GKV-Versorgungsstrukturgesetz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Versorgungsstrukturgesetz)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Basisdaten
Titel: Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Kurztitel: GKV-Versorgungsstrukturgesetz
Abkürzung: GKV-VStG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Sozialrecht
Erlassen am: 22. Dezember 2011
Inkrafttreten am: 1. Januar 2012
Weblink: Text des GKV-VStG
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz ist ein umfangreiches Artikelgesetz, mit dem zum 1. Januar 2012 insbesondere das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch geändert wurde. Das Gesetz sollte angesichts der demographischen Entwicklung, der unterschiedlichen Versorgungssituation von Ballungsräumen und ländlichen Regionen und der neuen Möglichkeiten, die der medizinisch-technische Fortschritt mit sich bringen eine bedarfsgerechte ambulante und stationäre Versorgung für die in der GKV Versicherten gewährleisten.

Nachdem mit dem GKV-Finanzierungsgesetz[1] die Finanzierung der Krankenkassen reformiert worden war, insbesondere durch Einführung eines einheitlichen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrags mit Sozialausgleich[2] und das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes eine Begrenzung der Arzneimittelausgaben vorgesehen hatte, betraf das GKV-VStG vor allem die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung durch Maßnahmen der Bedarfsplanung und die Bekämpfung des Ärztemangels.[3]

Im Gesetzgebungsverfahren konkurrierten ein im Herbst 2010 von dem damaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler angekündigter Gesetzentwurf mit einem von der Unionsfraktion des Deutschen Bundestags im März 2011 vorgelegten 14-Punkte-Plan.[4] Im Sommer 2011 fand eine Fachanhörung von Verbänden zum Referentenentwurf[5] im Bundesgesundheitsministerium statt. Dieser basierte auf den Eckpunkten, auf die sich Union und FDP Anfang April 2011 geeinigt hatten. Es folgte eine Sachverständigenanhörung am 19. Oktober 2011 im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Gesetzentwurf vom 5. September 2011.[6][7]

Das GKV-VStG bedeutete einen Abschied vom Prinzip der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und führte insbesondere beim Ausbau der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung zu weiterer Fehl- und Überversorgung.[8][9] Mit § 11 Abs. 6 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes wurde beispielsweise den Krankenkassen die Ausweitung ihrer Satzungsleistungen um ein sog. Gesundheitsbudget ermöglicht.

Es folgte im Sommer 2015 das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz.

Auswirkung auf die psychotherapeutische Versorgung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Behandlungsbedürftige Versicherte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jeder zweite bis dritte Deutsche entwickelt einmal in seinem Leben eine psychische Erkrankung, die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist. In den Industrienationen mit hohem Einkommen dominieren dabei unipolare Depressionen, gefolgt von Demenzen und alkoholbezogenen Suchterkrankungen.[10] Psychische Störungen treten häufig zusammen auf oder gehen mit anderen Erkrankungen einher. Mit der Komorbidität nimmt auch die Arbeitsunfähigkeit rapide zu. Nur 42,9 % der von einer psychischen Krankheit Betroffenen haben deswegen Kontakt zum Medizinsystem.[11] Durchschnittlich warten Betroffene in Deutschland drei Monate (12,5 Wochen) auf ein psychotherapeutisches Erstgespräch. In 31,5 % der Fälle warten die Patienten länger als drei Monate.[12]

Versorgungssituation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundsätzlich ist es Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, rechtzeitig für die notwendige Behandlung eines Versicherten zu sorgen. Gemeint ist damit nach dem Sachleistungsprinzip die Behandlung des Versicherten durch einen Vertragspsychotherapeuten (§ 72 SGB V). Krankenkassen erstatten auch die Kosten für selbst beschaffte Leistungen durch approbierte Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind. Das regelt § 13 Abs. 3 SGB V.[13] Auch nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz blieb die Kostenerstattung häufig die einzige Möglichkeit für einen Versicherten, unzumutbare Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu vermeiden.[14]

GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch lange Wartezeiten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich psychische Erkrankungen verschlimmern und chronisch werden, dass Patienten auf stationäre Behandlungen zurückgreifen müssen, obwohl eine ambulante Psychotherapie angemessen wäre oder komplett auf eine erforderliche Behandlung verzichten. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von Juli 2015 wurde deshalb der GB-A beauftragt, unter anderem die Psychotherapie-Richtlinie zu überarbeiten. Zum 1. April 2017 wurde die psychotherapeutische Versorgung daraufhin neu strukturiert.[15] Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung wurden verschiedene neue Leistungen zur Besserung akuter psychischer Krisen eingeführt, für die die Therapeuten keine zusätzliche Genehmigung ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) benötigen.[16]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG) (Memento des Originals vom 13. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dkgev.de vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2309)
  2. Isabella Zipp: Die Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung - mit erhöhter Beitragsautonomie zu mehr Solidarität, Wettbewerb und Nachhaltigkeit? Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg 2015, S. 6 f.
  3. Gerhard Bäcker: Chronologie gesetzlicher Neuregelungen. Krankenversicherung & Gesundheitswesen 1998 - 2016 Januar 2017, S. 17 f.
  4. „Das Angebot vom Bedarf des Patienten her gestalten – 14 Vorschläge für eine Reform der medizinischen Versorgung in Deutschland“, vgl. GKV-Versorgungsgesetz: Union drückt aufs Tempo Nordlicht, Offizielles Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, März 2011, S. 4–11
  5. BR-Drs. 456/11 vom 12. August 2011
  6. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) BT-Drs. 17/6906 vom 5. September 2011
  7. GKV-Versorgungsstrukturgesetz Website des AOK-Bundesverbands, abgerufen am 19. Mai 2018
  8. Versorgungsstrukturgesetz: Reaktionen fallen differenziert aus (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aerzteblatt.de Ärzteblatt, 1. Dezember 2011
  9. 14 Positionen für 2014. Reform der Krankenhausversorgung aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes GKV-Spitzenverband, 4. September 2013
  10. F. Schneider, S. Wien, S. Weber-Papen: Epidemiologie und Ätiologie psychischer Erkrankungen in: F. Schneider (Hrsg.): Facharztwissen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Springer, Berlin, Heidelberg 2017, S. 3–10
  11. Norbert Jachertz: Psychische Erkrankungen: Hohes Aufkommen, niedrige Behandlungsrate Ärzteblatt 2013, S. 61
  12. BPtK-Studie zu Wartezeiten in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Umfrage der Landespsychotherapeutenkammern und der BPtK (Memento des Originals vom 10. März 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bptk.de 2011, S. 4
  13. Benjamin Martens: “Chance für Therapeuten ohne Kassenzulassung – oder Risiko für die Patienten?” - Das neue Versorgungsstrukturgesetz psycheplus Fachinformationen, 23. März 2012
  14. Kostenerstattung häufig einziger Ausweg für psychisch kranke Menschen. Unzumutbare Wartezeiten auch nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (Memento des Originals vom 20. Mai 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bptk.de Website der BPtK, 9. Januar 2012
  15. Jan Moeck: Neuerungen in der vertragsspsychotherapeutischen Versorgung Frühjahrstagung der Arbeitsgruppe Vertragsarztrecht im DAV, 31. März/1. April 2017
  16. Strukturreform der psychotherapeutischen Versorgung – Wissenswertes für Therapeuten KBV, Juni 2017