Politisches Lied

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Festival des politischen Liedes 1988 im Palast der Republik in Ost-Berlin, vorn Gerhard Schöne

Ein politisches Lied ist ein Gesangsstück mit einer gesellschaftlich-politischen Tendenz oder Botschaft. Es kann Menschen durch Zuhören und Mitsingen einerseits Zusammengehörigkeit vermitteln bzw. als Identifikationsfaktor wirken und andererseits zur Reflexion und Veränderung gesellschaftlicher Zustände anregen. Es kann aber auch Vorurteile verstärken, Gewalt verherrlichen, zur Gewaltanwendung aufrufen oder etwa zu Rassenhass anstacheln.

Folgende Aspekte politischen Liedguts lassen sich unterscheiden: das (national oder sozial gefärbte) Kampf- und Freiheitslied, das Siegeszuversicht und ein Wir-Gefühl vermitteln soll; die häufig religiös geprägte Hymne, der Trauergesang um die eigenen „Märtyrer“ und das mehr oder weniger offen gegen Missstände auftretende Protestlied. Häufig sind mehrere Aspekte verwirklicht; so leitet etwa die Klage um die Opfer über zum Ruf nach Rache.

Beispiele für Bauernlieder:[1]

Beispiele für nationalistische Lieder:

Beispiele für Arbeiterlieder:

Beispiele für antimilitaristische Lieder:

  • O, König von Preußen (mit den Zeilen „… wie sind wir deines Dienstes so überdrüssig satt …“ und „… ihr Herren nehmt’s nicht wunder, wenn einer desertieret …“) – Entstehungsjahr unbekannt; geschätzt 1750, um 1800, 1815, Verfasser unbekannt.
  • Universal Soldier – entstanden zur Zeit des Vietnamkriegs 1964. Verfasst und gesungen von Buffy Sainte-Marie, später auch von Donovan, 1965. Als deutsche Fassung Der ewige Soldat gesungen u. a. von Juliane Werding.
  • Le déserteur (Monsieur le Président) – 1954 während des Algerienkriegs entstanden; 1955 in Frankreich verboten. Autor: Boris Vian. Deutsche Fassungen von Gerd Semmer, Leo Kowald und Wolf Biermann.
  • Soldat, Soldat, in grauer Norm – Text und Musik: Wolf Biermann, 1968.
  • I Don’t Believe in If Anymore von Roger Whittaker, 1970
  • Es ist an der Zeit – Lied aus der Champagne. Deutsche Fassung 1974 Hannes Wader.

Beispiele für Revolutionslieder:[2]

  • Trotz alledem – zur Revolution 1848.
  • Cancion del Poder Popular – programmatisches Lied der in der Poder Popular zusammengeschlossenen chilenischen Parteien, entstanden 1970.
  • Grândola, Vila Morena – mit dem Abspielen dieses Liedes, gedichtet und komponiert von José Afonso, im katholischen Rádio Renascença wurde am 25. April 1974 die Nelkenrevolution in Portugal ausgelöst.

Widerstandslieder:

Beispiele für Spottlieder:[3]

  • La Caramagnole – Lied (und Tanz), feiert den Sieg der französischen Revolution 1792.
  • Wem ham se de Krone jeklaut – der (erzwungene) Rücktritt Kaiser Wilhelms II. am 9. November 1918 wurde besonders in Berlin besungen.

Hymnen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung:

Neue Linke nach 1968:

Beispiele für Anti-AKW-Lieder, die etwa bei Ostermärschen gesungen wurden:

Beispiele für feministische Lieder:

  • Unter dem Pflaster liegt der Strand – Text und Musik: Schneewittchen.
  • Break the Chain – Lied der weltweiten Bewegung One Billion Rising, Text: Tena Clark, Musik: Tena Clark, Tim Heintz.
  • Frauen gemeinsam sind stark (in der Werbung Puppen …) – Lied der deutschen Frauenbewegung (um 1975), Text: Frauenzentrum Frankfurt am Main, Musik: Lotta Continua.
  • Frauen kommen langsam, aber gewaltig – Text und Musik: Ina Deter.

Im politischen Kampf oder Bewegungen entstandene Lieder begleiten Menschen bei ihren Versuchen, sich gegen Unterdrückung zu wehren bzw. eine Gesellschaftsveränderung herbeizuführen. Oft werden dabei schon existierende, eingängige Melodien mit neuem Text versehen, die Urheber dieser Lieder sind nicht immer nicht bekannt, die Formulierungen im Fall massiver Repression metaphorisch und mehrdeutig.

Nationale Kampf- und Befreiungslieder entstanden zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Napoleon und dem nationalen Einigungsprozess in Deutschland, mit den irischen Aufständen etwa 1919 (The Foggy Dew) zum Thema des „Easter Rising“ von 1916 oder im Zusammenhang mit der katalanisch-nationalen Liedbewegung gegen die Franco-Diktatur (zum Beispiel L’Estaca von Lluís Llach). In die Kategorie des politischen Lieds fallen auch die (besonders in den USA gebräuchlichen) Wahlkampfschlager, die Marschier- und Kampflieder der politischen Rechten und Linken der deutschen Zwischenkriegszeit und die Propagandalieder der Diktaturen (etwa Stalin, Freund, Genosse) als Beispiel musikalischen Personenkults. Vor allem Kampflieder tendieren nicht selten zur massiven Abwertung des Gegners und zur Mobilisierung von Hassgefühlen.

  • Walter Moßmann, Peter Schleuning: Wir haben jetzt die Schnauze voll, alte und neue politische Lieder. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1978, ISBN 3-499-17159-7.
  • Karl Adamek: Politisches Lied heute: zur Soziologie des Singens von Arbeiterliedern: empirischer Beitrag mit Bildern und Noten (= Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Deutsche und Ausländische Arbeiterliteratur der Stadt Dortmund, Band 4). Klartext, Köln 1987, ISBN 3-88474-600-6.
  • Marc Sygalski: Das „politische Lied“ in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1964 und 1989 am Beispiel von Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader und Reinhard Mey. Magisterarbeit, Erschienen im Seminar für Deutsche Philologie, Universität Göttingen 2011, Das „politische Lied“, kostenfreier Download (PDF; 1,0 MB).
  • Christian Bielefeldt, Marc Pendzich: Musik und Politik, Arbeitsheft für den Musikunterricht in der Sekundarstufe II an allgemein bildenden Schulen. Text und CD. Lugert, Marschacht / Cornelsen, Berlin 2009. ISBN 978-3-06-081868-6.
  • Manfred Sievritts, Peter Mühlbauer: Politisch Lied, ein garstig Lied? Band 2: Lied - Song - Chanson. Eres Verlag, Lilienthal. ISBN 978-3-922557-06-7.

Einzelnachweise

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  1. Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Historische Lieder aus acht Jahrhunderten. Hamburg o. J., ISBN 3-87474-851-0.
  2. Texte in Liederkiste, hrsg. von Student für europa e. V., Bad Soden 1. Aufl. 1977, S. 55 und 54.
  3. Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Historische Lieder aus acht Jahrhunderten. Hamburg o. J., ISBN 3-87474-851-0.