Raumfahrtzentrum Guayana

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Karte des Centre Spatial Guyanais

Das Raumfahrtzentrum Guayana (kurz CSG von französisch Centre spatial guyanais, auch englisch Guiana Space Centre) bei Kourou in Französisch-Guayana (Südamerika) ist ein Weltraumbahnhof, von dem seit 1979 die Ariane- und Vega-Raketen des europäischen Raumtransportunternehmens Arianespace starten. Hausherr des Geländes ist die französische Raumfahrtagentur CNES. Das Raketenzentrum ist der wichtigste Arbeitgeber des Landes.

Das CSG ist einer der am günstigsten gelegenen Raketenstartplätze der Welt. Es ist nur 580,2 km vom Äquator entfernt (5° 13′ 18″ N). Dadurch verleiht die Erdrotation einer dort startenden Rakete einen horizontalen Geschwindigkeitsbeitrag von 461 m/s in Richtung Osten.[1] Außerdem ist es bei einem äquatornahen Start einfacher, geostationäre Satelliten in die geostationäre Transferbahn zum Erreichen der geostationären Umlaufbahn zu bringen. Ein weiterer Vorteil des Standorts besteht darin, dass die Startrichtung zum Erreichen der wichtigsten von den Trägerraketen angeflogenen Umlaufbahnen (die geostationäre Transferbahn und die sonnensynchrone Umlaufbahn) über den Atlantik führt und so beim Raketenstart keine Menschen gefährdet werden. Rund um die Startbasis befinden sich keine Siedlungen, Farmen oder Wirtschaftsgebäude, dafür ausgedehnte Wälder und Sumpfgebiete.

Außerdem besteht wenig Gefahr von Erdbeben oder tropischen Wirbelstürmen.[1]

Französisches Raumfahrtzentrum 1964–1975

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Das Raumfahrtzentrum wurde 1964 von Frankreich errichtet. Noch im selben Jahr startete dort die erste Rakete, eine Höhenforschungsrakete vom Typ Véronique. Die erste Trägerrakete, die vom CSG aus startete, war eine französische Diamant. Von CSG aus starteten vom 10. März 1970 bis zum 27. September 1975 fünf Diamant-B und drei Diamant-BP4.

Am 5. November 1971 war der einzige Start einer Europa-2-Rakete, die von der European Launcher Development Organisation (ELDO) gebaut wurde. Für diesen Typ wurde die Startrampe ELE (l’Ensemble de Lancement Europa) gebaut, aber die Rakete war ein Misserfolg und das Programm wurde eingestellt.[2]

Gründung der ESA, Startrampe ELA-1

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Die stillgelegte Startrampe ELA-2

Infolge der Gründung der ESA im Jahr 1975 stand das Raumfahrtzentrum auch für deren Aktivitäten zur Verfügung. Für die gemeinsame europäische Rakete vom Typ Ariane wurde zwischen 1975 und 1978 die Startrampe ELE zur ELA (Ensemble de Lancement Ariane) umgebaut, was größtenteils von Frankreich finanziert wurde.[3] Am 24. Dezember 1979 war der erste Start einer Ariane 1 von der jetzt ELA-1 genannten Startrampe. Die Startrampe ELA-1 konnte aufgrund der großen Ähnlichkeit zwischen Ariane 1 und ihren Nachfolgemodellen Ariane 2 und 3 auch für diese genutzt werden. Nach dem letzten Start einer Ariane 3 am 11. Juli 1989 wurde die Startrampe ELA-1 stillgelegt.

1988/89: Startrampen ELA-2 und -3

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Startplatz ELA-3 der Ariane 5 im Weltraumzentrum Guayana. Die vier Masten sind Blitzableitertürme
Blick auf das Raumfahrtzentrum Centre Spatial Guyanais (CSG)
Jupiter-Kontrollzentrum vom Centre Spatial Guyanais

Für die Ariane 4 wurde die neue Startrampe ELA-2 errichtet, deren erstes Exemplar am 15. Juli 1988 von ihr startete. Der erste Start von ELA-2 erfolgte jedoch schon am 26. März 1986 mit einer Ariane 3. Nach dem letzten Start einer Ariane 4 am 15. Februar 2003 wurde die Startrampe ELA-2 stillgelegt. Für die völlig neu entwickelte Ariane 5 musste eine neue Startrampe errichtet werden, diese erhielt den Namen ELA-3. Die erste Ariane 5 startete von ihr am 4. Juni 1996. Der letzte Start einer Ariane 5 erfolgte am 5. Juli 2023. Ab frühestens 2026 soll ELA-3 für Starts der Vega-E genutzt werden.[4]

