzeitig zu erzeugen. Dies war die Voraussetzung der industriellen Fertigung.[6]

Es gab eine Vielzahl von Leuten, die reklamierten der Erfinder der Tufting-Maschine zu sein, aber am häufigsten wird Glenn Looper genannt, der in einem ersten Schritt die Einzel-Nadel-Tufting-Maschine erfand und diese im Jahre 1936 zum Patent anmeldete.[7][8]

Aus der von den US-amerikanischen Brüdern Albert und Joe Cobble 1937 gegründeten Cobble Brothers Machinery heraus starteten beide Anfang der 40er Jahre ihre eigenen Tufting-Maschinen zu bauen. Die Gebrüder Cobble entwickelten um 1940 in Amerika die erste brauchbare Tuftingmaschine mit einer Breite von 50 Inch (1,27 Metern). Die Nadeln waren über die gesamte Breite des Textils angeordnet, so dass Bettumrandungen oder Badezimmervorlagen deutlich kostengünstiger hergestellt wurden. Aufgrund von persönlichen Unstimmigkeiten trennten sich die Brüder und gingen eigene Wege. Der Langzeitkunde von Cobble Brothers George Muse kaufte die Anteile von Albert und meldete mit Joe Cobble im Jahre 1941 das US-Patent Nr. 2335487 an,[9] das als Grundpatent für Mehr-Nadel-Tuftingmaschinen angesehen wird.[2]

Lewis und Roy Card, USA experimentierten und verbesserten die Tuftingmaschinen immer weiter und meldeten zum Schutz ihrer Entwicklungen über 100 Patente in den USA und im Ausland an.[10]

Die Konstruktion breiter Maschinen und die Entwicklung synthetischer Fasern und Garne steigerte den Markterfolg des Teppichbodens maßgeblich. Heute erfolgt der größte Teil der Teppichproduktion nach dem Tuftingverfahren. Einen großen Anteil an der stetigen Weiterentwicklung der Tuftingindustrie hat der Weltmarktführer für Tuftingmaschinen, die Card-Monroe Corp., die 1981 gegründet wurde und 1982 die ersten Maschinen verkaufte.[11][12] In Deutschland wurde 1956 mit der industriellen Fertigung von „Tufting-Erzeugnissen“ begonnen.[2]

Tufting-Maschine

Tufting funktioniert nach dem Prinzip der Nähmaschine. Öhrnadeln mit eingezogenem Polgarn (Tuftinggarn) durchstechen das Trägermaterial, üblicherweise (Gewebe oder Vliesstoffe), das von einer Liefer- und einer Abzugswalze fortbewegt wird. Die senkrecht stehenden Nadeln sind über die gesamte Breite der Tuftingmaschine in einer Reihe angeordnet. Die Maschinen können bis fünf Meter breit sein und erreichen Drehzahlen von bis zu 1800 Umdrehungen pro Minute.[13] Auf der unteren Seite der durchstochenen Trägerschicht werden, bevor die Nadeln wieder zurückgezogen werden, von Greifern die Polfadenschlingen ausgebildet und gleichzeitig die Polhöhe fixiert. Über die Breite der Maschine ist Nadel neben Nadel mit dazugehörigen Greifern angeordnet.[14] Es entsteht auf diese Weise die Schlingenpolware.

Schlingenflorteppich
Schnittflorteppich (Velours)

Ist die Tuftingmaschine zusätzlich neben den Greifern noch mit Messern ausgerüstet, können die Schlingen aufgeschnitten werden. Es entsteht eine Schnittflorware (Veloursteppich). Das Messer ist häufig bereits am Greifer befestigt, sodass das Halten und Schneiden des Pols in einem Arbeitsgang erfolgt. Zum Festhalten der Polschlingen oder des Flores wird die Rückseite des Grundmaterials mit einer Kunstoffdispersion oder Latex beschichtet.[15][16]

Eine häufig verwendete Musterungsmöglichkeit bei Tuftingware ist das Scheren. Hierbei schert ein Rotationsmesser den Flor der Tuftingware, und durch verschiedene Höhen des Flors und den Kontrast von Schlingen und Schnittpolware kann eine Musterung entstehen.

Qualitätsmerkmale

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Für die Qualität sind unter anderem folgende Kriterien wichtig:

Die Polnoppenzahl ergibt sich aus der Stichdichte und dem Nadelabstand, also die Menge an Polnoppen pro Quadratmeter. Je höher die Polnoppenzahl, desto hochwertiger ist der Tuftingteppich.

Nadelabstand
Der Abstand der Nadeln zueinander wird in Bruchteilen von Zoll angegeben. (Beispiel: 1/10" bedeutet 10 Nadeln pro 2,54 cm, also 2,54 mm Abstand zwischen den Nadeln). Je dichter die Nadeln zusammen sind, desto höher ist die Qualität.
Stichlänge
Der Abstand der Stiche entlang der Länge des Teppichs wird als Stichlänge bezeichnet. Die Zahl der Stiche wird pro 10 Zentimeter angegeben. Sie bestimmt die Anzahl an Schlingen.

