Wilfried Jochims
Wilfried Jochims, auch Wilfrid Jochims (* 3. Dezember 1936 in Düren; † 19. Juli 2024[1]), war ein deutscher Opernsänger (Tenor), Professor für Gesang und Gründungsrektor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wilfried Jochims entstammte einer internationalen Familie, sein Vater war holländischer Abstammung, seine Mutter kam aus dem Elsaß.[2] Zusätzlich zu seinem wissenschaftlichen Studium der Germanistik und Philosophie[2] an der Universität Köln studierte er an der Kölner Musikhochschule Schulmusik und Konzertgesang.[3]
Seine erste Verpflichtung war 1964–1967 als lyrischer Tenor am Opernhaus in Essen. Parallel begann er eine Karriere als Konzert- und Oratorientenor, wobei er sich als bedeutender Bach-Interpret erwies.[3] So sang er etwa 1966 bei einer Italien-Tournee Soli der Johannes-Passion (BWV 245) und der h-Moll-Messe (BWV 232).[3][4] 1968 wurde er als Dozent an die Kölner Musikhochschule berufen. 1969–1972 widmete er sich fast ausschließlich seiner Konzerttätigkeit, die ihn auf Gastspiel- und Konzertreisen nach Nord- und Südamerika, Australien, Neuseeland, Indonesien und Indien führte.[3] Jochims bekleidete in Köln die Position des Prorektors.[5]
Am 12. Januar 1994 wurde Jochims in einem feierlichen Gründungsakt im Rostocker Barocksaal durch den Ministerpräsidenten Berndt Seite zum Gründungsrektor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock ernannt.[6][7] Neben der Funktion des Rektors hatte er die Professur für das Fach „Gesang“. Seine Aufgabe in der Gründungsphase war es, die drei vorgesehenen Institute – für Musik, für Musikpädagogik und Musikwissenschaft sowie für Schauspiel – aufzubauen.[7] Bei der Besetzung der Professuren hatte er als Vorgabe, neben der fachlichen Qualifikation auch die Internationalität des Sprachraums der Ostseeanrainerstaaten abzubilden.[7] Seiner Initiative ist die 1995 erfolgte Gründung der Association of Baltic Academics of Music (ABAM) zu verdanken, einer internationalen Konferenz, die die Kunsthochschulen der Anrainerstaaten des Ostseeraumes zusammenschloss.[7] Sie sollte u. a. dem Studenten- und Hochschullehreraustausch dienen und gemeinsame Orchesterprojekte fördern. Seiner „Zukunftspolitik“ entsprang die Schaffung des Studienganges „Klavierduo“ als Alleinstellungsmerkmal der Hochschule an der Peripherie Deutschlands.[8] Ein bedeutsamer Höhepunkt während Jochims’ Rektorat war 2001 der Umzug der Hochschule in das von 1998 bis 2001 renovierte und mit modernen Gebäuden ergänzte historische Katharinenstift in der Rostocker Altstadt.[8]
Aus einem mittäglichen Zusammentreffen Jochims mit dem Hamburger Unternehmer Horst Rahe entwickelte sich Ende der 1990er Jahre dessen Gründung der Horst-Rahe-Stiftung, die hochbegabte Studierende der Hochschule für Musik und Theater Rostock fördert.[9] Im September 2001 durfte sich Jochims ins Ehrenbuch der Hansestadt Rostock eintragen.[1]
„Am 22. März 2002 wurde Herr Prof. Jochims im Bildungsministerium wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt. Der Bildungsminister [Peter Kauffold] stellte fest, dass Herr Professor Jochims durch sein Ausscheiden eine Lücke hinterlässt, die zu schließen für seinen Nachfolger eine große Herausforderung darstellen wird.“[7]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Hochschule für Musik und Theater Rostock. Einzige Neugründung einer Kunsthochschule in Ostdeutschland nach der Wende. In: Hochschule Ost. Leipziger Beiträge zu Hochschule & Wissenschaft. Band 5, Heft 4, Universität Leipzig, 1996, ISSN 0944-7989, S. 68–76 (Volltext, PDF)[10]
- Hrsg.: Glücksmomente – zur Einweihung des neuen Hauses der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Konrad Reich Verlag, Rostock 2001, ISBN 3-86167-113-1