2004: Startrampe ELS

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Anfang 2004 wurde mit dem Bau der Startrampe ELS (l’Ensemble de Lancement Soyouz) für die russischen Sojus-Raketen begonnen. Der erste Start war für Sommer 2011 geplant,[5] wurde jedoch auf Oktober 2011 verschoben.[6] Hierfür wurde ein russisch-europäischer Vertrag geschlossen, der den europäischen Weltraumorganisationen erlaubte, Sojus-Raketen für ihre Zwecke zu benutzen. Die entsprechenden russischen Organisationen durften im Gegenzug Starts von Kourou als Alternative zu ihrem eigenen Weltraumbahnhof in Baikonur (Kasachstan) durchführen. Vom CSG konnte die Sojus wegen der geringeren Entfernung zum Äquator schwerere Nutzlasten ins All befördern. Arianespace konnte damit kommerziellen Kunden eine kostengünstigere Alternative zur Ariane-5-Rakete für mittlere Nutzlasten anbieten. Während der Transport von etwa zehn Tonnen durch die Ariane rund 150 Millionen Euro kostet, transportierte die Sojus-Rakete circa drei Tonnen zu etwa dem halben Preis in die geostationäre Umlaufbahn.[7] Bemannte Starts waren von dieser Startrampe jedoch nicht möglich. Der erste Start erfolgte am 21. Oktober 2011 mit zwei Satelliten des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo.[8] Jährlich erfolgten zwei bis vier Starts, insgesamt waren es 27 Starts. Der letzte Start war am 10. Februar 2022 mit 34 OneWeb-Satelliten. In der Folge des Überfalls auf die Ukraine wurden für die Zukunft alle Starts auf dieser Startrampe abgesagt. Das Personal der russischen Organisationen für den Betrieb der Startrampe wurde abgezogen und die Einrichtungen geschlossen.

2004: Startrampe ELV

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Ende 2004 wurde mit dem Umbau der Startrampe ELA-1 begonnen, um von dieser nun ELV (l’Ensemble de Lancement Vega) genannten Startrampe aus die für kleinere Nutzlasten zwischen 300 und 2500 kg neu entwickelte europäische Trägerrakete Vega starten zu können. Der Erststart erfolgte als Qualifikationsflug am 13. Februar 2012 und transportierte neun Satelliten, darunter sieben Pikosatelliten europäischer Universitäten, in die Umlaufbahn.[9] Von dieser Startrampe startete am 13. Juli 2022 auch die erste Vega-C.

2017: Startrampe ELA-4

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Für die Ariane 6 wurde ab 2017 die neue Startrampe ELA-4 errichtet. Der erste Start von dort erfolgte am 9. Juli 2024.[10]

2024: Startrampe Diamant

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Die Diamant-Startrampe ist seit langer Zeit nicht mehr in Betrieb, besteht aber noch. Es gibt einen Vertrag mit Isar Aerospace, dass ab 2024 von dieser Startrampe die Spektrum-Rakete starten soll.[11] Die zweistufige Spektrum zielt auf den Start von kleinen Nutzlasten ab und soll bis zu 1000 kg in LEO bringen können. Auch die Rocket Factory Augsburg wird voraussichtlich ab 2025 die Startrampe für ihre Rakete nutzen.[12]

Starts können auch von nicht-europäischen Unternehmen und Raumfahrtorganisationen bei dem Startanbieter Arianespace gebucht werden, der nach der Einführung einer ESA-Rakete diese von der ESA übernimmt und die weiteren Starts durchführt. Dazu kauft Arianespace die Raketen oder Teile davon bei den von der ESA ausgewählten Herstellern ein. Außerdem bezahlt die ESA zwei Drittel der jährlichen Betriebskosten des Centre Spatial Guyanais.

Die Infrastruktur des Weltraumbahnhofs besteht aus Gebäuden für die Startvorbereitung von Raketen und Satelliten, Startrampen, dem Startkontrollzentrum und einer Fabrik und Lagertanks für Raketentreibstoff. Es gibt derzeit fünf Startrampen: die inzwischen stillgelegten Startrampen ELA-1 für die Ariane 1, Ariane 2 und 3 und ELA-2 für die Ariane 4, ELS für Sojus-Raketen, ELA-3 für die Ariane 5 sowie die aktiven Startrampen ELA-4 für die Ariane 6, sowie ELV für Vega-Raketen.

Brandschutz wird dabei von einer Abteilung der Feuerwehr von Paris (Brigade de sapeurs-pompiers de Paris; Teil der Armee Frankreichs) gewährleistet, während die Gendarmerie nationale sowie die Fremdenlegion für den Schutz des Geländes zuständig sind.

