Wolfram Tschiche

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Wolfram Tschiche (* 18. April 1950) ist ein DDR-Bürgerrechtler, Philosoph und evangelischer Theologe.

Der Sohn des systemkritischen evangelischen Pfarrers Hans-Jochen Tschiche engagierte sich seit 1968 in der DDR oppositionell. Er protestierte gegen die militärische Intervention in die ČSSR und absolvierte den Wehrdienst als Bausoldat.[1] Bereits während seines Theologiestudiums wurde er vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überwacht.[2] Das MfS wertete den Debattierkreis um Christoph Prüfer und Wolfram Tschiche in Halle als „staatsfeindliche Gruppenbildung“ und zerschlug ihn 1973.[3] Tschiche wurde festgenommen und im Gefängnis Roter Ochse über Nacht verhört.[1] Am nächsten Morgen wurde er freigelassen,[4] Christoph Prüfer wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.[5] Seit 1980 organisierte Tschiche illegal philosophische Arbeitskreise und beteiligte sich 1983 an Aktionen der Friedensbewegung wie der Bildung einer Lichterkette zwischen der amerikanischen und sowjetischen Botschaft in Berlin und dem Fasten in der Erlöserkirche: „Wir hungern nach Abrüstung - Fasten für den Frieden“.[6] Er arbeitete eng mit Katja Havemann zusammen,[7] beide wurden vom Referat III der Hauptabteilung XX/9 der Stasi beobachtet, Tschiche wurde unter der Bezeichnung OV „Philosoph“ geführt.[8] Er pflegte Kontakte zur Charta 77[9] und zu den Grünen.[6] Er vermittelte auch Rolf Henrich den Kontakt zur Opposition.[10] Mit Ulrich Stockmann organisierte er ab 1988 die Sommer- und Winterakademien der Solidarischen Kirche.[11] 1989 gehörte er zu den Herausgebern der Samisdat-Zeitschrift Ostkreuz: Politik, Geschichte, Kultur.[12]

Während der friedlichen Revolution in der DDR engagierte er sich beim Neuen Forum und war 1990 Mitgründer des Vereins für politische Bildung und soziale Demokratie in Weimar.[9] Von 1991 bis 1992 war er Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Leipzig.[13] Seit 1993 arbeitet der Bürgerrechtler in der Jugend- und Erwachsenenbildung und betreibt als Freiberufler politische und philosophische Bildungsarbeit.[14] Seit 2008 organisiert er auch Zeitzeugenprojekte, insbesondere mit Menschen aus Osteuropa.[15]

Tschiche lebt in Klinke.

Veröffentlichungen

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  • Philosophie und politische Bildung im Widerstand – persönliche Erfahrungen in der DDR, in: Carsten Passin, Wolfram Tschiche, Thomas Weiß: Demokratie und Werte: praktisches Philosophieren mit Jugendlichen, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, Bonn 1999, S. 44–47 (Online; PDF; 624 kB)
  • Demokratie und Menschenwürde – zur Begründung der Menschenrechte im europäischen Kontext, in: Carsten Passin, Wolfram Tschiche, Thomas Weiß: Demokratie und Werte: praktisches Philosophieren mit Jugendlichen, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, Bonn 1999, S. 172–203 (Online; PDF; 624 kB)
  • Konzeptionen von „Zivilgesellschaft“ der mittelosteuropäischen Dissidentenbewegung und Opposition, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 17 (2005) 1, S. 77–81
  • Konzeptionen von „Zivilgesellschaft“, in: Liberal – Vierteljahreshefte für Politik und Kultur 2/2005, S. 40–45
  • Islam und Menschenrechte – ein unaufhebbarer Widerspruch, in: Liberal – Vierteljahreshefte für Politik und Kultur 3/2005, S. 49–53
  • „Ist Glück Glückssache?“, in: Liberal – Vierteljahreshefte für Politik und Kultur 1/2006, S. 63–67

Einzelnachweise

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  1. a b Dirk Wirausky: DDR-Oppositioneller berichtet Schülern des MCG, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 14. Dezember 2010
  2. Harald Schultze, Waltraut Zachhuber: Spionage gegen eine Kirchenleitung: Detlef Hammer - Stasi-Offizier im Konsistorium Magdeburg: Gespräche, Dokumente, Recherchen, Kommentare, Evangelisches Büro Sachsen-Anhalt, 1995, S. 10–12, 87–89
  3. Paul Kaiser, Claudia Petzold (Hrsg.): Boheme und Diktatur in der DDR. Gruppen. Konflikte. Quartiere. 1970–1989. Fannei und Walz, Berlin 1997, ISBN 978-3-927574-39-7, S. 236.
  4. Wolfram Tschiche: Die Tschechen waren mein Schicksal – Zur persönlichen und historischen Bedeutung des „Prager Frühlings“ 1968. In: Erinnern! Aufgabe, Chance, Herausforderung 2 / 2018 der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, S. 1–16
  5. Rallyes, Feten, Burggeflüster, Online-Katalog zu Boheme und Diktatur in der DDR. Gruppen Konflikte Quartiere. 1970-1989, Ausstellung des Deutschen Historischen Museums vom 4. September bis 16. Dezember 1997
  6. a b Thomas Klein: „Frieden und Gerechtigkeit“: die Politisierung der Unabhängigen Friedensbewegung in Ost-Berlin während der achtziger Jahre, Böhlau Verlag, Köln Weimar 2007, ISBN 3-412-02506-2, S. 168 ff.
  7. Katja Havemann, Joachim Widmann: Robert Havemann, oder, Wie die DDR sich erledigte, Ullstein Verlag, 2003, ISBN 3-550-07570-7, S. 355 f.
  8. Thomas Auerbach, Matthias Braun, Bernd Eisenfeld, Gesine von Prittwitz, Clemens Vollnhals: Hauptabteilung XX: Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur, „politischer Untergrund“ (MfS-Handbuch). Hg. BStU. Berlin 2008. S. 165, 168 (Online)
  9. a b Leonore Ansorg: Das Land ist still - noch!: Herrschaftswandel und politische Gegnerschaft in der DDR (1971-1989), Zeithistorische Studien Bd. 40, Böhlau Verlag, Köln Weimar, 2009, ISBN 3-412-14306-5, S. 333, 345 f., 388; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  10. Walter Süß: Staatssicherheit am Ende: warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern, Ch. Links Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-86153-181-X, S. 202
  11. Joachim Goertz: Die Solidarische Kirche in der DDR: Erfahrungen, Erinnerungen, Erkenntnisse, BasisDruck, 1999, ISBN 3-86163-099-0, S. 169, 178
  12. Siegfried Lokatis, Ingrid Sonntag: Heimliche Leser in der DDR: Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur, Ch. Links Verlag, Berlin 2008, S. 352
  13. Henning Fülle: Himmel auf Erden? Entstehung, Struktur, Arbeitsweisen der grün-nahen politischen Stiftungen, Stiftungsverband Regenbogen e.V., Hein, Dortmund 1992, S. 151
  14. Peter Lindner: Prediger im Streit der Historiker, Mitteldeutsche Zeitung, 7. Juni 2009
  15. Hannes Harthun: Heizer und Pförtner redigierten Gedichte und Texte, Volksstimme, 15. November 2011