Diskografie (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Georg Friedrich Händel: Belshazzar. (HWV 61), Interpreten: Sylvia Stahlman, Helen Raab, Heidrun Ankersen, Wilfrid Jochims, Helge Birkeland, Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart, Orchester der Stuttgarter Kirchenmusiktage, Helmuth Rilling; 3 Schallplatten, VOX 1964, SVBX 5209
- Heinrich Schütz: Symphoniae Sacrae (9 Concertos From Book I). Helmuth Rilling [Dirigent]; Schallplatte, Bärenreiter Musicaphon, 1966, BM 30 SL 1323
- Johann Hermann Schein: Israelsbrünnlein. Interpreten: Edith Wiens, [Sopran], Viola Wiens [Sopran], Wilfried Jochims [Tenor], Harro Brodersen, [Bariton], Spandauer Kantorei, Cappella Vocale Hamburg, Martin Behrmann, [Dirigent]; 2 Schallplatten, Fono-Schallplattengesellschaft, Münster 1976, FSM 43024-25, DNB 353243078
- Johann Sebastian Bach: Kantate (BWV 201): Der Streit zwischen Phoebus und Pan : Geschwinde, ihr wirbelnden Winde. Interpreten: Edith Mathis [Momus], Ingeborg Ruß [Mercurius], Wilfried Jochims [Tmolus], Peter Schreier [Mydas], Erich Wenk [Phoebus], Jakob Stämpfli [Pan], Martin Galling [Cembalo], Figuralchor der Gedächtniskirche, Bach-Collegium, Helmuth Rilling [Dirigent]; Schallplatte, Cantate, Kassel 1976, SDG 610203, DNB 353400343
- Johann Sebastian Bach: Jagd-Kantate (BWV 208): Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd. Interpreten: Helen Donath [Diana], Elisabeth Speiser [Pales], Wilfried Jochims [Endymion], Jakob Stämpfli [Pan], Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart, Bach-Collegium Stuttgart, Helmuth Rilling [Dirigent]; Schallplatte, Cantate, Kassel 1977, SDG 610206, DNB 353357197
- Ich, Oswald von Wolkenstein – spätmittelalterliche Lieder. Interpreten: Wilfried Jochims [Tenor], Michael Schäffer [Laute], Tom Kannmacher, [Scheitholt, Drehleier, Sackpfeife]; Schallplatte, Aulos, Viersen 1978, FSM 53516 AUL, DNB 353375829
- Altitalienische Arien. Interpreten: Wilfried Jochims,[Tenor]; Kay Griffel [Sopran], Eckart Sellheim, [Hammerklavier]; Schallplatte, Aulos, Viersen 1978, FSM 53517 AUL, DNB 353382434
- Johann Sebastian Bach: Magnificat. (BWV 243)[4]
- Johann Sebastian Bach: Kaffeekantate – Schweigt stille, plaudert nicht. (BWV 211)[4]
- Carl Philipp Emanuel Bach: Anbetung dem Erbarmer – Osterkantate. (H.807, Wq.243), Interpreten: Barbara Schlick [Sopran], Rheinische Kantorei [Chor], Gotthold Schwarz [Bass], Wilfried Jochims [Tenor], Hilke Helling [Alt], Das Kleine Konzert [Orchester], Hermann Max [Dirigent]; Capriccio[11]
- Georg Philipp Telemann: Der Tag des Gerichts. (TWV6:8), Interpreten: Das Kleine Konzert [Orchester], Rheinische Kantorei [Chor], Stephan Schreckenberger [Bass], David Cordier [Alt], Wilfried Jochens [Tenor], Ann Monoyios [Sopran], Hermann Max [Dirigent]; Capriccio[11]
- Komponistinnen unserer Zeit: Erna Woll – Felicitas Kukuck. [= DSB Lied und Chor]. Interpreten: Wilfrid Jochims, [Tenor]; Volkshochschule Dülken [Kammerchor]; Hans-Josef Roth [Choreinstud.]. Enthält: Erna Woll: Süßes Saitenspiel. – Felicitas Kukuck: Storm-Lieder. Schallplatte, Möseler, Wolfenbüttel 1968, Camerata CMS 17121 EP.[12]
Weitere Aufnahmen entstanden mit Werken von Johann Ludwig Bach, Wilhelm Friedemann Bach, Dietrich Buxtehude, Johann Adolf Hasse, Johann David Heinichen, Orlando di Lasso, Heinrich Schütz, Georg Philipp Telemann.[11]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jochims, Wilfried. In: Ingrid Bigler-Marschall (Hrsg.): Deutsches Theater-Lexikon. Nachtragsband 2: G – J. De Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-028755-4, S. 398.