Das Raketenstartgelände und die zugehörigen Einrichtungen wie die Treibstoffproduktion sind für 20 % des Stromverbrauchs des gesamten Landes verantwortlich. Ein ehrgeiziger Plan soll die Abhängigkeit von der nationalen Stromproduktion reduzieren und 90 % der benötigten Energie bis 2025 selbst erzeugen und dabei den Kohlendioxidausstoß reduzieren und die Klimaziele bereits vor dem Stichdatum erreichen. Dafür sind zwei Maßnahmen vorgesehen: Solarfelder mit einer Leistung von 10 MW peak sollen ab 2023 Strom liefern. Die Solarzellen sollen dabei Brennstoffzellen aufladen. Dabei sollen 50 GWh pro Jahr eingespart werden, und der ökologische Fußabdruck soll damit um 45.000 Tonnen Kohlendioxid verringert werden. Zwei Biomasseanlagen unter der Führung eines unabhängigen Betreibers sollen Biogas erzeugen, welches dann für den Betrieb der Gebäudekühlung benutzt werden soll.[13]

Zur Überwachung der Starts befinden sich einige Bodenstationen und Radare rund um das Raumfahrtzentrum:[14]

Karte
  • Bretagne-1 Radar: südlich von Kourou
  • Adour-2 Radar: In der Nähe der Wetterstation
  • Bretagne-2 Radar: In Cayenne
  • Amazonie-1 Radar: Auf dem Pariacabo in Kourou, ersetzt Adour-2
  • Amazonie-2 Radar: Mobil entweder im Osten oder Norden von Französisch-Guyana
  • optischer Kinetheodolit: Auf St Joseph
  • Kourou Galliot Bodenstation: Empfang der Signale von Raketen und anderen Satelliten
  • Kourou Diane Bodenstation: Teil von ESTRACK

Zur Verfolgung nach der unmittelbaren Startphase werden weitere Bodenstationen genutzt, unter anderem in:

  • Natal
  • Ascension
  • Libreville
  • Malindi
  • Santa Maria
  • New Norcia
  • Bermuda
  • St. Hubert
Hier fehlt eine Grafik, die leider im Moment aus technischen Gründen nicht angezeigt werden kann. Wir arbeiten daran!

Wirtschaftliche Bedeutung

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Das Raumfahrtzentrum ist von überragender wirtschaftlicher Bedeutung für Französisch-Guayana. Bereits 1995 trug es 30 % des gesamten Bruttoinlandsproduktes des Übersee-Départements bei.[15]

Einzelnachweise

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  1. a b Launching Satellites. Launches and Orbits. In: eumetsat.int. European Organisation for the Exploitation of Meteorological Satellites – EUMETSAT, 2019, archiviert vom Original am 22. Juli 2019; abgerufen am 17. April 2023 (englisch).
  2. Bernd Leitenberger: Europäische Trägerraketen Band 1. Von der Diamant zur Ariane 4 – Europas steiniger Weg in den Orbit. Books on Demand, Norderstedt 2009, ISBN 3-8370-9591-6, S. 300. (englisch)
  3. Didier Capdevila: Ariane 1, naissance d’ une fusee. In: capcomespace.net. Abgerufen am 15. Juli 2020 (französisch): „coût total à 75% couvert par la France, le reste par les états de l'ESA“
  4. ESA Ministerial Council: Important decisions regarding Ariane 6, VEGA C and VEGA E. Avio, abgerufen am 14. Januar 2024 (englisch).
  5. Worldwide Launch Schedule. In: spaceflightnow.com. Spaceflight Now, 9. Januar 2011, abgerufen am 20. Februar 2011 (englisch).
  6. Galileo: Europe readies itself for October launch. In: arianespace.com. Arianespace, 23. Mai 2011, abgerufen am 28. Mai 2011 (englisch): „The two Galileo satellites will be deployed using a Soyuz launcher. The October launch will mark Soyuz' inaugural flight from its new launch facilities at the CSG.“
  7. Christoph Seidler: Heikler Countdown im Dschungelcamp. Neue „Sojus“-Raketenrampe. In: Der Spiegel (online). 1. März 2011, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 17. April 2023] mit Videoclip).
  8. Doppelpremiere in Kourou. Russische Sojus-Rakete bringt bei Erststart in Kourou zwei Galileo-Satelliten ins All. In: nzz.ch. Neue Zürcher Zeitung, 21. Oktober 2011, archiviert vom Original am 24. Dezember 2011; abgerufen am 17. April 2023 (Schweizer Hochdeutsch).
  9. ESA’s new Vega launcher scores success on maiden flight. In: esa.int. ESA, 13. Februar 2012, abgerufen am 13. Februar 2012 (englisch).
  10. Jungfernflug – Trägerrakete "Ariane 6" startet erfolgreich ins All. In: T-Online.de. Ströer Media, 9. Juli 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  11. Fly with us. In: isaraerospace.com. Isar Aerospace, abgerufen am 5. Oktober 2022 (englisch).
  12. Golem.de: IT-News für Profis. Abgerufen am 10. Juli 2023.
  13. ESA and CNES choose renewable energy to power Europe’s Spaceport. In: esa.int. Abgerufen am 6. November 2020 (englisch).
  14. CNES: Antennas and radars. In: Centre Spatial Guyanais. Abgerufen am 12. Juni 2024 (englisch).
  15. François-Marie Morvan: Courrier de l’Évêché de Cayenne, Ausgabe Noël 1995, S. 1.

Koordinaten: 5° 13′ 18″ N, 52° 45′ 14″ W