Die Florhöhe entspricht der Länge der Polfäden bzw. der Polschlingen.

Das Gesamtgewicht eines Teppichs wird pro Quadratmeter angegeben. Es setzt sich zusammen aus dem Gewicht des Flors, des Rückens und der Verbindungsmasse (Kleber). Das Gesamtgewicht pro Quadratmeter ist aber kein besonders guter Indikator, da ein schwerer Erst- oder Zweitrücken nicht zwangsläufig höhere Qualität bedeuten muss. Man unterscheidet:

Materialeinsatzgewicht
Das Materialeinsatzgewicht bezieht sich auf das Garn und ergibt sich aus der Polnoppenzahl und der Florhöhe.
Polgewicht
Das Polgewicht bezeichnet das Gewicht des Polfadens pro Quadratmeter. Polgewicht bezeichnet die Menge, die nach Fertigstellung verblieben ist. Also Poleinsatzgewicht minus der Abfälle, die beim Schlinge-Aufschneiden oder beim Scheren entstehen.
Poleinsatzgewicht
Das Poleinsatzgewicht bezeichnet die Garn-Menge, die zur Herstellung eingesetzt wurde.

Garnqualitätsfaktor

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Der Garnqualitätsfaktor betrifft die Garnqualität und das Garnmaterial. Polyacrylgarne und Polypropylen sind die minderen Ersatzgarne, Polyamid der bessere Faden, aber auch innerhalb der Sorten gibt es Materialunterschiede, die der Laie und oft auch der Fachmann nicht erkennen kann. Starken Einfluss auf die Qualität des Teppichs nimmt z. B. auch die Drehung eines Garns (die wiederum auf das Gewicht des Teppichs einen Einfluss hat) und ob das verwendete Garn dem Heatsetting-Prozess unterzogen wurde.

Commons: Tufting – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Fabia Denninger (Hrsg.): Lexikon Technische Textilien. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-86641-093-0, S. 433
  2. a b c d Stefan Mecheels, Herbert Vogler, Josef Kurz: Kultur- & Industriegeschichte der Textilien. Wachter GmbH, Bönnigheim 2009, ISBN 978-3-9812485-3-1, S. 475.
  3. Alois Kießling, Max Matthes: Textil - Fachwörterbuch. Fachverlag Schiele & Schön, Berlin 1993, ISBN 3-7949-0546-6, S. 387.
  4. a b c Robert J. Tamasy: Tufting Legacies: Cobble Brothers to Card-Monroe: The Story of the Men Who Revolutionized the Carpet Industry. iUniverse, ISBN 978-1-4502-5894-4, S. 4.
  5. Ann Short Chirhart, Kathleen Ann Clark: Georgia Women - Their Lives and Times. Volume 2. The University of Georgia Press, Athens and London, 2014, ISBN 978-0-8203-3784-5; S. 86ff
  6. Robert J. Tamasy: Tufting Legacies: Cobble Brothers to Card-Monroe: The Story of the Men Who Revolutionized the Carpet Industry. iUniverse, ISBN 978-1-4502-5894-4, S. 8.
  7. Patent US2123114A: Tufting machine. Angemeldet am 15. Dezember 1936, veröffentlicht am 5. Juli 1938, Erfinder: Glenn Looper.
  8. Robert J. Tamasy: Tufting Legacies: Cobble Brothers to Card-Monroe: The Story of the Men Who Revolutionized the Carpet Industry. iUniverse, ISBN 978-1-4502-5894-4, S. 9.
  9. Patent US2335487A: Multiple needle tufting machine. Angemeldet am 24. Januar 1941, veröffentlicht am 30. November 1943, Erfinder: Joe C. Cobble, George B. Muse.
  10. Robert J. Tamasy: Tufting Legacies: Cobble Brothers to Card-Monroe: The Story of the Men Who Revolutionized the Carpet Industry. iUniverse, ISBN 978-1-4502-5894-4, S. x, S. 56.
  11. Robert J. Tamasy: Tufting Legacies: Cobble Brothers to Card-Monroe: The Story of the Men Who Revolutionized the Carpet Industry. iUniverse, ISBN 978-1-4502-5894-4, S. 123.
  12. Card Monroe Corp.
  13. Tuftingmaschine
  14. Ursula Völker, Katrin Brückner: Von der Faser zum Stoff – Textile Werkstoff- und Warenkunde. 35., aktualisiert Auflage. Verlag Dr. Felix Büchner. Hamburg 2014, ISBN 978-3-582-05112-7, S. 182/183
  15. Alois Kießling, Max Matthes: Textil - Fachwörterbuch. Fachverlag Schiele & Schön, Berlin 1993, ISBN 3-7949-0546-6, S. 387.
  16. Fabia Denninger (Hrsg.): Lexikon Technische Textilien. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-86641-093-0, S. 434.