- Jochims, Wilfried. In: Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens (Hrsg.): Großes Sängerlexikon. Vierte, erweiterte und aktualisierte Auflage. Band 3, Franc – Kaidanoff. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 978-3-11-915958-6, S. 2255.
- Leonas Stepanauskas: Das interessiert uns auch: Musisches Bidungszentrum in Rostock. Im Gespräch mit dem Gründungsrektor, Prof. Wilfried Jochims. In: Annaberger Annalen. Nr. 2, 1994, S. 153–159 (Volltext, PDF).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Wilfried Jochims im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur über Wilfrid Jochims in der Landesbibliographie MV
- Werke von Wilfrid Jochims in der Landesbibliographie MV
- Wilfried Jochims bei Discogs, abgerufen am 26. August 2024.
- Wilfried Jochims. ClassicalArchives.com, abgerufen am 26. August 2024.
- Junge Hochschule mit historischen Wurzeln. NDR 1 Radio MV, 2. September 2015, abgerufen am 26. August 2024.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Früherer HMT-Rektor gestorben. In: Ostsee-Zeitung, 15. August 2024, S. 11.
- ↑ a b Leonas Stepanauskas: Das interessiert uns auch: Siehe Literatur, hier Seite 159.
- ↑ a b c d Jochims, Wilfried. In: Großes Sängerlexikon. Siehe Literatur.
- ↑ a b c Wilfried Jochims. bei Bach Cantatas Website (englisch)
- ↑ Hochschule Ost. Siehe Schriften, hier S. 69.
- ↑ Jubiläum 30 Jahre HMT. „Zeitstrahl“ Hochschule für Musik und Theater Rostock. Abgerufen am 26. August 2024.
- ↑ a b c d e Mecklenburg-Vorpommern – Mitteilungsblatt des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, 12. Jahrgang, Schwerin, den 15. Mai 2002, Nr. 5/2002, S. 192, (Volltext, PDF). „Bildungsminister Prof. Dr. Peter Kauffold dankte Prof. Wilfried Jochims, Gründungsrektor der Hochschule für Musik und Theater, für seine Leistungen sowie den außerordentlichen Einsatz und verabschiedete ihn in den Ruhestand.“
- ↑ a b Hochschule für Musik und Theater Rostock blickt auf 25 Jahre Klavierduoausbildung zurück. Deutsches Musikinformationszentrum, 9. Juli 2024, abgerufen am 26. August 2024.
- ↑ Almuth Knigge: Eigentum verpflichtet. Deutschlandfunk Kultur, 25. Januar 2010, abgerufen am 27. August 2024.
- ↑ Hochschule Ost. Siehe Schriften, Hinweis zum PDF: Das PDF ist teilweise unsortiert, S. 68–71 im PDF als S. 35 f und S. 72–76 im PDF als S. 42 ff.
- ↑ a b c Wilfried Jochims bei ClassicalArchives.com
- ↑ Nachweis im Katalog des GBV
Personendaten | |
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NAME | Jochims, Wilfried |
ALTERNATIVNAMEN | Jochims, Wilfrid |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Opernsänger (Tenor), Professor für Gesang und Gründungsrektor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock |
GEBURTSDATUM | 3. Dezember 1936 |
GEBURTSORT | Düren |
STERBEDATUM | 19. Juli 2024 |